Ich habe es verstanden

Ich fräse und lese mich weiterhin quer durch das Gesamtwerk von Jane Gardam. Es macht durchgehend Spaß, es wurde auch durchgehend hervorragend übersetzt von Isa. Im Moment bin ich bei „Die Leute von Privilege Hill“, das sind Erzählungen. Ich kann das alles empfehlen.

Wobei die Zeit der stundenlangen Lektüre in Kürze dummerweise endet, mit dem Urlaub nämlich, der, ich muss mich dem Ernst der Lage in wenigen Augenblicken stellen, heute Abend ausläuft, sobald die Koffer nach dem Nordostwestfalentrip wieder ausgepackt sind. Die goldene Hochzeit dort wurde erfolgreich gefeiert, das Urlaubsprogramm kann komplett als absolviert bezeichnet werden, vom Punkt „grundlegende Erholung“ einmal abgesehen. Für den müssten wir jetzt noch 14 Tage dranhängen, gerne auch ohne Kinder. Nichts gegen Kinder, versteht sich, aber das Kümmern, das Pflegen, das Bedenken. Es kostet eben auch alles Kraft und Nerven.

Die Söhne werden weiterhin und sogar noch wochenlang Ferien haben, wir Eltern nicht und ja, Neid ist manchmal auch für uns ein Thema. Ich habe mir gerade erste To-Dos für die nächste Woche aufgeschrieben, und zwar solche, die nicht einmal beruflicher Natur sind. Das Thema Berufe kommt dann auch noch dazu, sobald mir wieder einfällt, was ich beruflich eigentlich mache. Es war irgendwas mit Home-Office, soweit erinnere ich mich.

Aber daneben eben auch: Viel, allzu viel zu regelnder Alltag. Behörden, Schulen und Gott weiß welche Einrichtungen noch, die irgendwas von uns, von mir wollen. Es ist eine der lästigsten Begleiterscheinungen des Erwachsenseins, dass man fortwährend irgendwas für sich und andere regeln muss, auch abseits der Arbeit. Ich habe grundsätzlich eher keine Lust mehr, irgendwas zu regeln. Ich möchte in meiner Freizeit nur noch lesen und schreiben und ich finde, die Gesellschaft sollte das aushalten. Ich halte die Gesellschaft immerhin auch dauernd aus, und wie schwer ist das denn.

Die Rückfahrt aus Nordostwestfalen dauerte unanständig lange, wir waren im Stau, wir waren der Stau, wir waren auch neben, vor und hinter dem Stau, was wir eher nicht waren, das war in Bewegung. Ich fuhr vier Stunden, das ist fast rekordmäßig lang. Direkt danach gelüstete es der Herzdame nach Schokoladeneis, und ich bin in einem Anfall leicht irrsinniger Ritterlichkeit zum auch am Sonntag geöffneten Supermarkt im Hauptbahnhof gegangen, um ihr solches sofort zu besorgen. Im Supermarkt war selbstverständlich ganz Hamburg und dazu gab es auch noch ein paar Touristen, die Schlange vor der Kasse war lang wie ein Autobahnstau. Ich stand da dezent stöhnend, mir tat alles weh, mir war heiß, ich wollte da raus. Ich dachte, nach vier Stunden Autobahn gerade erst angekommen und dann noch so eine Schlange …

Der Mann vor mir suchte das Gespräch. Er erzählte, er sei gerade erst im Hafen angekommen, nach 800 Kilometern Kajakfahrt, und dann noch so eine Schlange …

Ja, okay. Andere machen noch längere Reisen und sind selbstverständlich auch noch viel kaputter, ich habe es verstanden. Kein Tag ohne Demütigung, da war sie wieder, die alte Regel.

Egal. Weitermachen.

***

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4 Kommentare

  1. haha, oh nein, da sollte ein herz stehen! aber angesichts aller umstände ist so ein fragezeichen ja nicht der schlechteste ansatz.

  2. Ich hab im vergangenen Sommer Jane Gardam gelesen, die drei Bände um Old Filth und danach Priviledge Hill und zum vorläufigen Abschluss Crusoe’s Daughter, alle auf englisch. Ich war – und bin noch! – sehr begeistert. Ein ganz besonderer Erzählton! Ich freu mich sehr, dass Ihnen die Bücher auch gefallen – in meiner Umgebung war die Reaktion eher verhalten …

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