Was dann alles geht

Der Akkuschrauber ist das Gerät der Woche. Wenn ich durch die Straßen gehe, sehe ich alle paar Meter Menschen vor Kneipen, Cafés und Restaurants an den Terrassen, Bänken, Stühlen, Markisen und Pavillons werkeln. Überall wird geschraubt, wir bauen eine neue Stadt. Also zumindest in Leichtbauweise und zumindest bezogen auf den Konsum von Latte Macchiato und Bier und Pizza. Plastikstuhlstapel, an Wände gelehnte Bänke, Seifenlauge. Trennwände aus allen denkbaren Materialien. Frisch befüllte Blumenkübel, schwarze Erde auf dem Pflaster. Das kratzende Geräusch roter Straßenbesen. Absperrgitter, die zurechtgeschoben werden.

Vor einem Café stellen sie zu dritt einen Sonnenschirm auf, dann decken sie einen Tisch darunter komplett ein und rücken Stühle zurecht und gucken dann so prüfend, kann man das so machen? Ja, man kann, nicken sie sich dann zu, selbstverständlich kann man, aber es ist alles lange her und eben ungewohnt, so ungewohnt. Der Sonnenschirm wird noch einmal testweise auf- und zugeklappt, ja, das läuft alles. Eine Speisekarte wird auf den Tisch gestellt, schließlich noch einmal prüfende Blicke auf die Deko und das Gesamtarrangement, da fallen auch schon die ersten Tropfen, da greift der Wind unter den Schirm, da schaudert es die vorbeieilenden Passanten vor Kälte und Nässe und alles wird schnell wieder weggeräumt und verstaut, jetzt nicht, jetzt gerade geht es nicht. Aber generell geht es schon.

In der Innenstadt sitzen am Sonnabend Menschen unter improvisierten Regendächern aus zusammengekoppelten Schirmdächern. Um sie herum die Schlangen vor den Geschäften, die sind lang, winden sich durch die Fußgängerzone und überlagern sich hier und da, Interferenzzonen. Stehen Sie hier oder da? Ich weiß gar nicht! Verwirrte Blicke, welche Schlange führt hier eigentlich wohin? Die Gäste des Restaurants sitzen vor Heißgetränken, haben Decken über dem Schoß und beugen sich über den Dampf aus den Tassen und löffeln rettenden Eintopf. Zwölf Grad, Regen und auffrischende Winde, man kann draußen sitzen, und wie man kann, siehste ja. Da, ein Bild auf Instagram, wir waren dabei. Einkaufstüten, die auch im Bild, die ersten Tüten seit man weiß gar nicht mehr wann. Es ist alles etwas komisch, aber es ist Einkaufen, wir waren in der Stadt. Ein Selfie, ein Selfie. Die Haare stehen wirr im Wind, Sylt nichts dagegen.

Da dann auch mal wieder hin! Es geht ja alles. Und wenn es erst warm wird, was dann alles geht. Die Leute vergraben sich tiefer in ihre Jacken.

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6 Kommentare

  1. In München saßen sie in anderen Jahren bei eisigen Temperaturen heißen Getränken und Wolldecken vor den Cafés unter Wärmestrahlern. Allerdings haben sie hier auch keinen richtigen Wind. (Falls mir jetzt alle Münchner*innen empört widersprechen: nein, das ist kein Wind, nur ein laues Lüftchen. Dieses Jahr war es allerdings ein bisschen besser mit dem Wind, das will ich zugestehen.)

  2. In Süddeutschland gibt es wirklich keinen Wind, zumindest keinen, der nennenswert wäre, nur so ein bisschen Gewehe.

    Hätte, bevor ich dort lebte, nie gedacht, dass man steife Brisen so vermissen kann, und bin folgerichtig nach einiger Zeit wieder in den Norden gezogen. Besser so.

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