Da ich es jetzt zum dritten oder vierten Mal gesehen habe, ist es wohl eine Art Trend und bekommt daher einen Platz in meiner kleinen Chronik der allgemeinen Bemerknisse. Es geht da um ein leicht zu übersehendes Detail, welches ich neuerdings an gewissen Kneipen wahrnehme. An einer Art von Kneipen, die Sie vermutlich auch kennen. Selbst wenn sie in vollkommen anderen Gegenden wohnen, ländlich vielleicht, südlich oder inselig, es ist einigermaßen egal. Denn ich meine eine bestimmte Form, wie es sie im ganzen Land gibt, in fast jedem Ort ab einer gewissen Mindestgröße. Ich meine diese Kneipen der hart und stetig trinkenden Männer. Bei denen wir uns, nehme ich an, auf ein gemeinsames Bild einigen können.
Also Kneipen ohne jeden Schick. Ohne Glanz und Glamour, ohne etwas Jugendliches oder gar Hippes in der Anmutung. Eher so etwas wie eine deutsche Kneipenessenz. Es gibt eine Theke, es gibt ein paar Stühle davor, vielleicht mit abgewetzten Polstern eher unbestimmter Farbe darauf. Es gibt ein, zwei Automaten an den Wänden, die einen undefinierbaren Braunton in der Tapete haben. Ab und zu geben diese Automaten Geräusche von sich, wie im Traum winselnde Hunde, und zeigen so an, dass sie noch leben. Jahrzehntealte Plakate hängen an den Wänden, und irgendwo klemmen noch einige verschossene Postkarten, hängt auch der graue Plastikkasten einer Spargemeinschaft.
Es gibt Bier, sicher gibt es auch Schnaps. Es wird permanent geraucht, diese Kneipen sind alle erst ab 18. Sehr viel wird dort geraucht. Und alle, die dort sitzen oder stehen, ob sie Kunden sind oder Bedienung, sehen immer, immer, das ist absolut verlässlich, enorm schlecht gelaunt aus. Fast ausschließlich sind es Männer, die dort das Publikum bilden. Manchmal sind es Männer irgendwo zwischen Horst Schlämmer und Tegtmeier, allerdings abzüglich ihrer Pointen und ohne alle Ironie. Manchmal und je nach Gegend und Nähe zum nächsten Büroviertel oder zum Kongresszentrum der Stadt sind auch Männer mit einem etwas höheren Stromberg-Anteil dabei.
Verlässlich trinken sie ernst. Jederzeit rauchen sie Kette und mit Sicherheit gucken sie verbissen. Alkohol und Nikotin werden in diesen Kneipen mit einer so stieren Ernsthaftigkeit konsumiert, dass sie an Arbeit erinnert. An geknurrte Dialoge, in denen mehrfach „muss ja“ vorkommt. „Noch eines? „Muss ja.“
“While sleeping strangers unknowingly keep me company in the hotel bar
Looking out a window that isn’t there
Looking at the carpet and the chairs
Well, the only words I’ve said today are „beer“ and „thank you“
Beer
Thank you
Beer
Thank you
Beer.”
(Bill Callahan, The Sing.)
Aber an den Scheiben dieser Kneipen, und das wollte ich Ihnen nur kurz erzählen, an den Scheiben dieser Kneipen pappt jetzt manchmal ein neuer Aufkleber. Da ist ein durchgestrichenes Blatt drauf und der Hinweis, dass der Konsum von Cannabis hier streng verboten sei. Weil, so lautet sicher der Gedanke dahinter – Drogen! Nein, also wirklich. Wo kommen wir da hin. Und da könnte ja jeder kommen.
Ich lese diesen Aufkleber im Vorbeigehen, ich schüttele den Kopf. Und von drinnen sehen mich dabei die Männer am Tresen an. Diese Männer, die da wie immer rauchen und trinken und in die vollen Aschenbecher und halbleeren Gläser starren. Und sie schütteln dann auch ihren Kopf, weil ich nach dem Lesen des Aufklebers den Kopf schüttele. Am Ende, so werden sie vielleicht denken, bin ich einer von denen.
Und wir sind uns einigermaßen fremd in diesem Moment. Diese Männer und ich. Nur im Kopfschütteln sind wir uns einig.
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„No drugs“ als Kneipenaufkleber, ja, wenn das nicht lustig ist…
Made my day
Das ist wie mit den alten Telefonzellen: Ich kann diesen Post riechen.
Ich kenne diese Kneipen, allerdings ist Bayern wieder mal (oder ausnahmsweise, je nach Perspektive) eine Insel der Seligen, in der es dieses Setting und tendenziell auch solche Aufkleber nicht gibt. Denn wir haben ein absolutes, wirklich konsequent durchgezogenes Rauchverbot, auch in solchen Kneipen. Da war der Volksentscheid vor 15 Jahren ein echter Meilenstein. Und da man eh nicht rauchen darf, muss man auch nicht darauf hinweisen, dass man kein Marihuana rauchen darf. (Dafür haben wir natürlich dank unserer großartigen Staatsregierung andere absurde Szenarien wie Volksfeste, auf denen man sich besinnungslos betrinken und totrauchen darf, aber auf gar keinen Fall einen Joint zücken …)