Warum auch immer

Um dieses elende Homeschooling ein wenig konstruktiver anzugehen, haben wir etwas umgestellt. Es gibt bei mir jetzt für Sohn I meistens nur ein Fach pro Tag, das geht viel besser so. Die Schule sieht das tendenziell etwas anders, aber hey, ich bin ja auch gar kein Lehrer, ich habe überhaupt nicht den Anspruch, hier alles richtig zu machen. Ich habe nur den Anspruch, die Beziehung zum neuerdings von mir dauerbeschulten Kind möglichst unbeschadet durch diese Zeit zu retten. Dafür müssen wir hier aber alles möglichst friedlich halten und möglichst viele nervötende Faktoren ausschalten. Alle Stunde oder alle zwei Stunden das Fach zu wechseln und bei der noch nicht ganz ausgereiften Selbstorganisation schon wieder zu helfen, das nervt alle Beteiligten erheblich. Wenn die Schule da also etwas anderes will – bitte hinten anstellen, es ist schlicht eine Prioritätenfrage. Ich mache es so, wie es uns passt. Und nein, die Tage sind natürlich nicht alle gleich lang auf diese Art. Warum sollten sie es auch sein, ich weiß ja nicht einmal, welcher Wochentag überhaupt ist.

Wir haben zuerst tatsächlich versucht, uns so etwas wie einen Stundenplan nachzubasteln, das schien uns einigermaßen naheliegend zu sein, weil es nun einmal immer so war, es war aber doch Unfug. Hier ist keine staatliche Schule, ich muss wirklich nicht alles nachspielen, was da so gemacht wird, es klingelt ja auch nicht zwischendurch. Und im Grunde ist die Variante mit nur einem Fach pro Tag sogar so dermaßen viel besser als die andere, also auch für das Lernen, es wird hinterher vermutlich seltsam sein, wieder einem gewöhnlichen Stundenplan zu folgen, bei dem nach altem Muster dauernd das Thema gewechselt wird, wenn man doch gerade erst aufgetaut ist und sich eben erst warm gedacht hat.

Und noch etwas habe ich geändert. Da man beim Homeschooling nämlich oft an einem Computer sitzt, neben dem womöglich auch noch ein Smartphone liegt, bringe ich jetzt das bei, was ich selbst in einer solcher Arbeitssituation seit Jahren völlig normal finde, nämlich alles online herauszufinden und nachzulesen.Es gibt hier also kein “Ich weiß nicht …” mehr. Es gibt vielleicht noch ein “Ich finde nicht …” – aber da kann ich helfen, da landen wir dann nämlich bei der Bewertung von Quellen, das wird super, da kenne ich mich ein wenig aus – besser jedenfalls als bei Dezimalbrüchen und deren Umwandlung in was auch immer. Und während ich das mit der Recherche also beibringe, fällt mir erst richtig auf, dass das auch bitte unbedingt jemand beibringen muss, die Schule tut es nämlich nicht – oder zumindest nicht in auch nur halbwegs ausreichendem Ausmaß. Und es handelt sich doch um essentiell wichtige Fähigkeiten, ganz im Ernst.

Es gibt jetzt also kein “Ich weiß die dritte Person Singular von vouloir nicht mehr”, es gibt kein “Ich weiß nicht, wann der Hadrianswall erbaut wurde”, es gibt kein “Was ist nochmal ein Attribut”. Es gibt höchstens: “Oh, ich bin offline.”

Wenn man die dritte Person Singular von vouloir dreimal online nachgeschlagen hat, dann weiß man die übrigens auch, inklusive Aussprache und allem. Zu diesem Schluss werden vermutlich viele Kinder und auch viele Eltern in den letzten Tagen gekommen sein, nehme ich an. Es wird dann auch bei diesem Thema überaus komisch für die Schülerinnen und Schüler werden, wieder auf normal oldschool (haha!) umzusteigen, oder gefühlt dann vermutlich eher hinunter zu steigen, wenn man nämlich auf einmal wieder so ohne Geräte im Klassenraum sitzt. Das wird sich zweifellos verdammt komisch anfühlen. Als würde man auf einmal Welt ohne Internet spielen. Warum auch immer.

Corona wird ein Bruch sein, es kann danach nicht normal weitergehen, an vielen Stellen nicht. Man wird es vermutlich dennoch versuchen, aber es wird hier und da einfach nicht mehr zu halten sein. So viel Prophezeiung darf man wohl wagen.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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6 Kommentare

  1. An Waldorfschulen heißt das Epochenunterricht, wenn ein Fach bzw. Thema vier Wochen lang Inhalt des sogenannten Hauptunterrichts ist – und hat durchaus tiefgehende Vorteile.

  2. Meine Tochter ist jetzt 7. Klasse im Gymnasium in Sachsen. Sie haben relativ wenig Hausaufgaben bekommen, einige davon aber etwas umfangreicher. Die haben aber Zeit bis Mittwoch vor Ostern. Bis auf Deutsch mussten wir auch keine Hausaufgabe zum Lehrer schicken. Wahrscheinlich hoffen die Lehrer, das die Schule nach den Ferien wieder „normal“ weitergeht.
    Das Kind findet es gut, sie entscheidet welches Aufgaben sie macht. Die Uhrzeit ist dabei egal. Englisch hat sie gestern um 23 Uhr mit Hilfe ihrer Internet-Freunde auf Discord erledigt. Sie hat Glück, das wir technisch gut ausgerüstet sind. Ein normaler PC mit Laserdrucker, jeder ein Smartphone, sie noch ein Tablet und ein einfaches Notebook. Sport macht sie alleine und eine tägliche Runde mit dem Hund ist auch noch drin. Das größte Glück ist, das ihr großer Bruder noch zu Hause wohnt. Der ist zum Reden und Blödsinn machen besser geeignet, als die Eltern.

  3. Den Gedanken zum Homeschooling kann ich nur zustimmen. Wir haben es von Anfang an so gehandhabt, dass sich die Kinder jeweils aussuchen konnten welches Fach am nächsten Tag dran sein sollte. Das wurde dann bis zum Ende bearbeitet – 3 Stunden täglich haben hier gereicht, denn Wochenenden und Osterferien haben wir kurzerhand zur Arbeitszeit erklärt.
    Häufig wurde der Zeitrahmen dann aber doch überschritten, denn das jeweilige Kind wollte nun doch noch schnell etwas zu Ende bringen. Das ist viel näher daran, wie ich das arbeiten beruflich und aus dem Studium kenne und führt auch zu bedeutenderen Lernfortschritten. Auch ich bin gespannt, wie es im danach weitergeht. Wann immer das auch sein mag.

  4. Yeah man, well done! So würde ich das auch machen. Gottseidank muss ich es nicht mehr, weil der Filius schon lange aus der Schule raus ist. Wenn ich da an seinen „Computer-Unterricht“ damals denke, kommt mir jetzt noch das kalte Grausen. Uralte PCs, die zur Hälfte kaputt waren und „Internet“ kam überhaupt nicht vor.

    Ich war eine der wenigen Mütter, die hübsche Programme gefunden hat, mit denen man spielerisch rechnen üben oder Englisch lernen konnte. Das machte sogar Spaß und war so schnell erledigt, das ich mit dem Programm kaufen kaum hinterher kam.

    Es war schon immer so mit der Schule, sie hinkte immer schon eine ganze Generation hinterher mit einem Unterrichtskonzept aus dem vorigen Jahrhundert. Es würde mich diebisch freuen, wenn das nach Corona einfach nicht mehr so weiter geht und die verknöcherten Herrrschaften in den Bildungsministerien – ach – am besten ausgetauscht würden.

  5. „Alle Tage sind gleich lang, jedoch verschieden breit.“
    (Udo Lindenberg, 1982)

    „Und nein, die Tage sind natürlich nicht alle gleich lang auf diese Art.“ (Maximilian Buddenbohm, 2020)

    File under: „Neue wissenschaftliche Erkenntnisse in Zeiten von Corona“.

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