Leg den Witz von damals auf

Ich habe Anfang der letzten Woche einen alten Witz nachgespielt, ganz unabsichtlich habe ich das getan. Und das kam so: Ich erhielt eine WhatsApp-Nachricht, als ich gerade eine Straße entlang ging, ich blieb stehen und las sie. Dann schrieb ich eine Antwort. Daraufhin kam wieder eine Antwort und ich schrieb noch einmal etwas, das ging so eine Weile hin und her, zwei, drei Minuten vielleicht. Und als ich wieder hoch sah und das Handy wegsteckte, standen hinter mir ein paar Leute, brav aufgereiht. Denn ich stand zufällig vor einem Supermarkt und alle nahmen an, ich sei das Ende der neuerdings vorkommenden Schlange am Eingang. Es gab aber gar keine Schlange, es gab da nur mich, und als ich weiterging, spazierten die anderen einfach so in den Markt, ganz unkompliziert.

Das hat man sich früher, also noch viel früher, gerne im Westen über den Ostblock erzählt. Wenn da jemand irgendwo anstand, dann blieben alle, die zufällig des Weges kamen, sofort dahinter stehen, auch wenn sie gar nicht wussten, worum es eigentlich ging – denn wenn es etwas gab, dann würde es am Ende doch schon richtig sein, dort gestanden zu haben, das hatte die Erfahrung mit der im Westen stets so genannten Mangelwirtschaft die Menschen gelehrt. Und das also kann ich jetzt in ähnlicher Weise nachspielen? Ich weiß gar nicht, ob ich wirklich darüber lachen soll. 

Nein, das stimmt natürlich nicht. Ich entscheide im Zweifelsfall sowieso immer pro Pointe. 

Ich nehme übrigens an, Sie können das mit der Schlange in vielen Städten spontan nachmachen, also falls sie Lust auf heitere Sozialexperimente haben. Ich hätte das allerdings nicht, denn ich hasse so etwas, wenn ich es auf Youtube oder woanders sehe, diese ganzen inszenierten Pranks und Späße, ich finde das furchtbar und habe dabei schlimme Probleme mit dem Fremdschämen, wann immer mir die Söhne diese Filmchen unbedingt zeigen wollen. 

Aber wenn mir so etwas zufällig passiert – okay. 

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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4 Kommentare

  1. Zwecks Späßen habe ich mir Mundschütze (?) besorgt, auf die vorn ungewöhnliche Münder (also einer pro Teil) aufgedruckt sind.

    Erfordert Mut, sich dergestalt zu exponierten, indeed!

    Macht aber auch Freude, wenn die Leute dann grinsen …

  2. Deine Geschichte erinnert mich an das bekannte Phänomen, wenn jemand in den Himmel starrt und andere der Blickrichung dann folgen. Gerade habe ich kurz geschaut, ob es dafür vielleicht sogar einen speziellen Begriff gibt. Dabei dieses faud dem Netz gezogen:
    um dem Kollektivverhalten auf den Grund zu gehen, positionierten amerikanische Soziologen 1968 eine Versuchsperson an eine Straßenecke, die eine Minute in den leeren Himmel stieren sollte – sie steigerten für das Experiment nach und nach die Anzahl der himmelsstarrenden Menschen und bei 15 Guckern folgten 45% der Vorbeieilenden der Blickrichtung, in der Erwartung, etwas Spannendes im Himmel zu entdecken. Man nennt es Herdentrieb. Oder *Komplexitätsbewältigung auf sensorischer Ebene*.

    Aber in deinem Fall war das ja eher soetwas wie der umgekehrte Domino-Effekt. Oder so…

  3. Da hatte noch etwas in den guten alten Tagen, als man lange anstehen könnte und nicht wusste was man dafür erhalten würde. Da würde gerätselt, gewettet und Fake News verbreitet. Am Ende ging man mit irgendeiner Bückware nach Hause. Das Leben hatte einen Sinn.

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