Es gab guten Jazz für mich. Ich war im Birdland, wo Catrin Striebeck von der neulich hier erwähnten Pannonica de Koenigswarter erzählte („Ich habe meinen Mann verlassen, weil er Marschmusik hörte“). Von der fantastisch reichen Jazz-Baroness, ihrem Nachtleben in New York und vor allem von ihrer intensiven Beziehung zu Thelonious Monk. Bis zum psychischen und physischen Untergang des Musikers.

Begleitet, sinnig unterbrochen und nach der Pause noch fortgesetzt durch die Musiker und ihre Interpretation einiger Stücke von Monk. Jonas Landerschier am Klavier, Lieven Brunckhorst am Saxophon, Olaf Casimir am Bass und Björn Lücker am Schlagzeug.

Im Publikum, der Laden war voll, war man hier und da überrascht von dem Format, Text und Jazz so mischen? Mehrfach hörte ich, dass man das so nicht kannte. Für mich war das nicht neu. Ich fand es vollkommen erwartbar interessant und gut, für mich passen Jazz und Text hervorragend zusammen. Ich weiß in diesem Fall sogar, warum ich das so empfinde, das liegt nämlich allein an der frühen Heranführung an eine legendäre Aufnahme von 1960: „Gottfried Benn: Lyrik und Jazz“ (hier eine Rezension dazu), bei der Gert Westphal und Dave Brubeck et al. zu einem Kunstwerk zusammengefügt werden, das ich vom ersten Hören an geliebt habe und das für meinen Lyrikkonsum Folgen hatte.
Man kann hier einen Ausschnitt davon hören, den Besitz des Albums in welcher physischen Form auch immer kann ich außerdem mit Dringlichkeit empfehlen.
Text und Jazz, gar kein Problem also, ein durchaus sinniges Match. Fanden dann auch viele im Publikum: „Das passt ja gut!“ Genau.
Schön und bereichernd war es für mich, Kompositionen von Monk einmal live vorgespielt zu bekommen. Das kam mir hilfreich vor, ich kann seine Kompositionen jetzt mit neuem Verständnis hören. Manchmal ist es doch gut, das Handwerk vorgeführt zu bekommen, nicht alles „nur“ immer auf Kopfhörern zu genießen.
Die Musik von Monk ist kein lasziver Bar-Jazz, den man zu später Stunde zum Zwecke der Verführung eines Dates auflegen würde. Sie ist auch nichts, was man beim Kochen mitpfeifen möchte und wohl auch nicht morgens unter der Dusche nachträllert, sie ist etwas anders. Der Mann war selbst auch anders, wie man nachlesen kann, er war ziemlich anders als andere. Und man drückt es vermutlich wohlwollend genug aus, wenn man es bei dieser knappen Formulierung belässt. Es verlangt etwas Konzentration und Einfühlungsvermögen, sich mit seiner Musik zu beschäftigen, es wird bei seiner Person auch so gewesen sein.
Ein Bemerknis dazu noch. Zu seiner Musik und ihrer Wirkung bei Live-Genuss, ein Bemerknis bei der Betrachtung des Publikums an diesem Abend.
Es gab da Menschen im Publikum, und die Mehrheit war es nicht, aber doch ein ansehnlicher Anteil, die gingen beim Hören ab, wie man so sagt. Die gingen also rhythmisch mit, schon erstaunlich wild kopfnickend oder nahezu tanzend hüftschwingend, im Sitzen fußwippend oder fingertrommelnd etc. Ganz so, als würden sie da etwas hören, was in etwa der Schnittmenge von Jazz, Funk und Hip-Hop entsprungen war, mit einem deutlichen Einschlag in Richtung der gut erkennbaren und eingängigen Rhythmen. Das war die eine Gruppe.
Eine andere Gruppe gab es noch, die wurde hervorragend beispielhaft dargestellt etwa von einem älteren Mann in meiner Nähe. Der, und es passte sensationell gut, Commander Picard nicht ganz unähnlich war. Und seine Hände so hielt, dass die Fingerspitzen sich berührten, und der über diese Hände hinweg vollkommen unbewegt auf die winzige Bühne sah, mit einem Gesichtsausdruck zwischen Skepsis und geneigtem Wohlwollen. Als würde er bei einem besonders vertrackten Schachspiel zusehen und nebenbei auch eigene Züge erwägen, weil das Mitdenken nun einmal dazugehört.
Wobei Monk auch ein versierter Schachspieler war, by the way.
Seine Musik wird jedenfalls gut beschrieben, finde ich, wenn man anerkennt, dass diese beiden Varianten des Genusses vollkommen legitim waren, und das ausdrücklich auch gleichzeitig.
Es war Schach, aber es war eben funky.
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Auch: Rühmkorf und Naura.
Ja, sehr guter Hinweis, die auch.