Zwischen Jammer und Action

Es gab ansonsten eine treffende, wenn auch unangenehme Spiegelung gewisser Nachrichten aus den Medien bei uns im Stadtteil, teils gleich vor unserer Haustür. Wieder so, dass man denken konnte: „Ach guck, es ist alles wirklich so.“

Und zwar bezog sich dies auf Meldungen, welche über den Anstieg der menschlichen Aggressionen bei Hitze statistisch unterfüttert berichteten. Steigende Temperaturen bringen der Polizei und anderen Ordnungskräften mehr Arbeit, es ist an Einsatzzahlen und Thermometern deutlich abzulesen. Und vermutlich ist es auch kaum überraschend. Dass ich aber gleich fünf Schlägereien auf meinen Wegen durch die Stadtmitte gesehen habe, in nur einer Woche, es kommt mir doch etwas übertrieben vor. Da trägt die Wirklichkeit erneut zu dick auf und man mag es als Chronist kaum abschreiben, was da vorfällt.

Aber so war es eben. Fünf, fast auf einen Streich, immerhin locker über die Wochentage verteilt. Sämtlich waren sie in gewissen Szenen, die von außen leicht abgrenzbar wirken. Die Menschen, die sich da in die Haare gerieten, waren entweder betrunken oder auf andere Art deutlich erkennbar nicht mehr im Normalzustand. Weder im seelischen noch im sozialen Normalzustand. Bei aller Schwierigkeit der Definition, die man selbstverständlich sofort zugestehen muss.

Es werden jedenfalls bei fast allen Vorfällen in dieser Ausprägung diverse Drogen in Betracht gekommen sein. Ich bin nicht kundig, und Gott sei Dank bin ich es nicht, was hier alles gerade umläuft.

Auch Frauen waren unter den Tätern und Opfern zahlreich vertreten. Fast so viele waren es, dass man als alter weißer Humorist mit abgestandenem Boomer-Humor gar keine Quotenlösung für diese, haha, Freizeitbeschäftigung fordern müsste.

Als Mensch aber, der mit Terence Hill und Bud Spencer großgeworden ist, wundere ich mich immer wieder, wie außerordentlich enttäuschend die Geräusche einer Schlägerei außerhalb von Kinofilmen doch sind. Kein einziges lustiges, knallendes *Smack* hört man da, nicht einmal andeutungsweise. In den meisten Fällen hört man eher etwas, das man sich als dünngedrucktes, in kleinerer Punktzahl ausgeführtes, ausgesprochen blasses, zögerliches *Batsch* vorstellen müsste.

Es ist ein herb enttäuschendes Geräusch. Das vielleicht ein wenig an ins hohe Gras fallende Äpfel im späten Juni erinnert. Aber sie sind unbedingt klein und ein wenig angegammelt, diese fallenden Äpfel, sonst stellt man sich auch dieses Geräusch womöglich noch zu munter vor. Es ist aber nicht munter. Es ist einfach nur trostlos.

Und viele Schläge und Tritte ergeben nicht einmal Geräusche. Weil sie nicht treffen, besonders bei den Opfern des Alkohols nicht. Sie bringen nur die Ausführenden durch den fehlgeleiteten Schwung zu Fall. Was aber auch nicht lustig aussieht, etwa wie in einer alten Schwarzweißkomödie, kurz nach der Stummfilmzeit gedreht. Es sieht lediglich auf eine fürchterlich erwartbare Art nach einem Problem aus. Nach einem sozialen, medizinischen, psychologischen und polizeilichen Problem. Kein Mensch lacht, der das sieht. Wenn es zusätzlich nach einem dentalen Problem aussieht, was schnell und nicht selten passiert, da Betrunkene mit eingeschränkten Reflexen oft aufs Gesicht fallen, verziehen fast alle, die Szenen dieser Art im Vorbeigehen beobachten, das Gesicht in einer Weise, als würde schon das Zusehen schmerzen. Und so ist es wohl auch.

Bei den wenigen besser gezielten Schlägen und Tritten, die ihre Opfer tatsächlich treffen, ist der Impact dann keineswegs so, wie man es sich als Jugendlicher im Kino vorgestellt hat. Damals reichte verlässlich jeweils ein einziger Schlag, um jemanden zuverlässig aus der weiteren Handlung des Films oder wenigstens der Szene zu schalten. Ein Schlag, ein Umfallen, ein Liegenbleiben. So war es doch, und so gehörte es auch.

So ist es aber nicht. Wenn man nicht gerade auf jemanden trifft, der reichlich Kampfsporterfahrungen hat, dann schlagen die Menschen durchweg kunstlos, fast ziellos und lediglich affektgesteuert einfach um sich, in der Regel fast blind. Und sie treffen dabei Oberarme und Schultern, Beine und Brustkorb. Kein Opfer fällt da sofort um und macht dann für den Rest der Handlung nicht mehr mit.

Eine Schlägerei in der Großstadtwirklichkeit ist ein hauptsächlich trauriger Anblick. Wenn man genug räumlichen Abstand zur gerade eskalierenden Szene hat, wirkt das Traurige auch deutlich stärker als das Gefährliche.

Bilder des Jammers also, keine Bilder der Action. Sie werden wenige Minuten lang aufgeführt, höchstens für fünf Minuten. Dann ist die Polizei da und das Ganze wird im Nachgang zu einem womöglich noch trostloseren Akt.

Was noch? Demnächst vielleicht jene Geräusche mit Sorgfalt neu bewerten, welche mit Dringlichkeit verliebte Paare in Büschen und auf Bänken nachts im Park machen, wie man es ebenfalls aus Filmen kennt.

Aber da habe ich erst ein Beispiel aus dieser Saison, das reicht noch nicht.

Ein von innen mit Papier abgeklebtes Schaufenster, auf die Scheibe wurde "Mieten runter, Titten raus!" geschrieben

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