Illusionen am Abend

Wir sind aufs Land gefahren, durch das nervenzersetzende Hamburger Baustellenwirrwarr und durch das unwegsame Niedersachsen, wo der Raps einige Wochen zu früh blüht. Was die Landschaft an einigen Stellen nicht davon abhält, im Sonnenschein betont postkartenmäßig auszusehen, gelbgrüne Frühlings-Show-Effekte der klassischen Art. Hier und da müsste man vielleicht noch einen Schweinelaster aus der Ansicht wegretuschieren, denn es sind so viele, dass sie schon wieder ausgedacht wirken. Als würde man durch ihre Abbildung irgendein Vorurteil über das Bundesland bestätigen wollen. Und wer hätte das im Sinn, ich gewiss nicht.

Wir fuhren am späten Nachmittag. In den Dörfern und kleinen Städten sah man von Plakaten blickende und schlagwortende Politikerinnen. Viele davon, es sind heraufziehende Wahlkampfzeiten. Da fuhr ich durch, bevor ich die Nachrichten von den Angriffen auf plakatierende Politiker sah, die man zweifellos als weitere Meldungen über Abbrucharbeiten an der Demokratie verstehen muss. Es gibt nicht wenige dieser Meldungen in letzter Zeit und die Lage ist ernster, als man es den Plakaten ansieht, die noch nach Wahlkampf wie immer aussehen. Es ist aber nicht mehr wie immer.

Ich ging später noch mit Sohn II im Heimatdorf der Herzdame spazieren und redete mit ihm über Gott und die Welt. Das sind zwei Themen, die eine Weile und für ein gutes Stück Landstraße reichen, und wir reden immer schon gerne darüber. Die Felder und Äcker neben dem Weg wurden gerade abendfeucht und ein Duft nach Erde, Kraut und Blüten stieg auf, so ein berauschender Duft, den ich in Hamburg immer vermisse. Gut riechen, das hat die große Stadt eher nicht im Angebot. Das erleben wir nur manchmal in der Gartenkolonie, am Ufer der Bille im Sommer, und auch das kommt nicht häufig vor.

Zwei Reiher flogen dicht an uns vorbei. Wir sahen den Fasan vom Dienst am Feldrand stehen und Rebhühner am Waldrand, zumindest hielt sich sie dafür. Eine Eule und mehrere andere Greifvögel. Störche und Rehe und Hasen, wir hatten das volle Programm. Das Land bot alles auf, was Großstädter gemeinhin attraktiv finden und worauf sie reflexmäßig mit den Fingern zeigen, guck mal, guck mal. Auch letztes Sonnenlicht auf alten Bauernhäusern und dergleichen. Ziegelrot aufglimmende Mauern unter ehrwürdigen Dächern und weit im Hintergrund sogar ein Mensch, der im Garten Wäsche aufhing, weiße Laken im leichten Wind.

Bilderbuchland. Und manchmal gibt man sich den Illusionen auch gerne hin.

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