Schlagt nach bei Hoddis

Der Sonnabend ein weiterer Tag mit einem Wetter, das es früher meiner Erinnerung nach gar nicht gab. Diese schräge Mischung aus unfassbar schwül und dabei doch wild stürmisch. An der Nordsee wehte es sogar in Orkanstärke, mitten im Hochsommer. Welchen wir daran zu erkennen haben, dass die Linden blühen. Aber das nur am Rande, dazu eventuell morgen mehr.

Man geht jedenfalls um den Block, könnte nach hundert Metern bei 27 Grad schon wieder und am besten kalt duschen und hat nach zwei Windstößen keine Frisur mehr. Man hat nur noch Haare.

Es ist ein meteorologischer Mix, der sich für mich immer noch nach Katastrophenfilm anfühlt. „Dieses Wetter ist nicht von hier“, könnte ich den ganzen Tag murmeln. Und ich frage mich grübelnd , wieso es denn bloß nicht alle dauernd und deutlich beunruhigt feststellen. Ich fühle mich in aller Ausdrücklichkeit wie bei „Don’t look up“ und verstehe die Lage nicht mehr recht.

Fortwährender Sturm ohne jede Frische als Zeichen der Zeit und des Wandels also. Und nicht einmal die neu erworbene Kopfbedeckung kann ich bei diesem Wetter tragen, denn dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut.

Schlagt nach bei Hoddis, möchte ich mahnend ergänzen, und achtet außerdem auf Eure Dachdecker. Wir z.B. haben so einen in der Familie, und, weil so viele Scherze kaum noch in Arglosigkeit aufgehen, gab es da doch gerade etwas bei der Tageschau zu denen. Moment, ich sehe nach: Der Beruf und der Klimawandel.

„Schlagt die Pointe entzwei

Sie macht unsere Kinder nicht frei“

Seit Tagen habe ich, ganz unabhängig von diesem Text hier, ein Kreisler-Stück als ausgeprägt festsitzenden Ohrwurm. Nach der ersten Wahl in Frankreich fing es an und geht gar nicht mehr weg, sein vorletztes Lied. Vielleicht hilft es mir noch einmal, den Song zu posten, vielleicht hilft es auch, eine Interpretation nachzulesen, in einem feinen Blog, das ich soeben gefunden habe.


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Gesehen: Der Garten der Finzi Contini, auf arte. Ein Film von Vittorio de Sica, nach dem Roman von Giorgio Bassani,. Ein Roman, von dem ich genau weiß, dass er in der Piper-Taschenbuch-Ausgabe lange bei mir im Regal stand, allerdings nicht mehr genau weiß, ob ich ihn auch gelesen habe oder nur jahrelang lesen wollte. Egal, heute steht das Buch jedenfalls nicht mehr im Regal, wie ich gerade verifiziert habe. Warum und wann auch immer es verschwunden ist, das entzieht sich meiner Kenntnis. Bücher führen manchmal ein seltsames Eigenleben, sie kommen und gehen, ganz wie es ihnen beliebt.

Zu dem Film drängt sich mir zunächst eine wenig feuilletongeeignete Beobachtung auf, denn wie irritierend ist bitte die Ähnlichkeit des Schauspielers Fabio Testi mit dem jungen Sascha Hehn. Ich muss dauernd bemüht darüber hinwegsehen und eine dezente Klausjürgen-Wussow-Erwartung für die nächsten Szenen niederkämpfen. Schlimm ist das, und vollkommen unangemessen bei dem Ernst der Handlung und des Themas ist es auch.

Es geht um den Faschismus in Italien, um die Entrechtung und Verfolgung der Juden und um die Lage in Frankreich und Deutschland.

[Einschub zu Frankreich: Nils Minkmar aktuell zur Situation, Christine mit dem letzten Update vor vier Tagen und ich hoffe inständig, dass meine Kolleginnen in Paris (ich arbeite für Ipsos, wenn ich auch mit Wahlforschung vor vielen Jahren zuletzt etwas zu tun hatte) auch diesmal richtig liegen.]

Wo war ich. Die Bezüge zur Gegenwart basteln sich bei dem Film wie von selbst, das wollte ich noch ergänzen. Ob man diese Bezüge sehen will oder nicht, und eigentlich möchte man doch wirklich nicht mehr. Aber wenn man etwa den eben erwähnten Fabio Testi aus Neugier nachliest, der in dem Film noch einen dem Kommunismus nahestehenden Gegner der Faschisten spielt, sieht man, dass er später Anhänger von Berlusconi und Forza Italia wurde …

Wie die Geschichte immer wieder mischt und alles durcheinanderwirft. Es ist auf die gruseligste Art faszinierend.

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Ein Kommentar

  1. Alle Achtung, Herr B. immer das passende Gedicht zur Hand, während unsereins den Namen Hoddis noch NIE (und offenbar zu Unrecht) zuvor hörte.

    Und wie treffend auch „man hat keine Frisur mehr. Man hat nur noch Haare.“ Bin nämlich aktuell im Ostseeurlaub.

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