Währenddessen fragt mich ein Sohn, ob die Hälfte von Unendlich nicht auch unendlich sein müsste, denn wenn man diese ominöse Zahl durch zwei dividiert, dann hört das ja nicht auf, die Rechnung geht immer weiter. Da sind wir also wieder im Bereich des sportlichen Nachdenkens und kommen schließlich darauf, dass die Hälfte der Hälfte dann doch auch … und dass man also Unendlichkeiten durch Teilung vervielfältigen kann, hätten Sie das gewusst? Wenn es etwas Unendliches gibt, ist am Ende alles unendlich. Wir überlegen noch eine Weile, ob und wo wir jetzt wieder gedanklich falsch abgebogen sind, aber da die eigene Dummheit bekanntlich auch unendlich sein kann, kommen wir nicht darauf und beschließen sicherheitshalber, lieber ganz ohne weiteren Tiefgang durch die Stadt zu gehen. Der Weg endet an einer Turnhalle, vor der Menschen stehen und „Nächste Woche ist hier aber nichts mehr“ sagen. „Wir sehen uns im Dezember wieder“, sagt einer dann noch und andere sagen, dass sie darauf aber lieber nicht wetten würden.
Das ist aus Sicht des Sohnes jedenfalls unendlich schade, dass mit dem ausfallenden Sport. Ich setze mich in die Umkleide und warte wieder sein Training ab. Um mich herum liegt hereingewehtes Herbstlaub. Vermutlich sehe ich in den leeren Raum etwas seltsam aus, wie ich da ganz alleine sitze, mein Notebook anstarre und auf Ideen warte, die heute nicht kommen, auf dieser altmodischen Bank aus der Schulsteinzeit, über mir all die leeren Garderobenhaken an den Wänden, um mich herum die Blätter, locker ausgestreute Deko. Wie auf einer Bühne sitze ich hier, denke ich, gleich tritt jemand auf und sagt irgendwas. Tatsächlich schließt dann jemand die Halle auf und guckt in die Umkleide, ein Hausmeister vermutlich. Er sagt aber nichts, er guckt mich nur einen Moment schweigend an, schüttelt den Kopf, winkt ab und geht weiter. Passt schon, denke ich, das passt ins Stück. Irgendwie.
Wir gehen nach dem Sport nach Hause, vor der Tür treffe ich eine Nachbarin. Die trägt eine Tüte mit einem Paket darin in der Hand. Da seien, so sagt sie, Nudeln drin. Sie sagt es so, als sei das eine ungemein wichtige Mitteilung. Und sie erklärt weiter, es ist fast ein verschwörerisches Raunen, sie kommt auch etwas näher dabei: „Mit Hackbällchen.“ Ich sage, dass das ja schön sei, denn ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll, was interessieren mich denn bitte ihre Hackbällchen, soll sie doch essen, was sie will, ich kenne die Frau überhaupt nicht weiter. Aber hey, man kann ja auch freundlich sein und ich wünsche also guten Appetit und sie freut sich und kichert. Vorfreude auf Hackbällchen, die wird vielleicht auch allgemein unterschätzt. Man kann das demnächst einmal nachspielen, es wird in diesem Land wohl viel Essen zum Mitnehmen geben im November.
Das immerhin war einfach an diesem Tag. Und einfach soll ja das Beste sein. Sagt man.
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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!
Der Sohn kann sich ja mal ein Zimmer in Hilberts Hotel reservieren 🙂
Wenn man gedanklich bestimmen könnte, wo bei Unendlich die Hälfte wäre, dann könnte man diese „Vermehrung“ annehmen …wobei das ja der logischen Betrachtung schon nicht standhält.
Ich vermute mal, hier gilt ein Axiom, das diese Rechnung ausschließt. So wie auch die Division durch 0.
Auch sehr nett diese Meldung „Ihr Kommentar wartet auf Modertaion.“ 🙂
Beste Grüße an den Sohn: Gestern Nacht noch in einer dieser Physik-Dokus, die alte Männer, die nicht lesen, gucken, wenn sie nicht schlafen können, gelernt: Wenn die Physiker von Unendlichkeit sprechen bedeutet das bloß, dass ihnen die Vorstellungskraft oder die Zahlen fehlten.
Erstens: Er hat also nicht Recht, aber sehr viel richtig verstanden
Aber zweitens vermute ich, dass das kein Wissen ist, mit dem man sich in der Schule beliebt macht.
Immerhin treffen sich zwei parallele Linien im Unendlichen. Auf der Hälfte noch nicht.
Für mich der beste und wichtigste Satz seit langem: „Man kann ja auch freundlich sein.“
Vielen Dank dafür. Bitte auf Postkarten drucken lassen und großflächig verteilen. Vielleicht führt das ja zum Aha-Effekt bei vielen…