Wie macht der Löwe

In der S-Bahn gehört, zwei Fahrschüler vor Theorie-Fragen:

“Wenn du aus dem Kreisverkehr rechts rausfährst, dann musst du blinken.”

“Alter, warum das denn.”

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Im Vorübergehen gehört, ein Pärchen, bei dem sie schnell von ihm wegstrebte:

“Aber das hilft ja auch alles nichts, das hilft nicht uns und nicht unserer Beziehung.”

“Doch!”

“Nein!”

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Vor einem Kiosk sitzen am Nachmittag zwei erschöpfte, verschwitzte und schwere Männer im Schatten, die fragen gerade ein kleines Mädchen, wie der Löwe macht. Und das Mädchen macht, wie der Löwe macht – und lacht und lacht. Und die Männer lachen auch, die Bäuche beben, dann strecken sie ihre müden Beine aus, heben ihre Bierdosen und stoßen an, auf den Tag und auch auf den kleinen Löwen, der doch eigentlich eine Löwin ist.

Ich bin auch Löwe, wie mache ich? Ich mache gar nicht, ich gehe da nur vorbei.

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Eine weiße Stretchlimo fährt langsam vorbei, ein Fenster geht runter und man hört und sieht kurz, dass die fortgeschritten angeheiterten Damen darin gerade sehr falsch “Atemlos” singen und erdbeerig aussehende Cocktails in Plastikbechern in den Händen haben. Eine Limousine mieten und dann mit Plastikbechern anstoßen, was ist das bitte für ein Niveau?

Als ich einmal mit Kollegen in New York eine Limousine gemietet habe, es ist etwa hundertfünfzig Jahre her, da gab es in einem verspiegelten Fach in der Mitte des Innenraums Whiskey in einer Karaffe und feine Gläser mit Schliff und Schick. Und wir haben uns sofort als unerfahrene Touristendeppen geoutet, weil wir gefragt haben, ob das denn auch inklusive sei – denn natürlich war es das, darum ging es doch. Wir haben das dann aus Prinzip getrunken, es war billigster Fusel, eine Qualität auf dem Niveau der kleinen braunen Flaschen an Supermarktkassen. Aber an der Ampel damit mal eben affektiert Leuten aus dem Autofenster heraus zuprosten, meine Güte, was hat man für fürchterliche Peinlichkeiten hinter sich. Na egal, niemand kommt unbeschadet jenseits der 50 an.

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In den Kleingärten machen die Hecken an den Wegen auf dicke Hose und wollen keinen mehr durchlassen, Sträucher und Bäume hängen voller Obst. Die Herzdame kocht gläserweise Kirschmarmelade, der Baum ist immer noch voll. Ich entringe den wehrhaften Stachelbeersträuchern die Ernte, dünge mit Blut und verzehre sofort, denn die mag sowieso niemand außer mir. Alles Banausen.

Der Mohn ist verblüht, er schläft vornübergebeugt auf den Zuccchinis und gehört dringend abgeräumt. Aber dafür müsste man in die Sonne, das möchte man heute nicht. Fingerhut und Rittersporn, auch alles schon durch, die sind jetzt mit Nachwuchs beschäftigt, nicht mehr mit Schönheit. Die Stockrosen rücken just in time nach, die wilden Malven nehmen neuen Anlauf und blühen und blühen, von Hummeln umtorkelt, von Bienen umschwirrt.

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Ich wollte mit einem E-Roller zwischen Garten und Wohnung verkehren: “Kein Roller in deiner Nähe verfügbar.” Auch beim dritten Versuch nicht, das wird irgendwie nichts mit diesen Dingern und mir. Wieder auf das Stadtrad, Garten-Wohnung hin und zurück für 1,20. Das ist natürlich auch schwer zu schlagen.

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Im kleinen Bahnhofsviertel steht eine Frau vor der Kirche und sieht verirrt aus. Ich frage, ob ich ihr helfen kann, immerhin kenne ich mich hier aus. Sie sieht mich an und zögert etwas: “Na ja, wenn Sie hier Friseure kennen …” Ich verstehe ihre Zweifel nicht, ich schüttele indigniert meine wohlfrisierten Haare, weise kundig den Weg zum gesuchten Friseur und gehe sicherheitshalber noch einige Meter mit, Pfadfinder nichts dagegen. “Das ist hier ja wie im Labyrinth”, sagt die Frau. Und ich dachte immer, es ist einfach nur die Innenstadt.

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Vom Balkon aus höre ich, wie jemand Ukulele übt. Das höre ich jetzt öfter und es stört gar nicht, das klingt so sommerlich und leicht und wenn Sie also auch einmal mit der Ukulele anfangen wollen, nehmen sie doch bitte die heißesten Tage des Jahres, da passt das.

Aber es hört noch jemand den Ukulelespieler, das ist die Amsel, die neuerdings jede Scheu vor Menschen abgelegt hat und von der Regenrinne vor unserem Küchenfenster aus abendlich den Spielplatz beschallt. Ich kann beim Kochen rausgucken, dann sitzt sie da und guckt, wie ich gucke und fliegt nicht weg. Sie guckt sogar eher etwas aufmüpfig und singt dann noch lauter und hebt den Schnabel dabei so hoch wie sehr standesbewusste Menschen manchmal das Kinn. Ihr Blick wirkt auch manchmal etwas herablassend, besonders nachdem ich ihr aus Spaß einmal etwas zugepfiffen habe, was sie ganz sicher nicht gelungen, sondern vermutlich eher plebejisch fand. Es ist die Arroganzamsel vom Dienst.

Nein, sie ist wirklich nicht der jovialste Vogel, aber immerhin singt sie sehr schön zur Ukulele.

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In der Eisdiele (zwei Kugeln, Karamell-Salz und Cold-Brew-Coffee, man ist ja soweit durchgentrifiziert) heißt der Eisbecher des Monats: Bananarama. Und das muss ich den Söhnen dann auch wieder erst einmal erklären.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, für gentrifiziertes Eis oder für anderes, ich richte mich ganz nach Ihrem Betreff, herzlichen Dank. Über die Verwendung der Summen im Juni wird morgen natürlich ausführlich berichtet.

4 Kommentare

  1. ich nehme da leichte Abfärbungen von Wolf Haas war 🙂

    was für ein schöner Text, vielen Dank dafür!

  2. Kurz mal nicht reingeschaut und dann zwei so schöne Texte, welche Freude!
    Herzliche Grüße
    Eva

  3. Ach Herr Buddenbohm – ich liebe Ihre Texte ? und Bananarama …. katapultierte mich grad in meine Jugend zurück … hab das Lied gleich auf die Playliste geschoben … sehr sehr geiler Song, immer noch – danke dafür!!! Viele Grüße aus dem Bayerischen Süden! Sandra

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