Forster, Camus, Borchert und der Sinn

Jetzt ans Schenken denken: Viele Geschenktipps werden von mir in diesem Jahr kaum kommen können, diesen hier kann ich aber noch mit gutem Gefühl unterbringen. Ein unglaubliches Buch, ganz schmal: Eine kurze Erzählung von E. M. Forster, also von dem mit der „Reise nach Indien“, mit dem „Zimmer mit Aussicht“ und „Howards End“: „Die Maschine steht still“, Deutsch von Gregor Runge. Man erwartet dieses Buch nicht von ihm, wenn man sich an seine bekannten und so prominent verfilmten Romane erinnert.

Ein Text aus dem Jahr 1928 ist es. Wenn man Spoiler verträgt, hier ist die Wikipedia-Seite dazu, hier auch die Perlentaucherseite. Auf der man Formulierungen zu den Rezensenten wie „kann es kaum fassen“ oder „kann nur staunen“ findet. So ging es mir auch, und zwar in einem Ausmaß, wie es mir lange nicht mehr begegnet ist. Eine dystopische Erzählung, fast hundert Jahre alt, deren erste Seiten dermaßen dicht an unserer Internet- und AI-Gegenwart sind … Ich habe sogar zwischendurch mit dem Lesen aufgehört und noch einmal nachgeschlagen, ob das wirklich ein Text von dem und auch wirklich aus jener fernen Zeit ist, so gespenstisch kam mir das vor.

Für Menschen mit intensivem Internetbezug, für Content-Creator aller Art, auch für Medienkritikerinnen, Social-Media-Skeptikerinnen und Flüchtlinge ins Analoge.

Hier noch eben die Verlagsseite. 78 Seiten nur, gebunden für 16 Euro. Es ist, ich bin ungewöhnlich überzeugt, eine sichere Sache.

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Beim Deutschlandfunk Kultur hörte ich eine Sendung über ein neues Buch zum schönen Thema Sinn, sogar Lebenssinn (29 Minuten). Sinn finde ich gut, Sinn interessiert mich. Auch wenn es ein tendenziell nicht ungefährliches Thema ist, bei dem ein gedanklicher Schritt vom Wege auch einmal unerwartet schnell nach unten führen kann.

Ein Zettel an einer Ladentür mit der Aufschrift "Vorsicht Abgrund"!

Michael Zichy schrieb: „Anderen wichtig sein – Eine Philosophie des Lebenssinns“, hier die Seite dazu bei Suhrkamp.

Im Gespräch dazu klang der Autor angenehm nahbar und seine Aussagen waren für mich nachvollziehbar. Ich freute mich aber auch ausdrücklich und besonders über seinen Widerspruch, den er bei der ach so berühmten These von Albert Camus zu Sisyphos (die Schreibweise Sisyphus ist auch okay) anmeldete.  Also diese unsägliche These, dass man sich den ewig leidenden und dauerhaft verdammten Sisyphos doch bitte als glücklichen Menschen vorzustellen habe. Die mir immer schon eher wie ein intellektueller Partyscherz vorkam, nicht wie eine stabil abgeleitete Überzeugung, die man mit rationalen Argumenten lange und erfolgreich verteidigen könnte.

Zum Thema Sisyphos doch lieber Wolfgang Borchert lesen, nicht den Camus. Das wäre mein Rat an dieser Stelle. Und den Borchert überhaupt wieder lesen, das sowieso.

Aber apropos Sisyphos, es ist Montag. Weitermachen.

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