Don’t mess with Mr. In-Between

Am Sonntagmorgen eine Alsterrunde. Selbstverständlich gegangen, nicht gelaufen, siehe Sting etc. Man kennt das. Ich ging flotten Schrittes wie immer, noch bevor sich die Sonne durch das kompakte Grau über mir mühen konnte. Es war noch nachtkalt an den Ufern, es war außerdem nordwestkalt, der Wind war nass, bitter und bissig. Die laufenden Menschen, die mir entgegenkamen, sahen diesmal nahezu sämtlich überzeugend so aus, als könne dieser Sport unmöglich Spaß machen. Als könne er außerdem kaum gesund sein und im Grunde überhaupt nichts, was sich irgendjemand freiwillig bei geistiger Gesundheit an einem Wochenendmorgen antun würde. Darüber hinaus gab es bei diesen Sportlerinnen und Sportlern eine seltsame Entwicklung zu beobachten, die wir ausgerechnet vom Automarkt her kennen: das Verschwinden der Farben aus der Modellpalette.

Alles lief ninjaoptimiert in schwarzer Montur, manchmal auch in Betontönen, in Variationen von Schlamm, Lehm, Sand und Granit. Wenn es bunt und ausgefallen war, bei den vielleicht doch ein wenig besser gelaunten Exemplaren, dann trug man die nachtdunkle Seite von Navy.

Das also mal weiter beobachten, am Ende ist es wieder ein verifizierbarer Trend.

Blick über die Aussenalster an einem Dezembermorgen

Ich dagegen trug einen heiter lichtgrauen Anzug. Darunter einen warmen Rollkragen in einem Farbton, den ich gerade am Bildschirm mit etlichen blauen Beispielkacheln verglichen habe, um ihn hier exakt benennen zu können. Das Ergebnis dabei lautete „lightsaber blue“. Guck an, diesen Pullover werde ich künftig sicher noch lieber tragen.

Eine Skulptur am Alsterufer, der man einen gestrickten Bikini angezogen hat

Ich war außerdem in dieser Umgebung verhaltensauffällig gut gelaunt. Denn ich hatte gleich nach dem Aufstehen beschlossen, mir eine neue Playlist für das Jahr 2026 anzulegen, um stimmungsmäßig nach Möglichkeit vorzugreifen und für etwas Aufwind zu sorgen. Nicht im Sinne eines ernsthaften Vorhabens, aber doch immerhin als Mittel der unverbindlichen, dabei aber möglichst freundlichen und vergleichsweise zugewandten Selbstunterstützung. Hilf dir selbst etc.

Begonnen hatte ich dieses Vorhaben mit Musik, die mir unter den Überbegriff „Lounge“ zu fallen schien. Daraus eher die lässigen und rhythmischen Varianten, nicht das Ambient-Zeug. Ein wenig in Richtung Bossa Nova auch. Was aber schnell zu viel und zu beliebig werden kann. Wenn man bedenkt, dass es von jedem Lied auf dieser Welt eine hingehauchte, zartschmelzende Bossa-Nova-Version gibt, wird es leicht unerträglich. Ich dachte jedenfalls an möglichst positive Songs. Von der Melodie, vom Titel und auch vom Text her, wenn es denn überhaupt Gesang gab. Von betont lässiger Grundstimmung, Gentleman an abendlicher Bar, bis hin zu selbstverständlich ironischer, aber doch leicht eskalierter Balz: „Na, ganz allein hier?“

Etwas in der Art schwebte mir vor.

Unter anderem durch das gestern erwähnte Album „John Coltrane und Johnny Hartman“ wurde es dann bald immer jazziger und swingender, sodass sich der Grundrhythmus dezent verschob. So dass auch das allfällige Fingerschnippen etwas anders eingesetzt werden musste, so dass ich diese bewährten Songs schließlich noch einmal mit neuem Interesse hörte. Und auch zwischendurch stehenblieb, um etwas auf dem Smartphone nachzulesen.

Songs, die man bereits tausendmal gehört hat, in etlichen Versionen. Aber es ist doch lohnend, fand ich dann, sich noch einmal damit zu befassen und vielleicht auch etwas kundiger zu werden. Etwa auch bei diesen so sattsam bekannten Liedern und Standards die Versionen noch einmal sämtlich nacheinander zu hören, dabei die Texte mitzulesen, die Geschichten dahinter kennenzulernen.

Tendenziell sinnfreie Unterfangen, die ein plötzlich bei mir aufflammendes Interesse bedienen, heben meine Laune oft beträchtlich und zuverlässig. Ich war also der mit der bemerkenswert guten Laune an diesem Morgen da auf dem Rundweg. Mit den eiskalten, aber dennoch schnippenden Fingern, mit dem immerhin dezent eingesetzten Pfeifen.

Auch mal schön, auf diese Art aus der Reihe zu fallen.

Vielleicht wollen Sie trotz des Wochentages noch einsteigen. Vielleicht wollen Sie das selbst dann, wenn bei Ihnen heute schon der Weihnachtsurlaub beginnt. So weit bin ich noch nicht, daher ergreife ich noch Maßnahmen und habe hier eine Bande gebildet. Mit Clint Eastwood, Bette Midler, Bing Crosby (sechs Monate vor seinem Tod, das beim Hören mal freundlich mitbedenken, bitte!), Willie Nelson, Sam Cooke, Johnny Mercer, Aretha Franklin, Ella Fitzgerald, Perry Como, Tony Bennett, Peggy Lee, The Andrew Sisters, Jools Holland, Dr. John und Paul McCartney.

Denn manchmal braucht man auf den letzten Metern des Jahres etwas Beistand, das kann vorkommen.

“You gotta ac-cent-tchu-ate the positive
E-lim-i-nate the negative
And latch on to the affirmative
Don’t mess with Mr. In-Between.

You got to spread joy up to the maximum
Bring gloom down to the minimum
Have faith, or pandemonium
Liable to walk upon the scene.”

Text Johnny Mercer, Musik Harold Arlen. Die bereits einmal erwähnte Seite „Secondhandsong“ findet 149 Versionen des Liedes.

 

Hier die Wikipedia zum Song, hier die Lyrics.

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