Die Hitze des Sonntags glüht immer noch nach in dieser Wohnung. Nach jedem Sommer vergesse ich diese langanhaltenden Spätwirkungen. Und bin dann im folgenden Juni oder Juli wieder überrascht, dass die Stadt nach einem Tag mit Regen und Wind längst abgekühlt und erfrischt ist, wir in dieser Bude aber weiterhin langsam garziehen.
Wir können diese Jahreszeit nur mit etwas abgesenktem Energielevel durchstehen. Es kann daher leider auch sein und ist fast zu erwarten, dass hier morgens einmal kein Text zur Verfügung stehen wird. Auch für Texte gibt es richtige und falsche Temperaturen, in denen sie gedeihen und sich vermehren können – oder eben nicht. Siehe Säugetiere, Reptilien etc.: Es geht den Texten wie den Leuten.
Bis in die Träume sogar merke ich die Wärmebelastung. So träumte ich etwa von Herbstmode in der letzten Nacht. Und zwar dergestalt, als sei ich da vom Fach, mit ausreichenden Kenntnissen versehen und irgendwie routiniert und bewandert. Sogar auf einem nicht eben geringen Niveau. Mangelndes Selbstbewusstsein ist offensichtlich nicht eben mein Hauptproblem um Mitternacht, wie ich am Rande mit nicht geringem Interesse feststelle. Ich finde es bemerkenswert, dass ich mir im Traum Fachkenntnisse einer fremden Branche in zureichendem Ausmaß per Fantasie erworben zu haben meinte. Was man nachts alles so kann.
So treibt mich die Sehnsucht nach besseren Umständen jedenfalls durch alle Stunden hindurch. Im Traum war ich der Herbstmodenmann, und wie geschmackvoll ging es dabei zu. Mit welcher innerlichen Zustimmung betrachtete ich die von mir verantworteten Kollektionen, wie gemütlich und doch elegant waren die Strickpullover, wie angenehm gedeckt die Farben.
Aber wie auch immer. Die nächsten 30-Grad-Tage sind im Wetterbericht schon zu sehen, da kommen sie auf mich zu. Es geht also noch eine Weile so weiter und ich will gar nicht jammern, ich habe lediglich überhaupt nichts anderes zu berichten.
Denn das Sein bestimmt das Bewusstsein, und mich dominiert im Moment das Zuwarmsein.
Was kann man da tun. Ich lese abends einen Roman, in dem die Liebe so intellektuell und distanziert seziert wird, dass einem davon gewiss nicht wärmer werden kann: „Das Genie und die Göttin“ von Aldous Huxley, Deutsch von Herberth E. Herlitschka. Die Zuschreibung „Meisterwerk“ würde ich nicht unterschreiben, aber der Freundeskreis britischer Roman wird das Buch dennoch genießen können.
Ich höre außerdem wiederholt ein Album, bei dem man Gänsehaut bekommt. Ich lese den Lebenslauf des Künstlers nach, um den es da geht, und bei dem es einem angenehm kalt den Rücken runterlaufen kann. The late great Daniel Johnston, die Wikipedia hier zu ihm. Wieder einer also, der beizeiten into obscurity driftete, es ist wirklich ein Muster in meinem Musikgeschmack und ich erwarte schon nichts anderes mehr, wenn ich die Wikipedia oder andere Erklärbarseiten ansteuere. Ein schwieriges Zeichen ist es aber vielleicht für die Künstlerinnen und Künstler, die noch leben und bei denen so etwas noch nicht steht, denn wen ich mag, der wird verrückt. So sieht es wohl aus.
Das Album enthält Originalaufnahmen und Cover, hier etwa M. Ward mit der fortgeschritten traurigen „Story of an artist“:
„We don’t really like what you do
We don’t think anyone ever will
It’s a problem that you have
And this problem’s made you ill.”
Es ist etwas chilling, das zu hören, und das ist hier gerade erwünscht so.
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