Geschichtliche Kreise und Schleifen

Gestern war auch eine Art Feiertag, weil ja immer einer ist. In diesem Fall war es der Jubiläumstag der Peanuts-Geschichten von Charles M. Schulz. Am 2. Oktober 1950 erschien seine erste Folge, ich hörte dazu einen erhellenden Podcast beim SWR, über den Zeichner und die großen Fragen des Lebens (28 Min.). Alltagssituationen, so heißt es da, werden bei den Peanuts ins Grundsätzliche erhoben, das mache ihren Reiz aus. Dieses Muster wird Menschen, die Literatur, Blogs oder auch Filme und Serien konsumieren, irgendwie bekannt vorkommen.

Passend zu den Peanuts und zum großen Kürbis sah ich im Discounter auch die ersten Halloween-Süßigkeiten, Weingummivampire und dergleichen. Diese Süßigkeiten, die in ärgerlicher Unordnung der zeitlichen Abläufe stets erst nach den ersten Weihnachts-Süßigkeiten in die Läden kommen, wie ich wiederum krückstockfuchtelnd anmerken muss.

Aber egal. Man muss sich weniger aufregen, nicht mehr. Aber es ist eine Unordnung in der Welt, an der Menschen mit Sinn für Systeme verzweifeln müssen, das ist jedenfalls auch so ein Gesetz. Und ob nun Kürbis, Halloween oder Peanuts, Hauptsache Herbst, nicht wahr.

Und wenn es Herbst ist, woran kein begründeter Zweifel mehr bestehen kann, und wenn man an die Peanuts denkt, dann schalte man bitte die folgende Musik dazu (hier auch als YouTube-Link). Es ist, möchte ich meinen, fast eine Art von heiliger Pflicht. Und der Oktober eignet sich ohnehin auch gut als Vince-Guaraldi-Gedenkmonat. Er hat so einen etwas oktobrig anmutenden Klang in vielen Stücken.

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Eine Anmerkung noch zu der gestern erwähnten Podcastnacht, die weiter unten weiterhin beworben wird.  Sie ist nämlich wieder ein Beispiel für ein Phänomen, das ich seit vielen Jahren mit Kulturschaffenden aller Ausprägungen in dieser Stadt diskutiere, nämlich für die stetig weiter abnehmenden Chancen, Termine solcher Art auch nur annähernd so erfolgreich zu verbreiten, wie es „früher“ einmal selbstverständlich war. Wobei sich das „früher“ diesmal auf eine Zeit bezieht, in der es noch eine oder sogar zwei große Regionalzeitungen gab, drei, vier Fernsehsender und im Falle von Großstädten auch noch eine Zeitschrift mit akribisch und in Handarbeit gelisteten Terminen, sowie beflissen zusammengetragenen Hinweisen auf Regelmäßiges und Neues.

Blick über die Binnenalster vom Jungfernstieg aus, eine Taube fliegt halb angeschnitten durchs Bild

Man kann es vermutlich nicht mit Zahlen belegen, aber raten kann man es, was sich da geändert hat. Vielleicht hat man früher unfassbare 70 % des Zielpublikums erreichen können, vielleicht verbleibt man heute unter 20 %. So in der Art wird es wohl ausfallen, was sich da verschoben hat, nehme ich an. Auf eine Weise hat es sich verschoben, an der man zumindest auf den ersten Blick keinen Vorteil erkennen kann, wenn man den Blick einmal auf das Thema Termine verengt.

Es ist also kaum möglich, einen solchen Terminhinweis so zu streuen, dass „man“ das zur Kenntnis nehmen kann. Also „man“ in einem weit gefassten Sinn. Es ist eher kategorisch unmöglich.  Und dummerweise muss man da nicht bei Veranstaltungen dieser Art aufhören, es geht auch um viel Größeres, um Ausstellungen in Museen, um Opernpremieren, Festivals etc., die wir nicht mehr allgemein teilen können, die nur noch spezielle und immer noch spezieller werdende Segmente erreichen.

Allgemein werden wir nur noch bei den aktuell letzten Resten der großen Gemeinsamkeit, also bei den riesigen Sportveranstaltungen. Die bis heute noch sogar im allgegenwärtigen Smalltalk derart verankert sind, dass man sie fast unweigerlich auch dann mitbekommt, wenn man nicht einmal das allergeringste Interesse dafür aufbringen kann. Die Informationen dazu werden uns gewissermaßen reingedrückt.

Nebenbei gedacht hört dieses Thema aber bei Terminen nicht auf. Es bezieht sich auch auf Informationen aller Art, die immer schwerer geteilt werden können. Ein bekanntes Beispiel war etwa diese Großaktion mit dem Führerscheintausch, bei der weithin auffiel, dass es unfassbar viele Menschen einfach nicht mitbekommen haben. Teils bis heute nicht. Aber die Aktion läuft noch bis 2033, da geht also noch etwas.

Man könnte aber, wenn man wieder etwas romanhaft denkt, sich auch ein Land in naher Zukunft vorstellen, dem gerade etwas passiert. Das, vorstellen kann man sich ja alles, etwa angegriffen wird, sagen wir, von einem aggressiven Nachbarstaat. In langsamer Eskalation, erst nur per Störaktion mit Drohnen und dergleichen, dann Sabotagen, schließlich Überfälle – und es bekommen einfach nicht genug mit. Es ist eine geschichtlich relevante Situation, die sich den Menschen dieser Gegenwart aber einfach nicht erschließt. Oder doch nur einem sehr kleinen Teil, den man für so einen Roman selbstverständlich braucht. Die Topcheckerinnen, die allfälligen Heldenfiguren.

Wenn wir mal fünfzig Jahre weiterdenken, vielleicht nur dreißig, dann sind wir womöglich schon so weit. Oder ich finde es zumindest erstaunlich gut vorstellbar. Die Menschen werden dann keinen Weg mehr finden, ihre Informationslage zu synchronisieren und abzugleichen. Sie müssen das erst wieder mühsam herstellen und sich erkämpfen. Sie erfinden dann, tadaaa, vielleicht so etwas wie eine gedruckte Hamburger Wochenzeitung.

Auch bei Science-Fiction denkt man fast unweigerlich irgendwann in geschichtlichen Kreisen und Schleifen, nehme ich an.

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Ein Kommentar

  1. Ein schönes Peanuts- Zitat: ‚von allen Charlie Browns bist Du der Charlie brownste.‘
    Damit ist alles gesagt 🙂

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