Wandern, streben, verlangen

Wir fuhren ins Heimatdorf der Herzdame, durch norddeutsche Grauwinterödnis. Die üblichen Regenschauer, der Nieselregen. Einen Werbefilm für Niedersachsen hätte man an diesem Nachmittag unmöglich drehen können, Lichtpunkte waren nur die Schaufenster der Kreissparkassen und die beleuchteten Werbetafeln der Discounter und Autohäuser. Ich sah deutlich weniger aufwendige Weihnachtsdeko in den Vorgärten als im letzten Jahr, es kam mir jedenfalls so vor. Es würde zur allgemeinen Stimmung auch passen: Ach, lass mal.

Die Söhne hörten durchgehend Musik über Kopfhörer, auf der Autobahm und auf der Landstraße. Die Herzdame fing neben mir seufzend mit der Jahresendbuchhaltung an. Für einen Lehrfilm über familiäre Kommunikation hätte das auch wieder nichts hergegeben, aber es war mir alles recht so.

Zweieinhalb Stunden Fahrzeit sind es nach Nordostwestfalen. Wenn es gut läuft, und es lief gut. Zweieinhalb Stunden, in denen man in Ruhe nachdenken kann. Dies und das Revue passieren lassen, einiges abwägen. Bei zwei, drei Themen auch schon einmal vorausdenken. Als würde am 1. Januar irgendein Vorhang aufgehen, willkommen, bienvenue, welcome, gleich die Einstiegsszene aus dem Cabaret-Film vor Augen. Oder nein, der Film geht nicht gut aus. Da lieber noch auf etwas anderes kommen.

Allerdings auch nicht eben erfolgreich nachgedacht. Ich landete wieder bei den richtigen Einstellungen, die ich mit einiger Dringlichkeit zu diesem und jenem finden muss. Das Thema kann ich noch nicht abhaken, es ist ein warnblinkendes To-Do im Kalender. Dazu kam dann doch einmal die Sinnfrage, denn wenn man ein paar Kilometer und einige Stunden ungestört Zeit hat, kann das dummerweise passieren.

Schön ist das meistens nicht, wenn einen Sinnfragen unbestellt beschäftigen. Ab und zu wird es wohl notwendig sein, das ist allerdings einzusehen, man muss hier und da justieren. Und am Ende ist es eben das, was mit dieser ominösen Besinnlichkeit gemeint ist, von der jetzt alle reden. Auch wenn das Wort so einen seltsam gemütlichen, wohligen Klang hat, auch wenn deutlich mehr Rotkohl als Ratio in der Bedeutung des Begriffes mitschwingt.

Nachgesehen, althochdeutsch sinnan: Gehen, reisen, wandern, streben, verlangen. Eine interessante Reihung, das liest sich dermaßen klangvoll, es kommt einem fast wie ein Buchtitel vor. Altenglisch sinnan: Achthaben und sorgen. Wenn ich das richtig überfliege, ist im Abschnitt Etymologie auch einiges im Sinne von Bewegung und Beschluss zu finden. Da besinnt man sich nach vorne, auf ein Ziel hin, nicht etwa im Kreis und um ein Thema herum.

Neben mir liegt währenddessen die Katze des Hauses. Die weiß selbstverständlich alle Antworten, sogar auf die Sinnfragen. Die hat sich längst genug besonnen, es ist das Privileg ihrer Art. Aber sie sagt nichts, sie gibt nichts weiter. Zen und die Kunst, nur zu liegen.

Eine schwarzweiß gefleckte Katze

Sie sieht mich nur ab und zu an, diese Katze, und sie weiß, dass ich nichts weiß. Ich erkenne es deutlich in ihrem Blick. Und am Ende, das mag sein, ist es das erstrebenswerte Ergebnis aller Besinnungen: Der Rest ist Schnurren und Schweigen. Bis man das aber erreicht hat, kann man weiter fast täglich von seinen Bemühungen berichten. Zumindest bei mir ist das so.

Und zwischendurch darf man auch einmal kurz zum Rotkohl übergehen. Der hat auch seine Berechtigung, seinen Sinn und seinen Segen, beonders wenn ihn meine Schwiegermutter zubereitet.

Na, wie auch immer. Machen Sie es sich schön, machen Sie es den Kindern schön, seien Sie nett zueinander.

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2 Kommentare

  1. So wollen wir es machen, nett sein zueinander. Fange ich gleich mal damit an und wünsche Ihnen, lieber Herr Buddenbohm plus Söhnen sowie Ihrer Herzdame frohe Feiertage. Kommen Sie gut erholt und gestärkt aus dem schönen Nordostwestfalen zurück und rutschen mit Schwung ins neue Jahr!

  2. „Machen Sie es sich schön, machen Sie es den Kindern schön, seien Sie nett zueinander!“ Ich denke, wenn wir das schaffen, haben wir eine Menge erreicht. In manchen Jahren sollte man die Ziele nicht zu hoch hängen, das frustriert nur. Eine schöne zufriedene Zeit in Ostwestfalen wünsche ich der Familie. Wir Westfalen können das ohne viele Worte.

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