Montag, unfrei

Frau Novemberregen macht etwas, das ich ebenso korrekt wie nachahmenswert finde. Zwar komme ich gerade nicht zur Nachahmung, nicht einmal ansatzweise, aber loben und preisen und sich ebenfalls vornehmen kann man es ja dennoch, was sie da macht, nämlich das Lesen von Primärquellen. Etwa hier gerade erwähnt im Zusammenhang mit dem Sudhoff-Bericht, also mit der Masken-Affäre.

Schön fand ich aber auch ihre Bemerknisse in Sachen Lanz und Kerner, mit äußerst wohlwollender Schlussfolgerung. Ich lachte.

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Ich habe außerdem gemerkt, dass Walther Ziegler einige seiner Vorträge auf Youtube hat. Ein praktisches Format, das man gut in den Alltag einbauen kann. Eine Stunde schafft man vielleicht hier und da.

Ich sehe mir die Folge über Nietzsche sogar zweimal an, ich denke dann allerdings, ich sollte vielleicht auch mal Nietzsche lesen. Von wegen Primärquellen, siehe oben. Aber das, so steht wieder zu befürchten, wird dann mehrere Stunden verlangen.

“… denn wer von seinem Tage nicht zwei Drittel für sich hat, ist ein Sklave, er sei übrigens, wer er wolle: Staatsmann, Kaufmann, Beamter, Gelehrter.“

So schrieb Nietzsche und meinte uns. Man fühlt sich gleich noch etwas unfreier, wenn man dieses Zitat von ihm erst verinnerlicht hat. Wir sind damit erneut bei der bewährten alten Regel: Kein Tag ohne Demütigung.

Davon abgesehen gab es am Wochenende den Schlagermove in Hamburg, es war im Zentrum ein wenig belästigend. Mit Hunderttausenden von, ich schreibe es nach empirischer Erkundung rund um den Hauptbahnhof, sturzbesoffenen Gästen. Die Veranstaltung wird, falls Sie erneut das Verrinnen der Zeit spüren möchten, seit nun 28 Jahren aufgeführt, und der allmähliche Wandel des Publikums über die Jahre wäre eine soziologische Untersuchung wert, mit zahlreichen Belegen und Bildbeweisen.

Denn dass da massenhaft Tagestouristen im Rentenalter oder kurz davor in neonbunten, aus dem Versandhandel bestellten Plastikkostümen anrollen und schon mit deutlicher Schlagseite aus dem Zug steigen, der sie in die große Stadt und zum riesigen Fest brachte, das war nicht immer so. Dass sie sich, ein längst warmgewordenes Piccolöchen oder eine Bierdose aus dem Zug noch in der winkenden Hand, den grölenden, singenden Massen anschließen und dann vermutlich nur noch ein, zwei Stunden bei halbwegs nachweisbarer Zurechnungsfähigkeit vor sich haben, das war auch nicht immer so.

Also zumindest nicht in diesem Ausmaß. Es ist doch ein Wandel hin zum noch entschlosseneren Trinken eingetreten.

Zeiten, Sitten, dies und das.

Ein Aufkleber an einem Laternenmast: Suff statt SUV

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Schnitzler, Ernaux, Stendhal, Rühmkorf

Gehört: Ein sehr kurzes Hörbuch habe ich angefangen, nachdem ich Schnitzlers Traumnovelle unwillig fast vorgespult hätte, da sie mir zu lang wurde und ich das Erwartbare diesmal wider Erwarten nicht genießen konnte.  Nicht alle Bücher eignen sich also für den wiederholten Genuss.

Aber egal, es ist immerhin interessant festzustellen, welche da für einen in Betracht kommen. Welche auf diese Art als literarische Heimat gelten können. Herr Fontane ist bei mir etwa auf diese Art von Dauer, dito Joseph Roth oder Eduard von Keyserling. Deren Werke gehen problemlos mehrfach. Auch die eher allgemein ungeliebten Bücher von ihnen, siehe Effi Briest, um nur ein Beispiel zu nennen. Ich könnte schon wieder, merke ich beim Notieren, denn schon der Anfang von Effi Briest etwa, er ist sehr gut. Man hat es nur damals in der Schule nicht verstanden.

Mit dem Stechlin könnte und möchte ich alt werden, mit den in seinen Büchern so dekorativ aussterbenden baltischen Baronessen des von Keyserling auch. Für mich sind es therapeutisch wirksame Werke. Beruhigend und kullturell erdend, ohne dabei sedierend zu sein.

Angefangen habe ich danach ein Buch, kaum hat es allerdings Buchlänge, einer modernen Frau, Annie Ernaux. Von der es etliche Hörbücher gibt, fast durch die Bank sind sie eher kurz, das ist zwischendurch auch willkommen. „Der junge Mann“ hörte ich, übersetzt von Sonja Finck, gelesen von Maren Kroymann. Es geht um die Liebe einer älteren Frau zu einem deutlich, also sichtlich jüngeren Mann. Nur in wenigen Sätzen übrigens geht es dabei um den Vergleich mit älteren Männern und jungen Frauen. Vielleicht weil sich dieser Vergleich allzu sehr, allzu platt anbietet.

Beim Deutschlandfunk fand ich eine Rezension dazu. Das Hörbuch bekam ich diesmal über die App der öffentlichen Bibliotheken, die man gar nicht genug loben kann. Das Büchlein beginnt mit dem Satz: „Wenn ich die Dinge nicht aufschreibe, sind sie nicht zu ihrem Ende gekommen, sondern wurden nur erlebt.“ Als Daily-Blogger hört man es und nickt dabei überaus verständnisinnig.

Dieses Buch reicht allerdings nicht einmal für einen Abendspaziergang, man muss dann schon wieder weitersehen. Weswegen ich noch bei Stendhal landete. In der ARD-Audiothek gibt es ein mir bisher unbekanntes Werk: „Das Leben des Henri Brulard –  Erinnerungen eines Ichmenschen“. Deutsch von Friedrich von Oppeln-Bronikowski, was ein wenig wie ein Name aus einem Fontane-Roman klingt, gelesen von Hans Helmut Dickow.

Beim Lesen des Buchtitels muss ich fast zwanghaft das zitieren, was hier sicher mindestens einmal im Jahr im Blog vorkommt. Nämlich die folgende Stelle aus einem meiner liebsten Rühmkorf-Gedichte, „Phönix voran“: „Wenn ich mal richtig ICH sag, wie viele da wohl noch mitreden können?

Das einzige Gedicht übrigens, das ich jemals irgendwo öffentlich vorgetragen habe. So etwas merkt man sich. Ich finde es mit jedem Jahr besser, falls Sie es aber versehentlich noch nicht kennen und auch in diesem Blog nicht schon fünfmal gesehen, gehört oder gelesen haben, es gibt eine Aufnahme von ihm:

Die Rühmkorf-Bände mit den sämtlichen Gedichten auch mal wieder in die Hand nehmen. Der repetitive Genuss, ja, ja.

Im Bild das inhaltlich halbwegs passende Firmament von Stephan Huber und Raimund Kummer. Kunst im öffentlichen Raum, in diesem Fall im U-Bahntunnel.

Das Firmament-Kunstwerk im U-Bahntunnel, Beschreibung siehe Link.

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Wie eine Figur von

Ein Bild sei noch nachgereicht, ein Bild aus den Hitzetagen. Als ich an einem dieser Nachmittage doch einmal draußen war, bei, was weiß ich, 65 Grad oder so. Also gefühlt jedenfalls war es so warm, und ich ging überhaupt nur vor die Tür, um etwas für die Herzdame zu besorgen. Denn es treibt uns bekanntlich zu Taten, das Gentlemanhafte, an die wir ohne Ladies nie denken würden.

Da kam mir jedenfalls in einer ruhigen Nebenstraße – in einer immerhin ruhigen Nebenstraße, was aus Gründen, die gleich einleuchten werden, betont werden muss – ein Radfahrer entgegen. Auf einem Herrenrad, das entweder nur alt oder schon vintage war, ich kenne mich da nicht aus. Formell bürotauglich angezogen war der Mann, bei der Hitze recht auffällig. Der Anblick erinnerte mich vage an jemanden, ich kam zunächst aber nicht darauf, an wen. Stunden später fiel es mir erst ein. Die Erinnerung bezog sich auf die Anfangssequenz eines Videos von Max Raabe, den ich doch gerade erst hier gehabt hatte. So hängt also wieder alles zusammen, es ist sehr schön.

Siehe unten.

Der Mann jedenfalls fuhr nicht nur Fahrrad, er sah dabei auch auf einen Bildschirm und tippte. Was noch nicht ungewöhnlich wäre. Smartphones etwa benutzen hier sämtliche Verkehrsteilnehmerinnen längst vollkommen enthemmt und in absolut allen Fahrsituationen, da es niemanden mehr gibt, der ein Verbot durchsetzen würde.

Dieser Mann vor mir allerdings tippte auf einem Notebook, und das hatte ich bis dahin so noch nicht gesehen. Freihändig musste er dafür fahren, und das aufgeklappe Notebook auf der linken Hand balancieren, während er mit der rechten Hand tippte. Konzentriert wirkte er, und da die Straße verkehrsarm war, wenn auch nicht verkehrsfrei, fühlte er sich auch nicht genötigt, allzu oft hochzusehen und die Lage um ihn herum zu prüfen.

Vielleicht ein Fall von Home-Office mit belebendem Fahrtwind. Vielleicht auch ein weiterer Dachgeschossbewohner mit Neigung zu Verzweiflungstaten. Oder mit bereits zerschmolzenem Gehirn und nur noch bedingt zurechnungsfähig. Womöglich hätte ich kumpelhaftes Verständnis haben sollen.

Daran dachte ich aber nicht. Ich war vielmehr spontan und fasziniert damit beschäftigt, über erzählerische Mittel in diversen Medien nachzudenken. Wie man diese kurze Szene, nur eben diesen Mann auf dem Rad, mit dem stark StVO-widrigen Verhalten, einmal so hätte darstellen können, dass ihn jede zur Symbolfigur gewordene Karen oder auch jeder krückstockfuchtelnde Nörgelrentner keifend und pöbelnd am liebsten vom Rad gestoßen hätte. Man hätte es leicht so schildern können, dass man diese Aggression als Zuschauerin, Leserin, Hörerin verstanden hätte, kopfschüttelnd und knurrend ob all der eskalierenden Entgleisungen auf den Straßen und überhaupt in der Welt. Entropie und Empörung, Sie kennen das.

Wie man es andererseits, und das ist grundsätzlicher, als Sie vielleicht zunächst vermuten wollen, so hätte darstellen können, siehe auch Max Raabe, dass dieser Mann ein liebenswerter Sonderling in unserer Wahrnehmung geworden wäre. Ein Kauz, wie man früher einmal gesagt hat, eine Komödienrolle. Ein liebenswerter Sonderling, Hauptsympath des Filmabends.

Was wäre, so kann man sich bei vermutlich vielen menschlichen Ärgernissen, die man ohne viel Kontext geliefert oder eher vorgeworfen bekommt, fragen, wenn Heinz Rühmann diesen seltsamen Typen spielen würde. Wenn Maggie Smith diese verrückte Alte wäre. Wenn es sich um eine Szene aus einer Geschichte von (hier Lieblingsautorinnen mit eher heiteren Werken einsetzen) handeln würde.

Ich habe mich also nicht weiter mit meiner Wertung befasst, ich habe nur fasziniert hingesehen und mir einige Notizen gemacht, zur späteren Verwendung. Wie eine dieser Figuren von … Na, von wem auch immer.

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Summer Nights

Falls Sie sich auch für Musikgeschichte interessieren, und zwar mehr für den nicht als klassisch bezeichneten Teil, mir lief gestern bei der Suche nach dem Song von Townes van Zandts das Blog von Michael Miller über den Weg. In welchem jeden Tag ein alter Song vorgestellt wird, mit den historical facts, Videos etc.

Ich lese darin etwas rückwärts. Was ich vermutlich auch noch länger machen werde, und ich stoße auf den nächsten passenden Song zu den Sommernächten. Zu diesen Nächten also, die wir gerade haben. Und die wir in den Nachrichten nun Tropennächte nennen und nicht mehr ganz so arglos verleben können.

Kreideschrift auf dem Pflaster: Frei Knutschen

Ein faszinierendes Stück Geschichte, auch dieser Clip. Eine feine Huldigung an pastellfarbene Strickwaren und schwarze Lederjacken. Mit einer Leichtigkeit in Bezug auf die Betrachtung des Themas vermittelt, die mir mittlerweile tendenziell abgeht.

To say the least.

Und apropos Olivia Newton-John, noch einmal eine Wiederholung für neuere Leserinnen, die nicht alles hier schon kennen. Aus der Reihe Lieblingsvideos diesmal der Jamming-Clip mit Andy Gibb, den Damen und Herren von ABBA und indirekt sogar mit einer Würdigung Brian Wilsons, wie passend. Zu und zu schön, die Szene.

Wenn dieses Video die Laune nicht hebt, spätestens bei der Frage „Do you have any musical brothers or sisters, Andy?“, dann hilft womöglich gar nichts mehr.

Oder, wie in den Kommentaren drüben jemand schreibt: “I feel like my spirit is cleaning from something.”

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Nebenbei stelle ich mit nur milder Irritation fest, dass feierliche, philosophische, wehmütige oder auch entschlussfreudige Gedanken zum sich nun abspulenden zweiten Halbjahr bei mir diesmal komplett ausbleiben, das lief früher anders in mir ab.

Tomorrow is another day, und gleich ist eh schon das nächste Halbjahr und eine Zahl wird erneut weiterdrehen, man muss vielleicht nicht lange darüber nachdenken. Oder, das mag sein, dieses Aufladen der Jahre, Halbjahre, Monate oder Jahreszeiten mit Bedeutung und Pathos legt sich auch irgendwann im Leben. Wie so vieles.

Siehe dazu auch „Silvester verschlafen“, womit ich ebenfalls kein Problem mehr habe. Eine eher entspannende Entwicklung.

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Die Möglichkeit der Meere

In den Calls im Brotberuf merke ich an manchen Hitzetagen, wie vorteilhaft es sein kann, in einer großen Firma zu arbeiten. Man spricht mit Kolleginnen, die Gott weiß wo im Home-Office oder in irgendeinem Bürogebäude sitzen, und immer ist es irgendwo heißer als bei einem selbst. Also noch heißer, viel heißer! Oder aber die Welt geht dort schon unter. Ein Unwetter tobt bereits, Starkregen, Hagel, Sturm und alles. Und man hört im Hintergrund des Gesprächs einen Vorgeschmack auf das, was hier erst in mehreren Stunden ankommen wird.

Die relative Home-Office-Hitze also. Man hat immer nur begrenzt Grund, laut herumzujammern und Gradzahlen zu nennen. Irgendwer meldet garantiert höhere Werte, irgendwer leidet auch sichtbarer und mehr oder ist sogar bereits Opfer geworden, abgemeldet ohne Kreislauf, dahingesunken.

Immerhin, so denke ich dann, und tröste mich wieder erfolgreich selbst, weil der Rest der Welt auch einfach nicht so gut darin ist, wie ich ab und zu kritisch anmerken muss, immerhin sind wir hier nicht im tiefsten Binnenland. Wo tagelang kein Lüftchen geht. Wo also, wie meine Mutter zu sagen pflegt, die aus dem Rheinland kommt und es also wissen muss, im Sommer alle ersticken.

Dagegen wäre ich immerhin in nur ein, zwei Stunden an einem von zwei Meeren.

Ein Pappschild mit der Aufschrift "Bin gleich zurück" liegt auf dem Boden

Ja, ich habe sogar Auswahl an Meeren, ich muss es leider betonen, denn wie posh ist das denn. Auch wenn irgendwer in den Kommentaren gleich erwartbar meinen wird, die Ostsee abwerten zu müssen, da sie kein richtiges Meer sei usw. … Ich kann so weit hellsehen, aber bitte. Tun Sie sich keinen Zwang an.

Ich müsste jedenfalls nur in unser Auto oder in einen Zug steigen. Sie fahren stündlich oder öfter, diese Züge, es ist Nahverkehr. Genug Entschlusskraft, Spontaneität und Aufrafffähigkeit vorausgesetzt – et voilà, la mer. Pfeifend könnte ich dort aus dem Zug steigen, am Zielort mit dem frischen Wind, und Minuten später den Schiffen winken.

Ich weiß selbstverständlich, dass es in meinem Fall dazu keinesfalls kommen wird. Ich werde nicht in zwei Stunden an einem Strand stehen, mit den Füßen im Nord- oder Ostseewasser, ringelnatzmäßig im Muschelkalk oder im feinen Sand, nein. Heute nicht und morgen nicht.

Aber Sie machen sich vielleicht keinen Begriff, wie ungemein beruhigend und erleichternd man es dennoch finden kann, dass es jederzeit so sein könnte. Selbst wenn man diese Möglichkeit monatelang, jahrelang nicht nutzt, wenn man sie über ganze Lebensphasen nicht einmal mehr ernsthaft in Betracht zieht … die Option beruhigt dennoch.

Und zwar sehr.

***

Davon abgesehen ist es sowohl Summer als auch Thursday, und was haben wir da – genau, noch ein Lied, ein passendes, und zwar von Townes van Zandt. Aus dem Jahr 1969, von seinem zweiten Album „Our mother the mountain“. Der Text so gut, wie es bei ihm nun einmal zu erwarten ist:

If only she

Could feel my pain

But feelin‘ is a burden

She can’t sustain

So like a summer Thursday

I cry for rain

To come and turn

The ground to green again.


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Wer auch immer

Bevor die Temperaturen auf Rekordhöhen steigen, sehe ich am frühen Morgen ringsum überall die weit aufgerissenen Fenster und Balkontüren. Als würde man in jeder Wohnung noch einmal tief einatmen. Als würden alle Nachbarinnen und Nachbarn die gerade eben noch als kühl zu bezeichnende Morgenluft gierig einziehen. Etwa so, wie ein starker Raucher nach einem Langstreckenflug an der ersten Zigarette vor dem Zielflughafengebäude saugt, so wirkungsdurstig, mit so drängender Lust am Effekt auf die Nerven.

Sauerstoff, auch ein geiles Zeug.

Gegenüber, wo immer noch gerade die Häuser abgerissen werden, damit, wie wahnsinnig originell für diesen Stadtteil, noch ein Hotel gebaut werden kann, steht von einem ganzen Block mittlerweile nur noch eine Wand. Wenn sie die auch noch einreißen, und es kann sich nur noch um Stunden handeln, haben wir aus dem einen Kinderzimmer auf einmal freien Alsterblick. Pardon, aus dem einen Teenagerzimmer. Von Kindern kann hier keine Rede mehr sein.

Ich überlege, ob der Alsterblick die Lage verändert. Vielleicht sollte ich den entsprechenden Sohn eine Weile aus seinem Raum werfen. Ihn bei seinen Kumpels unterkommen lassen, die schlafen immerhin auch oft genug bei uns, und sein Zimmer für Unsummen untervermieten? Mit bestem Blick? Die Beute könnten wir uns immerhin hinterher teilen.

Es wäre eine erzieherische Maßnahme von Wert und Dauer, meinen Sie nicht? Der Jugend das System nahebringen, das ist doch etwas. Die Wirkungsweisen der Wertschöpfung vermitteln, tanz den Kapitalismus. Aber diese dezente Anspielung auf die jüngere deutsche Musikgeschichte im letzten Satz würde er leider auch schon wieder nicht verstehen, wie ich annehmen muss.

Ich finde es manchmal etwas herausfordernd, was da alles von Jüngeren nicht mehr verstanden wird. Eigentlich möchte ich andauernd den Drosten mit seinem so markanten „Bilden Sie sich fort!“ zitieren. Aber das gilt, wie hier ehrlicherweise zu ergänzen ist, nicht nur gegenüber meinen hauseigenen Teenagern. Auch andere jüngere Menschen verstehen meine Anspielungen, meine Pointen und Bezüge nicht oder nur noch teilweise, gucken manchmal ratlos, wenn ich gerade einen nach eigener Einschätzung spitzenmäßigen Scherz gemacht habe. Weil ihnen komplett der Kontext fehlt, den meine Generation irgendwann gelesen, gelernt oder wie auch immer abgespeichert hat. Es geht bis tief runter im Niveau, bis zu alten Werbe-Jingles und den Sprüchen aus eher mäßigen Fernsehserien, Spielshows und dergleichen.

Machen Sie mal etwa den „Risiko!“-Jingle aus dem Großen Preis von damals in einer Runde von Menschen ohne Kenntnis der Sendung nach – die gucken, als würden sie über eine Einweisung nachdenken.

Es hat also mit Bildung nichts zu tun, recht bedacht, der Begriff ist hier falsch. Es ist nur wieder der Zusammenhang mit dem gesamten, so umfangreichen Assoziationsklimbim, der mit jeder Generation unwiederbringlich verschwindet. Die vor uns haben das auch schon erlebt, man sollte es sich ab und zu aufsagen. Die nach uns werden es auch erleben. Immer fair bleiben, auch beim losen Herumdenken.

Und außerdem, so denke ich, gehen sie immerhin zur Schule, diese beiden Teenager. Sie werden dort schon irgendwas lernen.

Irgendetwas anderes eben.

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Sohn II: „Was ist das hier eigentlich für eine komische Figur, die wie du aussieht?“

Ich: „Das ist die Playmobil-Jubiläumsfigur, die zum 150. Geburtstag von Thomas Mann herausgebracht wurde. Ein Leserinnengeschenk.“

Sohn II: „Geburtstag von wem?“

Ich: „Thomas Mann. Der Schriftsteller. Aus meiner Heimatstadt.“

Sohn II: „Na, wer auch immer.“

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Der Adolphsplatz hinter dem Rathaus im Weitwinkel

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Hip-Hip

Es wird heiß, es wird sogar sehr heiß. Ich sehe am Morgen bei den Glastonbury-Auftritten nach, ob nicht vielleicht ein Clip der Songs zu dieser anstrengenden Wetterlage passt, und ich entscheide mich schließlich für Weezer – Islands in the Sun. Ein lässiges „Hip-Hip …“, um die Kernzeile der überaus komplexen Lyrics zu zitieren.

Ja, das geht auch bei diesen Temperaturen und zumindest zu früher Stunde noch, da kann ich sogar noch dezent mitwippen.

Der Sänger der Gruppe, Rivers Cuomo, ist vier Jahre jünger als ich, und ich überlege etwas länger, wieso mich das eigentlich neuerdings so interessiert. Ich habe doch sonst nicht darauf geachtet, was soll das jetzt wieder. Vielleicht liegt es daran, dass ich auf die Sechzig zugehe?

Es gibt, so las ich neulich irgendwo, deutliche Sprünge im Alterungsprozess des Menschen. Es ist eher kein gleichmäßiger Ablauf, keine erwartbar regelmäßig ansteigende Kurve. Einer dieser Sprünge soll bei der 60 liegen, der andere bei der 45. Also in etwa, versteht sich, so genau berechenbar sind wir auch wieder nicht.

Und zumindest unterbewusst merkt man es vielleicht, denke ich mir, dass einem da gerade etwas Unheimliches geschieht. Und sieht daher ein wenig öfter nach der Vergleichsgruppe. Ja, vielleicht ist es so. Um sich zu orientieren, wo man in diesem Prozess, in diesem Sprung gerade ist, wer alles mit einem springt und in welchem Zustand. Aber wie auch immer.

„Hip-Hip …“ Ein Kritiker nannte den Song, so lese ich, „… so entspannt, dass es praktisch katatonisch ist“ (Quelle). Wenn das nicht gut passt, an Tagen wie diesen.

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Ansonsten schreibe ich am Morgen für die Regionalzeitung meiner Heimatstadt eine Sonntagskolumne, in der ich mich – heiterer, unberechenbarer Freigeist, der ich nun einmal bin – über die in Routinen erstarrten, öden Alltagsabläufe meiner Altersgruppe lustig mache.

Dann schicke ich den Text ab, auf die Minute pünktlich wie immer.

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Gehört: Ein Zeitzeichen über Don Quijote. Ich hatte hier übrigens, fällt mir dabei noch ein, das Buch „Cervantes“ von Bruno Frank empfohlen, das möchte ich der Gelegenheit erneuern. Besonders das Hörbuch, gelesen von Ulrich Noethen. Es war eine gute Sache, auch im Rückblick und mit etwas zeitlichem Abstand.

Währenddessen höre ich weiter den Schnitzler, seine Traumnovelle. Und da ab und zu neue Leserinnen hier mitlesen, wiederhole ich auch noch das Video, welches ich vor Jahren schon einmal gezeigt habe, nämlich die Filmaufnahme vom Schnitzler. Gucken Sie mal, so sah er aus, so lief er herum:


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Leere Stühle und Tische in der Außengastro am Neuen Wall, im Hintergrund das Rathaus

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Eine Meldung aus der Oberliga

Ich hole Bücher aus den öffentlichen Bücherschränken und trage sie nach Hause. Schnell und zupackend bei der Auswahl muss ich dabei sein, denn der eine Schrank ist eine ehemalige Telefonzelle, die am Nachmittag in der Sonne steht. Man fühlt sich im Sommer heißluftfrittiert, wenn man zu lange braucht, um die Buchtitel auf den eingezogenen Brettern dort zu überfliegen.

Ich gehe danach meine Regale neben dem Sofa durch, nehme einige Bücher heraus, stecke sie in meinen Rucksack und gehe damit wieder los. Ich stelle einige davon in die beiden öffentlichen Bücherschränke, die mich gerade am besten versorgen. Es ist ein Geben und Nehmen, sonst kann das Ganze auch nicht funktionieren.

Ich bringe die restlichen Bücher zu meiner Mutter. Sie schafft es nicht mehr so leicht in die Bücherei und hat daher fortwährend Bedarf. Sie verfällt ohne ausreichend ungelesene Bücher auf dem Nachttisch außerdem in eine Panik, die man vielleicht noch aus den Offline-Zeiten kennt. Wenn man sich an diese erinnern kann. Meine Mutter lebt seit einigen Jahren offline, es wurde ihr alles zu kompliziert.

Bei ihr liegen wiederum auch Bücher bereit, die sie schon durchgelesen hat und die also von ihr wegzutragen sind. Um entweder in die öffentlichen Bücherschränke oder in meine Regale gestellt zu werden, je nachdem.

Ein wandelnder Literaturverteiler im Familien- und Stadtteilkontext, das bin ich hier also ab und zu. Es gibt auch schlechtere Rollen, denke ich mir. Eines der Bücher schlage ich beim Verräumen auf, weil mir einfällt, dass ich vor ein paar Wochen bei nur flüchtiger Recherche auf dem Smartphone viel Gutes darüber gesehen habe. Ich stelle fest, dass mir schon die ersten Seiten gefallen, in besonderer Weise sogar. Nach einigen Absätzen möchte ich schon ahnend nicken: „Ach guck, das ist ja was.“ Meine Mutter hatte mich ebenfalls darauf hingewiesen, dies sei mal ein besonderer Roman, ein herausragendes Werk.

Die Lichtjahre von James Salter (Verlagslink), Deutsch von Beatrice Howeg. Nach etwa dreißig Seiten denke ich, dass ich vermutlich bald noch mehr von ihm lesen möchte.

Es gibt eine lange und ansprechende Rezension im Deutschlandfunk aus dem Jahr 1998, da lebte der Autor des Romans noch. Die Kritik kommt bis zum jubelnden Sportvergleich und spricht von der Oberliga. Ich weiß, was gemeint ist, denke allerdings, es kann kein gutes Ende nehmen, wenn man anfängt, Literatur oder Kultur überhaupt mit Sportbegriffen zu analysieren.

Man muss da rechtzeitig abpfeifen.

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Ein Aufkleber auf einem Briefkasten mit der Aufschrift "Vermehrt Schönes!"

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Für eine Handvoll Links

Gesehen: Den ersten Teil einer arte-Doku über die Geschichte des Streetdance. Mit etwas wehem Bedauern, dass ich mittlerweile vom Lindy Hop gar nichts mehr kann. Es hat sich damals doch gut angefühlt, etwas zu können, und es war sogar eine recht angenehme Szene. Wenn man bedenkt, dass Szenen aller Art in der Regel auch schnell hervorstechende eher unangenehme Züge haben, war es vielleicht die beste Szene, die ich etwas näher kennengelernt habe.

So viele waren es gesamt allerdings nicht, dass es eine gesunde Stichprobe wäre. Zumindest meiner Erfahrung nach waren es jedenfalls recht entspannte Menschen, die Lindy-Hopper. Ich habe diese Beschäftigung später verschiedentlich anderen empfohlen oder sie darin bestärkt, es einmal zu versuchen, und es gab noch nie keine Beschwerden hinterher.

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Außerdem sah ich den Auftritt von Pulp beim Glastonbury Festival. Nein, nicht den ganzen Auftritt, nur das weithin bekannte „Common People“.

Wie gewohnt und bewährt las ich anschließend nach, sowohl über den Song (mit der etwas überraschenden Verbindung zu Yanis Varoufakis) als auch über die Gruppe und über den Leadsänger Jarvis Cocker, es sind jeweils Wikipedia-Links. Er ist drei Jahre älter als ich, der Herr Cocker, aber neben ihm wirke ich vermutlich, als sei ich längst jenseits der Siebzig.

Er spricht auch besseres Französisch als ich, aber gut – man muss auch gönnen können. Laetitia Sandier, mit er hier singt, bzw. spricht, kennt man von Stereolab.

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Ich sehe abends und auch tagsüber zwischendurch immer noch die alte Maigret-Serie weiter, es wird aber schlimmer. Denn wenn noch etwa zwei, drei dieser Folgen in der Bretagne spielen, bei eher nebligem Wetter und abseits des touristisch geprägten Sommers, in menschenleeren Gegenden, werde ich am Ende doch noch ein weiteres Buch schreiben müssen. Mit dem zugegebenermaßen etwas sperrigen Arbeitstitel „Es fehlt mir mittlerweile hin und wieder vielleicht doch ein wenig, ab und zu kurz am Meer zu sein.“

Nach einem Beststeller klingt es noch nicht, ich sehe es wohl ein. Da mal weiterdenken.

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Gehört:

Eine Folge Radiowissen über die Medusa, inklusive verschiedener feministischer Deutungsansätze: „Schlangenhaar und tödlicher Blick.“ (23 Min)

Eine Folge „Die größten Hits“ über die Kooperation von Kylie Minogue und Nick Cave and the Bad Seeds: „Where the wild roses grow.“ (5 Min)

Eine weitere Folge dieser Reihe über Scatman John: „Im a Scatman.“ (8 Min)

Und dann eine Folge der Reihe Lesart, in der es ein Interview mit dem Historiker Matthias von Hellfeld über sein Buch „Die verunsicherte Nation“ gab, womit Deutschland gemeint ist (hier der Link zur Verlagsseite mit dem Buchtitel). (14 Min)

Außerdem eine Sendung „Exilliteratur – Schreiben in der Verbannung“, wobei die Literatur gemeint ist, die von Geflüchteten, Vertriebenen und Verfolgten aus anderen Ländern bei uns geschrieben wird. (55 Min)

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In Sachen Hörbuch wurde währenddessen der Täter im „Unterm Birnbaum“ von Theodor Fontane in der ARD-Audiothek dergestalt gerichtet, dass die Idee dazu auch von E.T.A. Hoffmann hätte kommen können. Es las Joachim Höppner, und er las sehr gut.

Ich bleibe beim repetitiven Genießen und höre weiter Werke, die ich schon kenne, lasse mich vom Neuen nicht stressen  – von FOMO zu JOMO im kulturellen Kontext. Diesmal die Traumnovelle von Arthur Schnitzler, wieder aus der ARD-Audiothek. Bei der man sich leider etwas anstrengend muss, Nicole Kidman und Tom Cruise nicht dauernd mitzudenken, denn sie stören doch etwas.

Die Traumnovelle ist von 1925, der Birnbaum von 1885. Aber es liegen gefühlt weit mehr als vierzig Jahre zwischen den beiden Werken. In der Entwicklung des Schreibtils, des sittlichen Empfindens, der gesellschaftlichen Moral etc. muss eine längere Spanne liegen, möchte man meinen.

Wie schnell Kulturgeschichte immer weiter eskaliert, nicht wahr. Wenn wir jetzt vierzig Jahre zurückgehen, war die Welt da etwa auch so dermaßen anders … ja, durchaus.

So ist es wohl.

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It’s sad and it’s sweet

Das Schweifhaar mongolischer Hengste – das Format „Was schön war“ prompt wieder drüben im Landlebenblog. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.

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Ich las eine Geschichte im Musikkontext, von der ich bis vor ein paar Tagen nichts wusste. Die ich aber doch so nett finde, dass ich sie Ihnen nun in aller Kürze vermitteln möchte, weil Sie sie vielleicht auch nicht kennen. Immer service-orientiert bleiben! Beim Piano Man (Wikipedialink), also bei dem Lied von Billy Joel, das so gut wie jeder Mensch zumindest teilweise mitsingen kann, sind die Namen im Songtext echt. Der Künstler hat damals, so sagte er viel später, keineswegs mit einem so durchschlagenden Erfolg gerechnet und beiläufig die Personen für den Song verwendet, die da vorkamen. In seinem Ausschnitt der Wirklichkeit.

Der Name des Real Estate Novelist war also tatsächlich Paul. Der Barkeeper hieß John und vor allem, was noch viel besser ist, war Davy also im Ernst in der Navy. Trotz des überaus simplen und so naheliegend ausgedacht wirkenden Reimes. Man hört das Lied dann doch etwas anders, wenn man das mitdenkt, nicht wahr.

Ich weiß nicht, ob sie nicht vielleicht am Ende schon jemand geschrieben hat, aber die Geschichte, wie dieses Lied auf John, Paul und Davy später im Laufe der Jahre gewirkt hat, diese Geschichte wäre es doch allemal wert, eine ansprechende Short Story zu werden. Als das Lied ein immer größerer und noch größerer Erfolg wurde. Bis es dann allgemeines Kulturgut wurde, welches schließlich ganze Generationen mitsangen und bei Karaoko-Abenden volltrunken feierten.

Wenn es nicht sogar ein Film werden könnte. Man sieht es doch leicht vor sich, nicht wahr. Beginnend vielleicht mit einer Einstiegsszene am letzten Tag eines Soldaten in einer militärischen Einrichtung. Er ist schon ein älterer Mann und es sind die letzten Stunden, die unser Davy noch in der Navy hat. Er ist nur noch einen Nachmittag von seiner Pension entfernt, er räumt seinen Schreibtisch leer.

Blick von der U-Bahnstation Elbbrücken Elbabwärts

Jemand bleibt in der Tür des Büros kurz stehen und macht mit einer etwas unangenehm wirkenden, etwas zu jovialen Selbstverständlichkeit einen Witz darüber, dass Davy nun aber nicht mehr in der Navy … Einen eher flachen Scherz macht da jemand, pfeift vielleicht auch kurz und keineswegs in böser Absicht die Melodie. Was der Angesprochene dann aber mit unerwartetem Zynismus kommentiert oder doch jedenfalls mimisch auffällig beantwortet. Es wäre doch ein naheliegender Einstieg in die Rückschau auf die Jahre mit dem Song. Ein Einstieg in eine Rückschau, bei der es – Sie merken es vermutlich auch – bald eine Brücke zu anderen Songs von Billy, wie etwa zu „I loved these days“, geben kann.

Denn unser Film wird fortgeschritten melancholisch. Wenn nicht sogar todtraurig, wie es bei Erinnerungsthemen seit jeher Tradition und auch fast unvermeidlich ist. Er kann kurz vor seinem Ende erst in eine immerhin zartgraue Stimmung drehen, ein wenig Licht in die Handlung lassen, so dass die Menschen nur leicht angebittert und angenehm wehmütig, nicht aber in schwerer depressiver Verstimmung aus dem Kino gehen.

Vermutlich wäre es etwas zu dick aufgetragen. Aber dass Davys Frau einmal Kellnerin war, damals in dieser Bar, als sie „practicing politics“ noch mit den Hoffnungen der jungen Erwachsenen verbunden hat (hier bieten sich Bezüge zur desolaten Gegenwart der USA zwanglos an), es versteht sich fast von selbst.

Und wer trägt denn am Ende öfter zu dick auf, das Leben oder wir Autorinnen. Also bitte.

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