Reklamation

Ich wollte es der Woche nicht frühzeitig anlasten, immer allem eine weitere Chance geben und dann auch noch eine (Bernd Begemann: Gib mir eine zwölfte Chance), ich bin selbstverständlich stets so weit bemüht, aber diese Woche taugt bisher wirklich gar nichts. Von einer sehr freundlichen Kundenmail einmal abgesehen, ich suche mir meine Highlights mühsam zusammen. Immerhin finde ich welche, ja, ja, ich habe es noch gut, ich weiß.

Ansonsten, und ich weiß gar nicht recht, woran es liegt, habe ich lange nicht mehr so viel Text aller Art gelesen und auch gehört, in ganz verschiedenen Umfeldern, um es vorsichtig auszudrücken, der mich jedenfalls unangenehm sicher sein ließ: Es sind im Ernst alle verrückt geworden. Es ist nicht mehr anders erklärbar, was da vor sich geht. Und wenn ausgerechnet ich der Restposten der Vernunft sein soll, dann aber gute Nacht, echtjetztmal, das kann dann nichts mehr werden. In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen, wer war das noch einmal? Brecht war es. „Und nach uns wird kommen: nichts Nennenswertes.“ Das Gedicht vom armen B.B. Heute deutsche Kulturgeschichte von Brecht bis Begemann, am Ende dieses Textes kommt dann noch einer mit B als Bonus, aber der dann ohne Lyrik.

Bis zu einem gewissen Grad billige ich mir Gedanken dieser Art mittlerweile schon vom Alter her zu, die Welt darf mir allmählich absonderlicher vorkommen, ich gehe immerhin auf die 60 zu. Das passt also schon ins Bild und auch in die Tradition, so ist der Lauf der Welt und der Generationen, sachte treibt man aus dem Mainstream an schrulligere Gestade. Es ist okay, dass die anderen immer andersartiger werden. Dann wieder denke ich: „Ja, aber doch nicht so!“ Kopfschütteln, aber als Freizeitsport.

Ich gehe über einen Zebrastreifen, ein heranbrausendes Auto bremst, als ich mitten auf der Straße bin, nicht etwa ab, es beschleunigt vielmehr und fährt dann einen Schlenker um mich herum, so halb Richtung Fußweg kurvend und unangenehm knapp, und ich denke: Eben. Das ist genau, was ich seit Tagen meine. Alle komplett verrückt. Ich denke auch: Anzeige ist raus. Aber das stimmt gar nicht, das denke ich nur zu meiner inneren Entlastung, frage mich dann, wer mir das denn bitte sehr glauben soll, wenn ich doch, was wenigstens noch zu hoffen bleibt, meine Gedanken nur selber mitbekomme, und da wird es dann schon wieder schnell kompliziert.

Nein, es ist keine Anzeige raus. Aber wenn es auch nur ansatzweise sinnvoll wäre, diese Woche irgendwo als vollkommen unbrauchbar, unbespielbar, nicht funktionsfähig zu melden, ich würde es glatt tun.

Es wird allerdings, ich sehe es gerade in dem Kalender-Tool des Computers, demnächst eine neue Woche nachgelegt. Man kann hoffen. Und wie immer an dieser Stelle denke ich an die Zeit im Antiquariat zurück, in der mein damaliger Chef aufs Stichwort ins Regal griff, den Wälzer vom ollen Bloch herauszog, „Das Prinzip Hoffnung“, und dann damit stumm winkte. Szenen, die mir bleiben.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

3 Kommentare

  1. Ein kluger Antiquariatschef war das- und daher bitte nicht verzagen. Die Menschen sind oft anstrengend aber es gibt auch viele großartige Exemplare. Die Guten fallen leider weniger auf als die Grossmäuler der Zeit. Einen Donnerstag der etwas Ruhe bringt mitten im Februar- diese Wünsche kommen aus dem Süden.

  2. Herzlichen Dank für diesen herrlichen Bericht. Ich habe sehr gelacht beim Lesen , werde es mir abschreiben und einrahmen !

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