Leise loslegen, Winter nachlegen

Wie schon im letzten Jahr, es ist doch längst ein Blog der Brauchtumspflege, fängt es hier leise an. In aller Dezenz. Also noch einmal nur Benny am Klavier, ohne jede Begleitung. Ich stelle mir dabei eine ansonsten leere Bühne vor, vielleicht sogar in einem leeren Theater. Er spielt ein bekanntes Stück, das einmal ein großer Erfolg der Band war. Einen Nachklang spielt er, und das passt gut zum ersten Tag, an dem das alte Jahr noch etwas überlappt.

An dem man sich bei der Jahreszahl gerne noch verschreibt, an dem man vom Neuen Jahr noch nichts zu berichten weiß.

Ich habe auch eine Musik-Variante für den Freundeskreis klassische Musik, nämlich die textlich naheliegende Bach-Kantate „Das alte Jahr vergangen ist.“ Der Rest des Textes ist von durch und durch christlicher Prägung, dazu finde ich keinen Bezug, aber der Titelzeile können wir uns alle anschließen. Es ist vergangen, so viel steht zweifelsfrei fest. Eine Frage, bei der das Land nicht gespalten ist, wie es sonst bei so vielen Themen unnötig oft betont wird.

Es spielen Vikingur Ólafsson und Halla Oddný Magnúsdóttir. Man muss doch mehrmals hinsehen, während man ihre Namen abtippt.


***

Gestern noch, manchmal halte sogar ich mich an Vorsätze, habe ich winterliches Essen mit Rotkohl gemacht, nämlich Zimthähnchen in Glühweinsauce. Das Rezept ist pappeinfach, es macht sich fast nebenbei, wirkt aber verlässlich festmäßig. Bei uns ist es mittlerweile ein Klassiker, das kann ich empfehlen.

***

Und auch in der Lektüre wurde es dann noch jahreszeitlich passend. Ich lese „Winter“ von Edith Wharton, Deutsch von Michaela Missen. Das Buch wurde verfilmt, mit Liam Neeson in der männlichen Hauptrolle des Ethan Frome, der im Original des Buches auch titelgebend war. Den Film kenne ich nicht, aber das Gesicht von Neeson sehe ich beim Lesen nun vor mir, und schlecht ist das nicht.

Eindrückliche Winterschilderungen aus Massachusetts gibt es in der tragischen Dreiecks-Geschichte. Ich merke, während ich im Hamburger Grau-, Nass- und Nebelwinter lese, wie weit weg diese Schilderungen von Schnee und Eis und klarem Winterwetter von hier aus schon sind. Die entsprechenden Landschaftsbilder und saisonalen Empfindungen habe ich nicht mehr spontan wie früher parat. Ich muss sie mir bei der Lektüre erst wieder zusammensetzen, mich bewusst erinnern. Wie war das damals, durch den Schnee zu gehen, Schnee in der Hand zu haben, Mondlicht auf Schnee zu sehen, gnadenlos durchgefroren nach Hause zu kommen. Aus dem Fenster lange in fallenden Schnee zu starren, all das. Es ist eine Weile her.

Na, egal. Für die nächsten Tagen sehe ich gerade ein, zwei Schneeflöckchen im Wetterbericht. Wer weiß.

***

Am Neujahrsmorgen kommt unser Viertel erst gegen fünf Uhr zur Ruhe, bis dahin wird ausgiebig Krieg gespielt, viel mehr als im letzten Jahr. Dann rüttelt nach nur einer halben Stunde der Nachtruhe schnell aufkommender Sturm energisch an allem, was im Stadtteil lose ist. Draußen grollt etwas dumpf über dem Dach, während ich dies schreibe. Zwei abgetakelte Tannenbäume rollen windgetrieben die Straße entlang, Jahresanfangs-Tumbleweed.

Dann klappert etwas an einem Gerüst gegenüber, wird etwas durchgerüttelt, zerklirrt Glas auf der Straße,  bricht irgendetwas Großes in einer heftigen Böe aus Südwest krachend weg.

Vielleicht so etwas wie ein riesiges Werbeplakat, vielleicht aber auch die letzten Reste vom alten Jahr. Und das ist dann auch gut so.

Auf einem Pfosten an den Landungsbrücken ein Graffiti-Herz, in dem "Liebt mehr" steht

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit exceeded. Please complete the captcha once again.