Die Hummeln sind unruhig

Die neulich erwähnte Lange Nacht über Truffaut war interessanter, als ich zunächst erwartet hatte. Ich bin nicht einmal ansatzweise ein Filmkenner, ich kenne mich mit dem Thema nicht aus. Ich habe sicher weniger Filme gesehen als Sie, aber diese Sendung war hervorragend gemacht. Eine gute Wahl der Interviewpartnerinnen, es war unterhaltsam und lehrreich, ich möchte das ausdrücklich bejubeln. Ich finde es angenehm, wenn ich in Themen so hineingelockt werde und eher wider Erwarten hängenbleibe.

Jetzt fehlt mir allerdings komplett die Zeit, die Truffaut-Filme noch einmal anzusehen. Dabei wäre es doch angebracht.

***

Im Garten röten sich die Erdbeeren und die Kirschen, die Johannisbeeren auch, und von denen schmecken einige schon nach den nächsten Monaten. Es geht auf den Juni zu und man sieht es. Ich drehe Rhabarberstängel ab, es wird Kompott geben, wie in einem Kindheitssommer. Nur dass mir niemand mehr Nachtischschüsselchen reicht, ich muss es alles selber machen. Ich könnte, ein norddeutscher Proust-Verschnitt der eher unbeholfenen Art, die Siebziger aus einer gläsernen Schale Rhabarberkompott auferstehen lassen. Es fällt mir beim Pflücken auf, als die Assoziationen vor sich hin eskalieren und meine Großmutter und Dosenmilch auftauchen. Aber auch das ist natürlich wieder eine Zeitfrage.

Die Äpfel in unseren Bäumen haben schon etwa Golfballgröße erreicht und Zucchini und Kürbis fangen an, sich planmäßig etwas Raum in den Gemüsebeeten zu greifen. Die Bohnen entdecken kletternd das lockende Oben.

Die Lupinen bauen ihre Blütentürme in anspruchsvollem Design auf, während die deutlich verspätete Pfingstrose endlich eine derartig abgefahrene Extravaganz aus Pink und Gold demonstriert – da kommt keine andere Pflanze in diesem Garten mehr mit. Sie hat eine konkurrenzlose Divenrolle

Es grummelt, es blitzt in der Ferne, irgendwo weit hinten in Rothenburgsort, im Nachbarstadtteil. Es dunkelt finsterbewölkt am frühen Nachmittag, es tröpfelt, dann rauscht Regen auf. Die Vögel in den Büschen klingen auf einmal dschungelhaft, wie es nur in Gewitterluft möglich ist, ein schmelzendes, seufzendes Trillern in Alt-Stimmen. Sie klingen in solchen Stunden nicht wie die Vögel von hier.

Der Regen zieht zügig durch, die Sonne holt sofort wieder auf, es ist eine Luft wie in der Sauna und die Mücken starten einen Großangriff auf unsere Arme und Gesichter. Die Herzdame kriecht durch die Stauden und filmt etwas für Instagram. Die Herzdame sitzt zwischen nassen Sommerfliederzweigen vor einem umsummten Salbei und sagt: „Die Hummeln sind unruhig.“ Da haben wir schon wieder ein Lied gewonnen, und es passt sogar recht gut.

Und erst Stunden später fiel mir dann die naheliegende Frage ein – sind Hummeln jemals nicht unruhig?

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

3 Kommentare

  1. Ich hatte schon beim Titel die Assoziation zum sehr geliebten Kante-Song. Schön, dass es sich am Ende als richtig herausstellt. Eine gute Erinnerung, dass ganze, für mich etwas sperrigere Album mal wieder zu hören. Danke dafür!

  2. Dosenmilch! Wenn es bei uns Schokoladenpudding zum Nachtisch gab (angerührt oder gekocht, niemals fertig aus dem Becher), wurde der mit einem Schuß Dosenmilch garniert, ebenso wie Götterspeise. Und Vanillepudding oder Quark mit Himbeersaft.

    Und Truffaut erst letzte Woche wiedergelesen, sein Hitchcock-Interviewbuch.

  3. Glückwunsch zum prosperierenden Garten! Offenbar hattet Ihr keinen Kälteeinbruch mit Frosttagen mitten im April. Da ist hier in Berlin viel erfroren: Obstblüte, Weinstöcke, Erdbeeren…

    Übrigens: Wenn man vergisst, das Captcha auszufüllen, ist nach der Systemmeldung der geschriebene Kommentar und die Daten verschwunden. Das ist nicht überall bei Worspress-Blogs so, deshalb merke ich das mal an.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert