Berlin, Byron, Beeren

Sonntag, der 25.6. Ich sehe mir am Morgen eines heißen Tages eine arte-Doku an, es geht um die Arbeit bei Hitze. Danach fahre ich in den Garten, auf dem Weg kaufe ich Brötchen in einer Bäckereikettenfiliale. Die Stadt wird gerade erst warm, der Verkäufer trägt aber schon, und ich sehe das in dieser Form zum ersten Mal, einen kleinen Ventilator an einem Band um den Hals. Das Gerätchen ist nach oben gerichtet und kühlt ihm fortwährend das Gesicht und den Hals. Was es jetzt alles gibt, wie es alles zusammenpasst.

Ich höre wieder Volker Ullrich, Deutschland 1923, Das Jahr am Abgrund. Es geht gerade noch einmal um die Hyperinflation und ich möchte eine winzige Stelle zitieren, speziell für Leserinnen und Leser in Berlin. Sie erscheint mir ungemein passend, wenn nicht sogar sensationell passend, diese Stelle, besonders auch für den Freundeskreis Bezüge zu Gegenwart. Durch die aberwitzigen Preise werden im Laufe des Jahres 1923 die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln für viele Menschen vollkommen unerschwinglich, da alle aber dennoch dauernd irgendwo hinmüssen, wie es in Großstädten nun einmal zugeht, suchen sie sich andere Möglichkeiten und ich möchte eine Schlagzeile aus diesem Jahr zitieren. Vorsicht, sie tut vielleicht ein wenig weh: „Berlin ist jetzt die Stadt der Radfahrer.“ Es ist hundert Jahre her, meine lieben Berlinerinnen, ich winke freundlich.

Auf Dauer können einen die Bezüge zur Gegenwart aber auch ein wenig nerven, permanent musss man beim Lesen oder Hören mitdenken, es ist wie damals in der Oberstufe, keine Seite kann man in Frieden einfach nur genießen. Ich flüchte daher zu Byron, zu seinen Briefen. Aber das hilft auch nicht, denn dort steht, es geht gerade um die Weber: „So sehr wir auch gewiss, mein Lord, jede Verbesserung in den Künsten, die der Menschheit zum Segen gereichen kann, dankbar begrüßen mögen, so dürfen wir doch nicht gestatten, dass die Menschheit den Verbesserungen auf dem Gebiet der Technik geopfert wird. Der Unterhalt und die Wohlfahrt der Armen ist für die Gemeinschaft von größerer Bedeutung als die Bereicherung von ein paar Monopolisten durch technische Verbesserungen, die den Arbeiter seines Brotes berauben und ihn „seines Lohnes unwert“ machen.

1812 war das, stellen Sie sich das vor, 1812. Vielleicht besser noch einmal: „Der Unterhalt und die Wohlfahrt der Armen ist für die Gemeinschaft von größerer Bedeutung als die Bereicherung von ein paar Monopolisten durch technische Verbesserungen …“

Ich lege das Buch weg.

Ich pflücke mir ein paar Himbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Erdbeeren, Süßkirschen, Sauerkirschen und dann auch noch auch drei Gurken. Der Mensch braucht Ablenkung, denke ich mir. Er kann sie in Beeten und anderswo finden.

Eine kleine Schüssel voller eben gepflückter Himbeeren

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Ein Kommentar

  1. Einen Ventilator um den Hals? Wenn er seinen Zweck erfüllt, ist alles gut. Kann mir aber vorstellen, dass der etwas laut ist. Dürfte beim Kundenkontakt nicht so prickelnd sein.

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