Und die Kraniche über uns

Sonntag, der 8. Oktober. Vorweg einen herzlichen Dank an die beiden Menschen, die gestern, vorgestern etwas in den Hut geworfen haben, sehr und ungewöhnlich großzügig, ich freue mich!

Nebenbei entempöre ich meine Timelines trotz oder auch wegen der Weltlage weiter, es wird nie einen wirklich passenden Moment dafür geben. Ich trenne mich per Mausklick insbesondere von denen, die alle paar Minuten das nächste „Schlimm! Schlimm!“ zur deutschen Politik posten oder reposten, denn ich finde das zwar fast alles auch schlimm, möchte das aber nicht mehr permanent und womöglich in Großbuchstaben um die Ohren geschlagen bekommen. Ich befriede mich online ein wenig und hege mich ein.

Biedermeier-Abwägungen, versteht sich, nur nichts machen, ohne sich zu hinterfragen. Aber dann auch wieder die Nutzenfrage. Es bringt mir einfach nichts, permanent im Gefühl der Empörung zu verharren. Es ist zweifellos richtig, gegen vieles zu sein, meinetwegen auch für vieles, und das mit Nachdruck sogar, aber man kann es ja dosiert, an den richtigen Stellen und in den passenden Momenten ausdrücken und in Taten und Worte umsetzen, etwa bei Wahlen oder in Gesprächen mit den zahllosen Verwirrten. Man muss es nicht blutdruckrelevant aufwallend immer wieder mitfühlen, stündlich oder gar minütlich aktualisiert.

Aber gut, das richtige Maß muss dabei jede für sich finden, und es wird erheblich variieren, vielleicht sogar nach Tagesform. Ich fand es auf eine Twitter eine ganze Weile lang auch interessant so, in all der Hektik, Aufgeregtheit und in der rasenden Taktung, ich finde es nun nicht mehr. Man muss seine Lebensphasen auch in seinem Medienkonsum abbilden – zur Weltgeschichte passt das dann allerdings nicht zwingend.

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Am Morgen gelesen, es fügt sich gut nach dem letzten Absatz, aber das ist ein Zufall: Es gibt ein neues Buch über Adelbert von Chamisso, und schon beim Lesen der Rezension kann man etwas lernen und seine Allgemeinbildung anreichern: „Matthias Glaubrecht: Dichter, Naturkundler, Welterforscher – Adelbert von Chamisso und die Suche nach der Nordostpassage.

Und übrigens noch einmal eine Empfehlung, man kann sich auf der Seite Nachrichtentisch ein eigenes Medienmenü anlegen und recht elegant durch die Überschriften der deutschen (und anderen) Medien scrollen, nach Ressort und Region sortiert. Über die Einstellungen das Passende aussuchen, speichern und auf Auto-Update stellen, ich finde das enorm nützlich so und habe etwa die Rezension gerade eben so gefunden.

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Ich lese etwas über Ludolf Wienbarg nach, der Ihnen nicht zwingend geläufig sein muss, aber das ist der, der den Begriff „Junges Deutschland“ geprägt hat, Sie erinnern sich noch aus dem Deutschunterricht vielleicht, Vormärz etc., da war doch was. Ich komme über einen Helgolandbezug zu ihm. Er hat über die Insel geschrieben, wenn auch nicht gerade herzlich zugeneigt, er war allerdings auch nicht eben freiwillig dort, mehr der Not gehorchend. Er hat dabei auch, ich lese es wohl noch einmal genauer nach, die Anfänge des Tourismus kommentiert.

Wienbarg war später ein Opfer des Alkohols und starb schließlich in einer Heilanstalt in Schleswig, in der wegen Verfolgungswahn war, und diese Heilanstalt, das ist die, welche Sie vielleicht aus den Büchern vom Meyerhoff kennen: „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war.“

Solche Bezüge finde ich immer faszinierend, auch wenn sie sonst überhaupt nichts aussagen, es ist nur etwas, das zusammen anklingt. Ein Literaturakkord.

Das Titelblatt einer alten Ausgabe von Wienbargs "Tagebuch von Helgoland"

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Kraniche ziehen am Nachmittag rufend über das Viertel, die Menschen stehen mit den Köpfen im Nacken auf den Wegen, zeigen mit den Fingern und sehen ihnen nach, ein jähes lyrisches Empfinden auf den Gesichtern.

Na, was ich mir so einbilden möchte.

Und hier noch eben ein Bild vom Rathaus.

Das Hamburger Rathaus, die Abendsonne spiegelt sich in den Fenstern, vom Innenhof aus aufgenommen

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel

Ein Kommentar

  1. Menschen in Europa schauen seit Jahrtausenden im Herbst den Zugvögeln nach und sehen Vorboten des kommenden Mangels, das könnte sich durchaus genetisch oder epigenetisch niedergeschlagen haben, denke ich.

    Ich oller Hominide werde beim Hören der Rufe immer ganz eigenartig, da tut sich was im emotionalen Unterholz.

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