Dass niemand ihm irgendeine Gunst erweise

Frau Klugscheißer greift ein Thema auf und schreibt hier über das Nichtstun: „Langeweile finde ich immer noch nicht besonders schön. Meine Therapeutin meinte dazu trocken, das sei besser als garnix spüren, und da muss ich ihr schon recht geben.

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Mit Interesse habe ich diese arte-Doku (YouTube-Link) über Erik Satie gesehen. Obwohl und auch weil die klassische Musik bei mir nach wie vor Bildungsbrachland ist. Besonders mochte ich die Stelle, bei der uns ein Pianist berichtet, dass ihm beim Spielen der monströs langen Vexations (Wikipedialink) etwas Seltsames passierte und etwa bei der 700. Wiederholung der immer gleichen Tonfolge sein ganzes Leben an ihm vorbeizog.

Ich nehme stark an, auch Satie hätte darüber gelacht. Also zumindest mit etwas Abstand von der Zeit der Komposition, in der er Liebeskummer hatte. Der eine oder die andere aus der heutigen Zeit wird den Effekt vielleicht auch schon vor anderen Tasten, nämlich bei repetitiver Büroarbeit, erlebt haben. Vielleicht demnächst auch mal Satie im Home-Office hören, das mal vormerken.

Aber auch beim Einkauf war er mir gestern dann im Nachklapp zu der Sendung schon sehr angenehm.

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Gesehen habe ich außerdem Walther Zieglers Vortrag über Platon (YouTube-Link). Das mit dem Höhlengleichnis kenne ich allmählich, wie man so sagt, bis zum Erbrechen. Was allerdings nicht heißt, dass man nicht dennoch und heute besonders, was aber wohl zu allen Zeiten jemand gedacht haben wird, erneut darüber nachdenken könnte.

Gegen Ende war es für mich aber spannender, als es um die Kritik an der Demokratie, um die Staatsform und um die „Philosophenkönige“ ging.

Um Philosophenköniginnen, wie man von heute aus sicher ergänzen möchte.


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Und apropos Platon, also Philosophie. Ich kam neulich auf Spinoza, bekomme aber nicht mehr zusammen, warum eigentlich. Sagen wir, er wartete in irgendeinem Kaninchenloch. Da lungern bekanntlich zu allen Zeiten alle möglichen Gestalten herum.

Im weitesten Sinne stand es vermutlich mit Gedanken im Zusammenhang, die auch bei Felix im Blog vorkamen, wie vor ein paar Tagen bereits verlinkt. Es ist aber auch egal.

Ich habe jedenfalls dann einiges zu Spinoza nachgelesen und meine klaffenden Wissenslücken zumindest notdürftig geschlossen. Also in der Form, dass ich jetzt immerhin zwei, drei Sätze und Schlagwörter korrekt mit ihm in Verbindung bringen kann, ich habe mich quasi aufmunitioniert für einen Spinoza-Smalltalk. Zu dem es in diesem Leben zwar noch niemals kam, aber egal. Besser, man ist vorbereitet.

Dann sah ich auf YouTube noch ein paar Filmchen über ihn, über seine Thesen und Annahmen.  Was man so macht, wenn man Zeit und keine lästigen Pläne hat.

Es geht mir für diesen Text aber gar nicht um Philosophie, sondern nur darum, dass Baruch Spinoza wegen seiner ketzerisch anmutenden Erkenntnisse damals (1656 war es) aus seiner religiösen Gemeinschaft, also aus der jüdischen Gemeinde, geworfen wurde. Da wurde es nämlich sprachlich interessant. In der Wikipedia wird der Bannfluch zitiert, mit dem er feierlich belegt wurde, und der Fluch hat, wenn man sich vielleicht auch für Lyrik, alte Sprache und dergleichen interessiert, durchaus etwas. Also etwas Unheimliches, versteht sich, aber man liest es vielleicht auch mit Respekt vor den Formulierungen.

„Nach dem Beschlusse der Engel und dem Urteil der Heilgen bannen, verwünschen, verfluchen und verstoßen wir Baruch de Espinoza, mit Zustimmung des heiligen Gottes, gepriesen sei Er, und dieser ganzen heiligen Gemeinde […], mit dem Bannfluche, womit Josua Jericho fluchte, mit dem Bannfluche, mit dem Elisa den Knaben fluchte, und mit all den Verwünschungen, die im Gesetz geschrieben stehen. Verflucht sei er am Tage und verflucht sei er bei der Nacht; verflucht sei er, wenn er sich niederlegt, und verflucht sei er, wenn er aufsteht, verflucht sei er bei seinem Ausgang und verflucht sei er bei seinem Eingang.

Möge Gott ihm niemals verzeihen, möge der Zorn und Grimm Gottes gegen den Menschen entbrennen […] und seinen Namen unter dem Himmel austilgen, und möge Gott ihn zu seinem Unheil ausscheiden von allen Stämmen Israels […] Wir verordnen, daß niemand mit ihm mündlich oder schriftlich verkehre, niemand ihm irgendeine Gunst erweise, niemand mit ihm unter einem Dach verweile, niemand auf vier Ellen in seine Nähe komme, niemand eine von Ihm verfaßte oder geschriebene Schrift lese.“

Beeindruckend. Würden einem wohl Menschen einfallen, die man mit einem ähnlichen Bann verfluchen möchte? Aber hallo. Und seien sie im fernen Amerika.

Ebenso betörend ist dann allerdings später die Formulierung einer Rede, in der es 1927 um die Aufhebung des Bannes ging, zu der es dann aber nicht kam. Etwa jene Stelle: „Unser Bruder bist du, unser Bruder bist du, unser Bruder bist du.“

Groß im Verstoßen, groß im Verzeihen. Manchmal ist eine gewisse Dosis „Drama, Baby, Drama“ doch recht attraktiv. Zumindest sprachlich.

Ansonsten fand ich: Spinoza kann man ruhig einmal nachlesen. Und sei es nur, um zur Kenntnis zu nehmen, wie frei Menschen zu allen Zeiten denken konnten.  Einige zumindest.

Schrift mit Edding auf einem Pfeiler: "Miltant Hippie"

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Ein Kommentar

  1. Folgende Gedankenkette bei „Verfluchen in Amerika“: In „Sex and the City“ hat Charlotte Mr. Big verflucht. Das war, nachdem sie zum Judentum konvertiert ist. Ob Charlotte wohl diesen (offiziellen?) Fluch angewendet hat (als die Streberin, die sie während der Vorbereitung zum Glaubenswechsel war)? Finde ich dies wohl irgendwie heraus? Warum möchte ich das wissen? Warum erinnere ich mich nach so langer Zeit an so was?

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