Postkarten ohne Blau

Das Wetter kommt mir entgegen, ich mag es so. Es ist diesig-nebelig, nieselig herbstfarben, ich finde es schön und auch fotogen, es steht der Stadt und auch vielen Menschen, die Herbstmode ist doch klar die beste aus der Reihe der vier saisonalen Möglichkeiten. Die Menschenmengen an Alster und Elbe werden deutlich lichter, die Spaziergangslust ist nicht mehr allgemein, ich habe wieder etwas mehr Platz um mich herum auf meinen Runden, auf den jetzt schlammigen, nassen Wegen.

In der Innenstadt wird schon die Weihnachtsbeleuchtung gehisst, an den Laternen im Stadtteil sehe ich die Hinweise auf die üblichen Laternenumzüge. Mein Licht ist aus, ich geh nach Haus, das müsste in den Zeiten des Smartphones eigentlich umdeuten: Mein Akku ist leer, ich mag nicht mehr. Rabimmel, rabammel, rabumm.

Immer befremdlich gefunden, diese letzte Zeile.

Blick über die Binnenalster Richtung Jungfernstieg, Rathaus. Im Vordergrund ein Mann auf einer Bank, man sieht ihn von hinten.

Ich gehe viel herum. Ich habe, wie gesagt, im Moment wenig Freude am Internet und zuhause aber auch keine Ruhe für Bücher. Ich höre Musik, ich gehe dabei durch die Stadt und an den üblichen Postkartenbildern entlang, die jetzt ohne strahlend blauen Himmel auskommen müssen. Es ist wenig von der Nachrichtenlage zu sehen, abgesehen von der anhaltenden Omnipräsenz der Polizei auf den Straßen, versteht sich. Es gab auch wieder aufgelöste Demos im Stadtteil, nach Hassparolen gegen Israel, die Auflösungen verliefen nicht eben friedlich. Ich habe es aber nicht mitbekommen, obwohl das alles auf meinem Einkaufsweg stattfand. Ich lese nur in den lokalen Medien davon.

Dann einmal ein einzelner Mensch, der am Bahnhof steht und ein selbstgeschriebenes Pappplakat etwas zaghaft hochhält, der es den vorbeifahrenden Autos zeigt. Aber es ist alles so klein notiert, ich erkenne nicht einmal, wofür oder wogegen er ist. Es waren, wenn ich es richtig gesehen habe, im Text auch die Flaggen von Israel und Palästina abgebildet, aber nicht einmal dabei bin ich mir sicher. Was erkennt man schon im Vorbeifahren.

Bei einem Kiosk mit einem vermutlich arabisch gedeuteten Inhaber wird die Schaufensterscheibe beschmiert, man solle Israel vertrauen, nicht „euch“, so steht es jetzt da, und der Inhaber fragt sich auf Facebook, was er denn nun mit einem „euch“ zu tun habe.

Auf dem Steindamm, der besonders internationalen Straße im Stadtteil, die manchmal in einem Zug mit der Sonnenallee in Berlin genannt wird, sehe ich keine Besonderheiten, sehe ich Obst und Gemüse und sehr bunten Kuchen, wie immer. Verstünde ich Arabisch, ich schriebe vielleicht anderes.

Soweit ich es mitbekomme, äußert sich in meinem näheren Umfeld niemand antisemitisch, weder online noch offline, und das ist wohl in einem Torbergschen Sinne noch ein Glück. Ich kann nicht davon ausgehen, dass das so bleibt.

Aber das Wetter, wie gesagt – sehr gut, keine Klagen. Beim Haus gegenüber ist das Fallrohr kaputt, das Regenwasser vom Dach verschwindet nun nicht mehr lautlos im Boden. Es pladdert aus großer Höhe auf den Fußweg, und es spritzt dabei dermaßen weit im Kreis, dass niemand mehr auf dieser Straßenseite geht, und es ist auch laut, wildbachlaut. Ein starker Herbsteffekt im Soundtrack der Straße ist das, man kann hervorragend dabei einschlafen, und auch damit bin ich ganz und gar einverstanden.

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Matthew Perry stirbt, sein Buch liegt hier noch ungelesen auf dem Stapel neben dem Bett. Obenauf liegt es sogar, ich sehe sein Gesicht in den Nachrichten und auf dem Cover. Beim Lesen dieses Ende dann später mitdenken.

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2 Kommentare

  1. Na ja, die Laternenumzugssaison beginnt ja mit dem elften November, aber Weihnachtsbeleuchtung jetzt schon? Hier beginnt in einigen Tagen an einem zentralen Platz ein „Wintermarkt“.

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