Da Sohn I vor zwei Tagen 18 wurde, können wir ableiten, dass Sohn II heute 16 wird. Was fast ebenso erstaunlich klingt. Der Termin ist allerdings in diesem Jahr etwas schwierig, er hat nämlich das besondere und eher fatale Los erwischt, am ersten Schultag Geburtstag zu haben. Er muss also zum ersten Mal nach der langen Pause wieder früh aufstehen „und all das“. Ich nehme an, viele werden nachvollziehen können, dass er dies für eine besondere und auch etwas unfaire Herausforderung hält. Zumal der Bruder noch in den Ferien Geburtstag hatte.
Ich spare mir in mühsamer Selbstbeherrschung den Hinweis, dass er am selben Tag wie Sohn I Geburtstag hätte haben können, hätte er sich damals nur fahrplanmäßig an seinen Stichtag gehalten. Man muss es leider klug dosieren, wie oft man belehrende Sätze unterbringen kann. Besonders dann, wenn sie gar nichts mehr nützen können.
Oh, und vielen Dank in die Runde übrigens für die gerade erfolgten Zuwendungen an Sohn I!
***
Bei der Frischen Brise gibt es im neuen Text einen Absatz mit einem Aspekt, den ich teile. Denn die Gefahr, dass man schnell vergisst und übersieht, was die Generation, die gerade auf Schulabschlüsse zustrebt, für spezielle und dramatische Erfahrungen gemacht hat, sie ist ebenso groß wie naheliegend.
***
***
Noch passend zu meinem gestrigen Text und zum Thema Verzerrungen empfehle ich außerdem dieses arte-Video (29 Min.) zum Thema Erinnerungen. Mit etlichen Grundtatsachen zum Thema, die man vielleicht nicht so parat hat, die ich aber für wichtig halte. Auch wieder in Bezug auf das Schreiben der Wahrheit, wozu gleich noch etwas anzumerken sein wird.
Das Video hier als Link und nachfolgend auch eingebettet. Ich schreibe das immer so seltsam, weil das eingebundene Video manchmal nicht bei allen korrekt angezeigt wird.
Die Quintessenz ist natürlich, dass Erinnerungen nur begrenzt zu trauen ist, so viel wird auch bereits bekannt sein. Aber vielleicht kann man noch einmal zur Kenntnis nehmen, was man womöglich gar nicht so gerne hört, dass aufgerufene Erinnerungen beim Wiederabspielen immer verändert werden – jedes Mal. Man könnte auch etwas länger darüber nachdenken, so faszinierend ist es, wie wir also permanente Überschreiber sind.
Einen der Sätze gegen Ende der Sendung kann man als Erlösung und Rechtfertigung bei diesem seltsamen Thema nehmen. Denn nach den Autorinnen des Clips muss das auch so sein, dieses permanente Überschreiben: Erinnerungen dienen dem Leben, und das bleibt flexibel und wandelbar bis zum Schluss.
Als Autor kann ich etwas ergänzen, was ich vor vielen Jahren mit einiger Verblüffung gelernt habe. Wenn ich in einem Text eine Erinnerung ein wenig abwandle, etwa damit eine Person oder ein Ort, eine Begebenheit nicht mehr perfekt zuzuordnen sind, da ich z. B. keinen Wert darauf lege, dass sich irgendwelche Passanten hier wiedererkennen, wenn ich also, um ein völlig willkürliches Beispiel zu nehmen, aus einem auffälligen roten Pullover einen gelben mache – dann ist er nach dem Tippen gelb. Bzw. war gelb. Ich habe ihn dann so gesehen.
Es wird für mich mit anderen Worten sofort ununterscheidbar, was wahr war und was nicht, wenn ich in einem Text etwas Wirklichkeit variiert habe. Und zwar auch dann, wenn ich genau weiß, was passieren wird, wenn ich darüber sogar nachdenke beim Schreiben. Um deutlich zu machen, wie weit das geht: Es gibt Personen in meinem Leben, deren Namen ich nicht mehr weiß, weil ich ihnen in Texten mal eben einen anderen gegeben habe. Und den haben sie jetzt eben. Sie wissen es nur nicht.
Ich kann verstehen, was da passiert. Der Vorgang ist mir durchaus klar, aber es fühlt sich manchmal doch nach einer kind of magic an. Bei der ich nicht recht weiß, ob sie nun weiß oder schwarz ist, ob es sie auch einer neutralen Version gibt und ob ich sie nicht vielleicht noch exzessiver nutzen sollte …
Einfach nur, weil es geht. Und wissen Sie was, ich spiele es uns doch schon wieder ab, das gute, alte Lied. Es ist ohnehin eines der besten Stücke zum Tagesanfang – vielleicht ja auch für Sohn II heute.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen. Herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Und wer mehr für Dinge ist: Es gibt auch einen Wunschzettel.