Herbstlich stabil

Am Morgen sehe ich beim ersten Gang vor die Tür schon zerschlagene Glastüren bei einem Geschäft um die Ecke, ein offensichtlicher Tatort. Splitter auf dem Gehweg, umgestürztes Mobiliar im Laden. Polizisten, die Spuren sichern und telefonieren. Gleichzeitig von irgendwo Hilferufe und auch lauter werdende Halt!-Rufe, es ist immer irritierend, wenn das genau wie in einer Serie klingt. Das gibt es also alles wirklich.

Dann ein fliehender Mann, oder verfolgt er jemanden, in Krimis erkennt man das besser.

Jedenfalls rennt er derart blind über die Kreuzung, dass ihn der Bus nur um Millimeter verfehlt und bei Kontakt wohl zuverlässig umgebracht hätte. Das vorweggenommene Bild des Aufpralls entsteht in den Köpfen der Betrachtenden gruselig deutlich, sicher nicht nur bei mir. Aber der Mann rennt panisch weiter, auf die nächste Kreuzung zu, mit noch mehr Verkehr, das kann nicht gutgehen.

Ein paar Meter weiter bringt ein Polizist der besonders sportlichen und sprintstarken Art den Mann dann robust zu Boden. Viel Geschrei, von überall Sirenen, dazu Blaulichtgeflacker. Obdachlose wühlen sich in Hauseingängen aus Schlafsäcken und gucken irritiert in die Szene. Müde Menschen auf dem Weg zur Arbeit, To-Go-Becher in der Hand, stehen mit offenem Mund, nehmen doch einmal die Kopfhörer ab und sehen sich um, wo hier überall Action ist.

Ob die Fluchtszene inhaltlich mit der eingeschlagenen Tür in Verbindung zu bringen ist, das erfährt man allerdings nicht. Die Wirklichkeit lässt gerne Enden offen, das ist oft unbefriedigend.

Es íst auch mir jedenfalls manchmal ein wenig zu großstädtisch in unserem kleinen Bahnhofsviertel. Solche Szenen vor dem Frühstück sind doch eher unbekömmlich.

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Im Laufe des Tages gibt es in Hamburg einige wenig überzeugende nasse Flocken im Regen, zermatschtes Grau im freien Flug, eher unschön, von wegen Winterzauber. Während ein Sohn gerade für eine Deutscharbeit lernt, was eine Alliteration ist, schmilzt der Schnee schnell auf den Scheiben der Dachfenster über ihm, ein glasiges Geschmier.

Ich gehe meine Einkaufsrunde durch Varianten von Regen, von Niesel bis Platz und Sturz. Es ist alles im Programm, eine ansprechende Auswahl. Als ich bereits unangenehm durchnässt bin und der Regen doch noch einmal weiter aufgedreht wird, eine letzte Zugabe für heute, sorgt immerhin der Streamingdienst im Shuffle-Modus für eine geradezu humoristische Intervention und spielt mir Randy Newman vor: „I think it‘s going to rain today.“

Ja, ach was.

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Im musikalischen Bereich vermerken wir außerdem überrascht neue Musik von Franz Ferdinand, die Älteren erinnern sich. Das Stück klingt vertraut und entschieden damalig, aber warum nicht. Mit etwas Schwung in den Dienstag.

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Im Bild eine Bank in Planten un Blomen, ebenso herbstlich wie stabil.

Eine Bank in Planten un Blomen, es liegt Herbstlaub darauf und auf der Rückenlehmme steht groß: Antifa.

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3 Kommentare

  1. Und dann beginnt der Song auch noch mit „Broken windows…“. Wirklich das Lied zum Tag. Hoffentlich auch mit „human kindness that’s overflowing“. Danke jedenfalls, wieder ein schöner Stimmungsmacher am Morgen.

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