Lächeln und winken

Weiterhin krank. Es wird etwas langweilig, aber ich bin beim Hörbuch dennoch erst bei 52%, was mehr als merkwürdig ist. Und die Frage, wie oft am Tag man einschlafen kann, sie scheint nach wie vor nicht abschließend geklärt zu sein.

Zustandsbedingt habe ich also nicht pflichtgemäß gegen das weitere Kippen der Parteien, des Staates, der Gesellschaft und der allgemeinen Stimmung nach rechts mitdemonstriert. Aber ich sah in den Timelines die vielen Bilder und die Berichte aus etlichen Orten und fand diese immerhin erfreulich. Ich saß gewissermaßen lächelnd und winkend vor dem Bildschirm.

So nährt man sich seelisch von wenigem. Man braucht auch sonst fast nichts, wenn man krank ist. Man fährt allgemein die Bedürfnisse deutlich zurück, und das sogar freiwillig. „Nur etwas Taube, etwas Franzbrot“, wie es schon bei den Buddenbrooks zur passenden Diät in Krisenfällen hieß, vom kundigen Dr. Grabow souverän verordnet.

Aber apropos Dr. Grabow. Alle paar Jahre darf ich vielleicht eine Geschichte wiederholen. Es gibt doch gelegentlich zwei, drei neue Leserinnen, die nicht alles schon kennen und textfest mitsingen können. Eine Geschichte mit Bezug zum Thema Fiktion und Realität und sicher auch zur manchmal drängenden Frage der Glaubwürdigkeit des eigenen Lebens.

Eine Winzigkeit ist es nur. Aber doch eine, bei der ich mich immer wieder fragen könnte, ob ich echt bin, ob das alles hier seriös ausgeführt sein kann und wie unfassbar flach die Scherze der Wirklichkeit eigentlich herumalbern dürfen.

Und zwar geht es um das alte Genre des Witzes mit Nachnamen. Dafür ist der Dr. Grabow bei Thomas Mann nun gerade kein gutes Beispiel, der kommt eher harmlos daher und einen Scherz kann ich in seinem Namen nicht erkennen. Auch nicht mit Lübecker Orts- und Spezialkenntnis. Die Welt der Erzählungen bietet jedoch genug Beispiele für manchmal mühsam durchdacht erfundene Nachnamen der Figuren, die in der Sekundärliteratur dann seitenlang ausgedeutet werden und Gott weiß welche tiefe Bedeutung tragen.

Als ich damals nach dem Abitur von Lübeck nach Hamburg zog, suchte ich mir einen Hausarzt um die Ecke. Das machte man damals noch so, man ging einfach irgendwo hin. Die Praxen nahmen in jenen Jahren noch alle Patienten auf, es war noch lange kein Thema, dass sie überfüllt sein könnten, dass man eine Ärztin oder einen Arzt lange suchen musste. Dieser Arzt hieß Dr. Lau.

Als ich einige Jahre später während meiner ersten Ehe aufs Land zog, suchte ich mir in der kleinen Stadt ebenfalls einen Arzt, und natürlich nach der gleichen Methode. Ich ging also einfach da rein, wo Arzt dranstand. Und dieser Arzt hieß dann Dr. Mau.

Das ist alles. Aber heute noch, mehrere Jahrzehnte später, sitze ich manchmal so herum und aus dem Nichts fallen mir diese beiden Namen wieder ein. Ich sage sie sie mir dann laut auf, Dr. Lau und Dr. Mau. Ich habe die beiden Namen noch untereinander gestempelt im Impfausweis. Und ich lache recht zuverlässig.

Denn es kann und kann doch alles nicht ernstgemeint sein. Wenn so etwas da draußen möglich ist, außerhalb eines Drehbuchs oder eines Romans.

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Ansonsten heute nur ein paar Links, ich erlebe gerade nichts. Wenn Sie nur Zeit für einen Link haben, nehmen Sie bitte den letzten.

Ein Tagesschau-Video: Annette Dittert über fünf Jahre Brexit.

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Ein weiterer Aspekt der so unterirdisch niveaulos diskutierten Frage, welcher Mensch sich mit wessen Genehmigung wohin bewegen darf oder soll: Über den auch durch Europa ausgelösten Pflegenotstand in Ghana. Audio vom Deutschlandfunk, sechs Minuten.

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Ein Kalenderblatt über den lettischen Widerstandskämpfer Janis Lipke. Fünf Minuten Antifa, so viel Zeit muss auch sein.

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Der US-Autor Garrett Graff schreibt über den Putsch durch Musk: “Imagining how we’d cover overseas what’s happening to the U.S. right now.” (Via Katharina Borchert auf Bluesky)

Nach der Lektüre vielleicht auch kurz überlegen, wie deutsche Medien über die ersten Tage der neuen Präsidentschaft berichtet haben. Mit welcher Vorsicht,  mit welch überaus dezenten Formulierungen.

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Mit Ach und Weh

Am Donnerstag und Freitag habe ich ausgiebig herumgekränkelt, bei klarem und auch unerfreulich schnellem Abwärtstrend des Allgemeinzustandes und nicht ohne zwischendurch noch die Herzdame anzustecken, man will auch nicht allein leiden.

Bis ich etwa da ankam, wo ich zuletzt bei der ersten Covid-Infektion war. Eine solche ist es nun nicht, aber normale Infekte können es auch in sich haben. Es fällt einem dann wieder ein, was fast schon vergessen war. Ich habe noch Glück, ich habe so etwas selten und nicht quartalsweise, so wie viele andere.

Aber es gilt selbstverständlich, was die Tante Jolesch bei Friedrich Torberg sagte: „Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist.“ Könnte man auch mal wieder lesen, dieses Buch, muss man da nebenbei notieren.

Herumgelegen also. Mit Ach und Weh. Zwischendurch viel geschlafen, unruhige Fiebernickerchen, durchjagende Albträumchen und wirre Visionen, Sie kennen das. Was man so macht, wenn man krank ist. Sogar die Fieberbiber fielen mir zwischendurch wieder ein, aber diesen abgefahrenen Bezug verstehen vermutlich nur noch gestandene Bloggeria-Veteraninnen und Internet-Silverbacks. Those were the days, my friend, we thought they never end.

Zwischendurch immer mal wieder die Nachrichten mitgelesen. Wobei sich zeigte, dass die einigermaßen abgedrehte Nachrichtenlage, die zu durchleben wir gerade unangenehmerweise genötigt werden, sich teils von fiebrigen Träumen nicht mehr recht unterscheiden ließ und diese wiederum auch höchst ungebeten anreicherte.

Es kam mir auf diese Art alles vielleicht noch etwas verrückter und auch bedrohlicher vor als Ihnen. Und das will vermutlich etwas heißen, in diesen Tagen des freiheitlich-demokratischen Verfalls.

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Zwischendurch Marianne Faithfull winken. Auch wichtig.

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Und immer weiter die Lektionen von Ian McEwan gehört, wenn auch mit einigen Lücken, da ich zu oft einschlafe, wenn ich mich liegend mit Hörbüchern beschäftige. Es ist, wie bereits erwähnt, ein langes Hörbuch. Ich habe lange keines mehr mit einem solchen Umfang gehört.

Literarisch würde ich dem Autor mittlerweile einige freundliche Vorwürfe machen wollen. So wird etwa neben der Romanhandlung nennenswert zu viel Geschichtsunterricht eingebaut, manchmal eher lose mit der Handlung verwoben. Von wegen „show, don’t tell“, das wird hier teils ad absurdum geführt.

Aber die Vorwürfe muss ich gar nicht machen, denn auch der Geschichtsunterricht interessiert mich und ich höre also noch einmal nach, wie es damals mit der Kubakrise war, wie mit Tschernobyl oder auch mit dem aufkommenden Thatcherismus. Und ich finde alles interessant, da muss ich nicht meckern.

Kann ich das wenigstens bei einem Thema noch sagen.

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Noch dies und jenes versuchen

Gehört: Bei der Reihe „Zwischentöne“ kann ich mir auch einige der alten Sendungen anhören, dachte ich mir, und begann mit Wolf Lotter, aus dem Mai des letzten Jahres. Da geht es u.a. kurz um die lateinische Phrase nulla dies sine linea, kein Tag ohne Zeile, bzw. Linie.

Die Wendung wird auf dieser Wikipedia-Seite kurz erläutert und passt mir, wie man sich vorstellen kann, gut. Lotter sagt da: „Ein, zwei Stunden Schreiben, das braucht es, um den Kopf in einen Zustand zu bringen, um so denken zu können, wie ich es gerne hätte.“

Jo. So ist es, ich schließe mich an. Wie ich ab und zu an anderer Stelle sage, ohne das regelmäßige morgendliche Schreiben wäre ich vermutlich schon aus dem Verkehr gezogen worden. Man muss sich die Hilfsmittel zurechtlegen, wie man nur kann.

Interessant aber auch, dass Wolf Lotter das Recht auf Home-Office mit der Emanzipation des Individuums zusammenbringt, das sagte mir ebenfalls zu.

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Ansonsten im Laufe des Tages schleichend leicht angegrippt. Ab dem frühen Nachmittag erste Anzeichen von Schüttelfrost, Halsschmerzen etc. und von da an abwärts, man kennt das. Das stündlich zunehmende Krankheitsgefühl passte dann unangenehm gut zur Politik in diesem Land. Auch gewisse Werte und die Demokratie sind nicht mehr im besten Zustand. Die haben aber auch in den letzten Jahren unübersehbar abgebaut, wie wir alle bemerkt haben werden. Etwas hinfällig wirken sie mittlerweile, etwas angeschlagen, wenn nicht sogar deutlich pflegebedürftig. Die kommen ohne Hilfe doch gar nicht mehr klar, denkt man immer öfter.

Man könnte sich bei den negativen Formulierungen dieser Art noch weiter steigern, und bei gewissen Parteien habe ich ohnehin kaum noch Hoffnung auf Besserung. Das war es dann wohl.

Andererseits hilft uns die fatalistische Haltung nicht mehr weiter, wie wir ebenfalls alle wissen. Die Mühen der Ebene oder der Berge, wo sind wir eigentlich. Offene Feldschlacht und die Kunst des Krieges, allmähliche Verfertigung, Kaizen, alerta, alerta, was auch immer. To muddle through and to keep buggering on, wie in den letzten Wochen bereits für dieses Jahr vorgemerkt. Wir können aus den Geschichtsbüchern keinen Berechtigungsschein auf eine uns genehme und sich progressiv entwickelnde Weltlage ableiten, wie es aussieht. Es wirkte nur eine Weile lang so, und wir wollten es wohl auch zu lange glauben.

Jeder also wo, wie und was er kann, um es kurz zu fassen. Mit Bandenbildung und allem. Wir wollen uns doch etwas Mühe geben, wollen wir nicht?

Mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit wird sich mein Befinden allerdings in wenigen Tagen bereits deutlich verbessern, vielleicht sogar schon in Stunden. Wie es bei gewöhnlichen Infekten so ist. Beim Land, bei den Werten und bei der Demokratie wäre das in dieser Geschwindigkeit eine Wunderheilung, damit rechne ich nicht.

Es sind doch eher chronifizierte Gebrechen, die einer komplizierten Langzeittherapie bedürfen, und ein Ende ist auch nicht abzusehen. Die diagnostizierenden Fachleute machen vage Gesten der Unbestimmtheit und wissen noch nicht recht. Sie gucken mehrheitlich eher skeptisch als optimistisch, legen sich aber nicht fest. Noch dies und jenes versuchen, sagen sie, man will dann auch nicht ausgelassen haben. Wohin aber schickt man Länder, Werte und Systeme zur Kur?

Darüber heute ein wenig im Bett nachdenken. Ich lege mich wieder hin.

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Nicht gut, nur besser

Home-Office der turbulenten Art am Dienstag. Sofern man sich Arbeit am Schreibtisch in einer turbulenten Ausprägung überhaupt vorstellen kann. Immerhin, und da haben wir also wieder ein Immerhin erbeutet, so sagen wir es uns ab und zu gegenseitig während der Arbeit auf, immerhin geht es bei uns nicht um Menschenleben oder verderbliche Lebensmittel. Und dann geht’s ja noch. Sagen wir uns also vor und machen dann einfach weiter, ohne eine etwaige beruhigende Wirkung erst abzuwarten.

Aber es klingt doch irgendwie tröstlich, für einen Moment. In anderen Berufen haben sie echtere Probleme.

Während der Bürostunden wird es draußen heller als sonst, wärmer auch, freundlicher. Ich ahne es allerdings zunächst nur, es ist etwas hinter meinem Rücken, das sich ändert. Ich sehe selbstverständlich auf den Bildschirm, es ist nur so eine Ahnung. Der Kontrollgang auf den Balkon bestätigt meine Vermutung dann Stunden später: Massive Vorfrühlingsverschärfung. Der Himmel sieht heute aus wie aufgestockt, dem Blau wurden große Mengen Grauanteil entzogen, was entstehen da oben für Möglichkeiten.

Raum für neue Jahreszeiten vielleicht. In den Nachrichten sehe ich außerdem kleine Meldungen über verfrühte Vogelzugbeobachtungen und in den kleinen Beeten am Rand der Fußwege, in den städtischen Hundeklos sprießt das Unkraut in frischem Grün und drängelt sich schon. Hier und da sind auch Menschen im Bild, die seltsam entspannt aussehen.

Ein Paar sitzt auf dem gepflasterten Ufer der Kleinen Alster und sieht auf die Alterarkaden

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Falls Sie neulich meiner Empfehlung (hier) gefolgt sind und sich die dort verlinkte Meyerhoff-Lesung zur Belebung Ihrer Laune angehört haben, es gibt auch eine Folge der angenehm entspannten Radioreihe „Zwischentöne“ mit ihm. Ganz frisch ist sie noch, diese Sendung, und sie passt hervorragend hinter das Lesevergnügen.

Man hört ihm gerne zu, denke ich. 67 Minuten, auf den Wegen zum Discounter und zu anderen Läden habe ich das gehört, und feine Unterhaltung beim Alltagsprogramm war es.

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Gesehen: Eine Doku bei arte über Roy Orbison, noch einmal eine Stunde ohne Politik. Ich sammele es mir so zusammen, im Moment sogar ziemlich berechnend, tatsächlich mit Blick auf die Uhr. Es muss genug vom Tag eher unbelastet sein, dann kann mit dem Rest besser umgegangen werden. Obwohl ich es, das ist auch klar, nicht schaffen werde, gut damit umgehen zu können.

Nicht gut, nur besser. Die Zeiten drängen zu seltsamen Feststellungen.

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Gonna be a long Monday

Gonna be a long Monday, sang ich am sehr frühen Montagmorgen leise unter der Dusche, denn Du sollst Deinen John Prine ehren und situativ korrekt anbringen, wo immer es geht.

“Gonna be a long Monday

Stuck like the tick of a clock

That’s come unwound – again.”

„Der Regen beginnt in 25 Minuten“, sagte die Wetter-App bei meinem ersten Blick darauf. Eine Botschaft, nach der man gewohnt hamburgisch eingenordet ist, noch bevor man vom Draußen irgendetwas wahrgenommen hat. Nach 24 Minuten dann die ersten Tropfen auf dem Dach; ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.

Ich sah aus dem Fenster. Ein Notarztwagen fuhr mit sich drehendem Blaulicht langsam die Straße entlang. An der Kirche vorbei, einmal um den Block und wieder unter meinem Fenster durch, Schrittgeschwindigkeit nur. Das blaue Flackern spiegelte sich in den Pfützen auf der Straße und in den noch dunklen Fenstern. Vermutlich wurde da eine Hausnummer gesucht, der Mensch auf dem Beifahrersitz hatte die Scheibe heruntergefahren und sich hinausgelehnt, sah sich um. Immerhin kommen die nicht wegen mir, dachte ich, um auch diesen Tag mit einem gekonnt eingefädelten Immerhin zu beginnen. Man muss sich psychologisch hier und da zu helfen wissen.

Kalendarisch und meteorologisch verortet, so sicherte ich meine Rahmenbedingungen ab und begab mich in weitere Gewissheiten. Danach erst die Nachrichtenseiten, danach erst das ganze Elend. Dann das Home-Office, die aufgewärmten Arbeitsreste der letzten Woche. Wobei es sich mit dem Aufwärmen von Arbeit nicht wie beim Gulasch verhält, es ist keine zuverlässige Steigerung des Genusses zu erwarten.

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Gesehen: Eine arte-Doku über die Katharina Blum von Heinrich Böll: „Das Erbe einer Erzählung.“ Auch dann interessant, wenn einem die Erzählung damals im Deutschunterricht gründlich versaut worden ist.

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Die Kaltmamsell erklärt uns noch einmal das mit der VG Wort und den Blogs.

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Und zweimal gab es gerade Interviews mit Christian Drosten, die Älteren erinnern sich, einmal in der taz zum Lesen und einmal zum Hören im Radio. Es fühlt sich an, als sei es enorm lange her, dass die in diesen Interviews behandelten Themen noch an der Tagesordnung in allen Medien waren, dass wir alle über wenig anderes sprachen und schrieben. Auch nach mittlerweile fünf Jahren bleibt es dabei, dass der Pandemiebeginn damals nicht nur meinem, sondern vermutlich unserem Zeitgefühl einen schweren und wohl irreparablen Schaden zugefügt hat. Seitdem ist und war alles irgendwann, genauere Einschätzungen sind schwierig.

Und damit ab in den Tunnel der Restwoche. Und die hört auch irgendwann auf.

Die U-Bahn-Röhre des U2-Tunnels im Hauptbahnhof

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Kartoffelsuppe, Dokus, Podcasts

Den Sonntag habe ich halb tatenlos vergrübelt, weil eine Kolumne einigermaßen dringend zu schreiben war und meine Kreativität zunächst etwas außerplanmäßig untertourig lief. „Is this a deadline, which I see before me?” Wie schon der geplagte Freiberufler Macbeth bei Shakespeare bangend fragte.

Den Rest des Tages habe ich dann mit Kochen (Kartoffelsuppe), Dokus und Podcasts verbracht, es hätte also schlimmer kommen können. Ab und zu habe ich mich außerdem leicht vor der kommenden Woche gegruselt. So wurde mir nicht langweilig und die Stimmung glitt nicht in allzu entspannte Bereiche ab, man kommt da sonst auch schwer wieder heraus.

Außerdem bin ich wie immer lange draußen herumgelaufen (Regen, Kälte, das ganze Programm wieder) und habe dabei das Hörbuch laufen lassen, Ian McEwans Lektionen, das immer noch gut und ablenkend ist. Denn ablenken muss man sich für einige Stunden pro Tag in diesen Zeiten. Schon ein kurzer Nebenbeiblick auf irgendeinen Bildschirm und die abgebildete Nachrichtenlage darauf verdirbt die Laune doch recht zuverlässig.

Da, wo man im Stadtteil gerade eine Turnhalle abgerissen hat, im Zweifelsfalle bei uns immer, um ein neues Hotel zu bauen, sieht man nun ein größeres Graffiti.

Ein großes Graffiti an einer Mauer hinter einer Brachfläche: "Gentrifizierung vorantreiben!"

Abends weitere Erzählungen von Alice Munro im Bett. Und so verging meine Zeit, die am Sonntag mir gegeben war.

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Gerne gesehen: Eine ARD-Doku, bei der man schon wieder etwas bemüht an aktuellen politischen Fragen vorbeidenken muss. Wenn man das hinbekommt, dann ist die Sendung immerhin entspannt zu betrachten: Menschen am Rande der Welt – Grönland. Über einen kleinen Ort weit draußen, jenseits von allem, irgendwo hinterm Eis. 40 Häuser nur, von denen im Winter nur zehn bewohnt sind. Mit Schule, Kirche und Handel, was man so braucht.

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Gehört: Eine Ergänzung noch zur neulich verlinkten Sendung über die Eisschmelze im Klimawandel: Bayerns Gletscher sind verloren. Und zwar sind sie demnächst verloren, wenn nicht sogar sofort, unverzüglich.

Außerdem hörte ich am Wochenende zwei längere Sendungen. Eine vom Deutschlandfunk über Geschichte und Gegenwart der Baltischen Staaten: Mit feindseligen Nachbarn kennen sie sich aus. 44 Minuten sind das. Ich fand die Folge lehrreich, denn es gab, wie ich leider merkte, erstaunlich große, wenn nicht schon peinliche Wissenslücken bei mir. Besonders aus der Zeit des Umbruchs nach dem Sowjetreich.

Aber gut, es war damals auch eine stark beschleunigte, enorm ereignisreiche Zeit. So eine aufgeladene Zeit, wie wir sie gerade wieder ähnlich erleben. Und vielleicht war es damals so schwer wie heute, bei allem hinterherzukommen, obwohl wir noch nicht den ganzen Tag am Internet hingen. Ich kann mich aber nicht ausreichend erinnern.

In Bezug auf die Sowjetunion fiel jedenfalls in der Sendung der wunderbar lapidare Satz: „Es war alles für immer, bis es vorbei war.

Die zweite längere Sendung war wieder der Podcast von Carolin Ehmke, „In aller Ruhe“, diesmal mit dem angenehm nüchternen Politwissenschaftler Volker Perthes, über die Lage in den USA und in Nahost, in Syrien.

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Gelesen: Sicher etwas um die Ecke gedacht, aber man kann sich küchenpsychologisch eine Linie denken, von den in den letzten Tagen hier geposteten Links und all den wüsten Meldungen in den Nachrichten über die Lage in den USA zum sich gerade belebenden Offline-Trend des Junk-Journalings. Ich finde es einigermaßen naheliegend.

Es spricht mich nicht an, aber ich kann den Reiz nachvollziehen.

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Eine anspruchsvolle Challenge

Regen auf der Dienstfahrt, Regen dann auch am nächsten Tag. Regen in Bonn, Regen in Hamburg und überall auf der Strecke dazwischen, ein nasses Land. Am zumindest theoretisch so schönen Rhein, im Ruhrgebiet, in Münster, in Osnabrück und selbstverständlich in Bremen, in Harburg. Und in Hamburg-Mitte erst recht.

Regen am Abend, Regen in der Nacht und Regen am Morgen. Da hatte man in den letzten Tagen etwas überaus Verlässliches. Da hatte man eine verlässliche Konstante in unseren zerfaserten Zeiten der Umbrüche. Und wenn man es so sah, wenn man es nur angestrengt genug auf genau diese Art betrachtete, dann gewann der Regen fast einen positiven Aspekt. Aber zugegeben, einfach war das nicht, sich dabei geistig stets auf Kurs zu halten, etwa während man gerade zum fünften Mal am Tag nass wurde.

Es war vielmehr in dieser Endlosschleife etwas herausfordernd. Aber egal, die Challenge heißt nun einmal Januar, so ging es auch als Meme mehrfach durch meine Timelines. Die überaus anspruchsvolle Challenge, bei der man jeden Tag dieses Monats hinter sich bringen muss.

In der Ferne bellte ein Sohn, während ich die letzten drei Absätze schrieb. Irgendwer ist hier an jedem Tag jahreszeitenkonform krank. Denn das Virenkarussell, das fährt immer, immer, immer rundherum. Und das gehört auch zur Szenerie, zur Zeit und also zur Challenge.

1942 oder 1943 war das, die Quellen sind sich nicht einig.

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Am Sonnabendnachmittag dann aber die gänzlich unvermutete Wende. Aufreißender Himmel und eine Helligkeit, die der Stadt seltsam lange erhalten blieb.  Zum ersten Mal wieder Licht zu meiner Spaziergangszeit. Zum ersten Mal wieder einige Motive nebenbei gesehen. Zwischendurch habe ich verwundert und sicherheitshalber die Uhr geprüft, wie passte das eigentlich alles zusammen.

Das Alsterboot "Goldbek" am Anleger Jungfernstieg, blaue Stunde, weiter Himmel

Dennoch keine Vorfrühlingsstimmung ansonsten. Haselblüte hin oder her, das nun doch nicht. Es war noch nicht diese besondere Licht- und Luftveränderung, die wir alle stets am gleichen Tag wahrnehmen, wenn wir die auf einmal laue Luft prüfen, saisonale Witterung aufnehmend wie jene wintergeplagten und ausgehungerten Frühmenschen, die in uns immer noch angelegt sind. Nein, das noch nicht.

Obwohl es in der letzten Woche immerhin schon zwei, drei Momente gab, ganz kurze Momente, schon mit etwas seltsam lieblich klingendem Vogelsang dabei – aber sie waren noch nicht lang und nicht annähernd intensiv genug, diese Momente.

Nein, es kommt alles noch. Vor den Blumenläden die Tulpen, die müssen uns erst einmal reichen.

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Gelesen:

The pathetic billionaire’s club: Paul Krugman über die amerikanischen Milliardäre und über Fuck-Me-Money. Im Abspann zeigt er Tears for fears mit dem Song “Everybody wants to rule the world” auf Latein: “Omnes optant mundum regere.”

Warum auch nicht. Bzw. lateinisch: Quin. Sagen jedenfalls die entsprechenden Dienste. Gewusst hätte ich es selbstverständlich nicht, das Latinum ist etwas länger her und leider hat kein Sohn in der Schule Latein gewählt, keine Chance zur Auffrischung für mich. Ich fand es etwas schade.

Heather Cox Richardson schlägt uns den Bogen von der Ardennenoffensive bis zu Trump. Nebenbei noch nachgelesen: Diese Autorin ist eine erfolgreichsten Newsletter-Schreiberinnen überhaupt, auch in finanzieller Hinsicht. Hier der Wikipedia-Eintrag dazu, mit aus deutscher Sicht erstaunlichen Zahlen.

„Algospeak“ ist das neue und mir wichtig vorkommende Wort für die codifizierte Sprache des Widerstandes auf den Plattformen in den USA: „Why everyone on TikTok is talking about „cute winter boots.

Man wird diesen Begriff jetzt schon für die Geschichtsbücher vormerken können, da können wir sicher sein. Und ein wenig schade finde ich es gerade, dass ich die Szenen, Absätze und Augenblicke, in denen diversen Bloggerinnen, Podcasterinnen und anderen online präsenten Menschen aus den USA in den letzten Tagen klar wurde, dass sie nun im Widerstand sind, nicht rechtzeitig ausgeschnitten, abgelegt und gesammelt habe.

Es wäre eine bewegende Sammlung geworden, denke ich, aber sicher macht das noch irgendwer. Vielleicht mit einem Zitat in der Überschrift, das in mehreren dieser Artikel und Aufnahmen vorkam, als es um die Maßnahmen und die Situation ging, um die kommende Zeit auch: „… for the dark days ahead.“

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Ansonsten immer weiter im Hörbuch „Lektionen“ von Ian McEwan. Weiterhin sehr angetan davon. Wunderbar ablenkend ist das, und es sind noch viele Stunden vor mir, eine üppige Restlaufzeit.

Wie neulich bereits erwähnt, ich höre die Bücher, das passt noch zu meinen gestrigen Links, nicht mehr über Spotify, sondern mittlerweile durchweg über die Dienste der öffentlichen Bibliotheken oder über die ARD-Audiothek.

Besser ist das.

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Nachgeholte Links

Am Freitag habe ich, was dann erstaunlich viel Zeit kostete, sich aber gerade eben noch gut anfühlte, den verpassten Alltag der beiden Reisetage nachgeholt. Also den Online-Alltag hauptsächlich, denn mein privates Notebook hatte ich nicht mit. Nach mehr als zwei Tagen, habe ich dabei gemerkt, würde ich es sicher nicht mehr schaffen, meinen Quellen noch hinterherzulesen. Da könnte ich nur noch alles abhaken und durchwinken, mark all as read. Zu stark die Informationsflut, zu schnell die Entwicklungen.

Und es würde auch nichts ausmachen, das ist klar. Es gibt schließlich keine Pflicht, jeden Tag alles mitzubekommen, es gibt nur diese Neigung. Aber Neigungen … letztlich auch Naturgewalten.

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Herzlichen Dank für die freundliche Zusendung des neulich erwähnten Buchs von Timothy Snyder „Über Tyrannei – Zwanzig Lektionen für den Widerstand.“ Deutsch von Andreas Wirthenson, hier die Perlentaucher-Seite dazu.

Eine leider zeitgemäße Weiterbildung wird das sein, und als Bettlektüre eventuell vollkommen ungeeignet. Egal, ich werde andere Lesesituationen finden oder erfinden.

Das Buch "Über Tyrannei" von Timothy Snyder

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In der New York Times sah ich außerdem einen Hinweis auf ein Buch von Dorian Lynskey, das noch nicht auf Deutsch vorliegt, aber vermutlich ebenfalls manche hier interessieren wird: „Everything must go – The stories we tell about the end of the world“ (Link zur Verlagsseite).

Eine 500-seitige Kulturgeschichte unserer apokalyptischen Erzählungen und ihrer Wechselwirkungen mit der Wirklichkeit: „A rich, captivating, and darkly humorous look into the evolution of apocalyptic thought, exploring how film and literature interact with developments in science, politics, and culture, and what factors drive our perennial obsession with the end of the world.”

Zur Erbaulichkeit siehe oben. Und wenn man schon dabei ist: Eine Folge Radiowissen zur Eisschmelze im Klimawandel fand ich informativ und angenehm kompakt. Sie kam mir besonders sinnvoll vor, diese Folge, gerade vor dem Hintergrund all der Meldungen zum reaktionären Rollback in so vielen Ländern. Oder wir nennen wir das Ganze jetzt eigentlich, haben wir uns schon auf einen Begriff für dieses geschichtliche Phänomen vor dem nächsten progressiven Schub geeinigt? Dann habe ich das Ergebnis verpasst. Aber man verpasst im Moment schnell etwas.

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Christian Fischer schreibt konstruktiv zur Lage:

„Wir müssen nur den Staub runter pusten. Wieder ein Blog schreiben, statt in Twitter hinein zu rotzen. Ein paar Unbequemlichkeiten auf uns nehmen: Jemanden auch mal suchen, statt ihn vorgeschlagen zu bekommen. Ein Bild auf der Festplatte suchen, statt es einfach in der App aufzunehmen. Uns unserem Selbst stellen, weil die young-and-glow-Face-Filter noch nicht laufen. Zwei Sekunden auf den Reload warten statt nur eine. Einen Gedanken selbst aufschreiben, statt uns damit zufrieden zu geben, was die KI aus unseren Gedanken-Fragmenten macht.
Denn die Struktur ist immer noch da, wir sind nur noch geblendet von den shiny Möglichkeiten.“

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Konstruktiv ist auch, und ich weiß leider nicht mehr, wer es wo empfohlen hat, das Opt-Out-Project, bei dem man eine Menge nachlesen und umsetzen kann.

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Unbedingt noch ein angenehmeres Thema einbauen, schon klar: Ein Zeitzeichen zu Django Reinhardt beim WDR: Der Mann, der Europa den Jazz brachte.

Hier ist der Großmeister auch im Film. Man sieht, wie er mit der linken Hand zweifingrig spielt. Die anderen Finger waren nach einem Brandunfall gelähmt.

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Die überragende Qualität der Nachtgedanken: Bonn

Der Work-Song von Dan Reeder passt wieder einmal, man kann ihn im Hintergrund laufen lassen, angemessene Textbegeleitung.

Ich bin in dem Ort gewesen, der früher und so tief aus der Kindheit eingeprägt mit dem Beginn der Tagesschau verbunden war, die damals noch in jedem Wohnzimmer lief: Bonn.

In früher Kindheit war es das Wort, mit dem für mich der Abend beendet war, jetzt aber husch, husch ins Bett. Vielleicht war ich deswegen durchgehend so wahnsinnig müde auf dieser Kurzreise. Wir wurden im Westen alle früh und erfolgreich auf diese Art konditioniert, man kommt nur schwer dagegen an.

Erstaunlich lange braucht man, um von Hamburg nach Bonn zu reisen. Gefühlt müsste man am Ende einer Bahnfahrt von sieben Stunden mindestens in München sein. Wenn nicht noch etwas weiter, schon in Richtung Südtirol vielleicht, schon unterwegs in Richtung Urlaub, aber ich schweife ab. Es ist jedenfalls etwas verwirrend. Wie geht das zu, ist diese Stadt am Ende nicht gut erreichbar?

Aber gut, der zweite Zug nach dem Umsteigen hatte eine enorme Verspätung, die im 5-Minuten-Takt fortwährend erweitert wurde. Es war ein wenig erwartungsgemäß und ich würde lieber anderes berichten. Aber die Infrastruktur, aber die Schuldenbremse, aber die Lage.

Fast eine Stunde stand ich in Köln im Bahnhof und am Gleis herum, wo es kalt und zugig und nass war. Neben mir und um mich herum etliche andere frierende, knurrende Menschen, die teils laut, teils leise wüste Verwünschungen von sich gaben. Immerhin kam mir zwischendurch der Gedanke, dass ich in dieser Stadt mehrere nette Einwohnerinnen kenne, und das ist nicht nichts.

In Bonn dann etliche Meetings und dergleichen. Was man so macht, Sie kennen das. Zumindest wenn Sie auch einen Bürojob haben, dann kennen Sie das. Etwas anspruchsvoller als sonst ging es an diesen beiden Tagen zu. Etwas fordernder auch, etwas komplexer, etwas ermüdender. Aber in etlichen Momenten auch netter.

Gestapelte Konferenzraumstuehle

In der Nähe des Bonner Büros floss der Rhein, sah ich zwischendurch auf dem Smartphone, als ich kurz checkte, wo ich eigentlich war, denn das ist auch manchmal interessant. Ich konnte den Fluss aber im weiten Grau und im Regen vor dem Konferenzraumfenster nicht ausmachen. Na, er wird schon dort gewesen sein, wo er verzeichnet war. Es kommen sonst Eilmeldungen, wenn ein Fluss nicht mehr dort ist, wo er hingehört.

Ein Foto aus einem Bürofenster schickte ich zwischendurch einem Sohn, der, warum auch immer, dachte, ich sei in Paris oder Wien. Dieses Bild bewies dann natürlich gar nichts. Hochhäuser und einige Bürobauten, kahle Bäume und ein seltsamer Spiegeleffekt in der Scheibe, vor der ich stand. Der Sohn fragte zurück, ob ich gerade in einer Simulation sei und ich hatte keine Zeit, darüber spontan sieben Seiten Text zu schreiben. Das war etwas schade, denn mir war sehr danach.

Über meinem Bonner Bett in der Business-Class-Bude für die Business-Trip-Bande stand das Wort „Götterfunken“ zusammenhangslos und groß und auf Glas an der Wand. Eine Erweiterung des Self-Service-Prinzips, man musste sich die allfälligen Bezüge zum in dieser Stadt an jeder Ecke vorkommenden Komponisten oder aber zur überragenden Qualität der eigenen Nachtgedanken erst selbst herbeiassoziieren. Wobei man immerhin gut einschlafen kann, wie ich merkte.

Vor dem Hotelfenster in der Bonner Nacht ein Orient-Teppich-Laden im Regen, sah ich am nächsten Morgen. Dann ein Schaufenster, in dem irgendwas mit Shisha stand, außerdem ein Geschäft, das Druckwelle hieß. Am Ende wird es wieder ein besonders humoriger Friseur gewesen sein.

Auf der Taxifahrt in dieses Hotel habe ich am Abend vorher kurz die Schaufenster der „Bonner-Ballett-Boutique“ vorbeifliegen sehen, und vor dem Restaurantbesuch sah ich für einen Moment das Alte Rathaus. Was dann das ästhetische Highlight dieser Reise war.

Ich aß außerdem zum ersten Mal Döppekooche, Kesselkuchen mit Apfelmus. Man kennt das Gericht auch unter mehreren anderen Namen. Ich habe mich also etwas weitergebildet, so soll es auf Reisen doch sein. Wenn man den ganzen Tag kaum etwas gegessen hat, weil es nicht einmal die üblichen Konferenzraumkekse in der Discounterversion gab, ist es ein angemessenes Rettungsessen am Abend.

Ein kurzes Stück Fußgängerzone in der Innenstadt sah ich noch. Ich hätte es aber nicht von der mir halbwegs vertrauten Fußgängerzone in Minden unterscheiden können. Bonn, Minden, Hauptsache Stadt, man kann Reisezielen auf Business-Trips nicht gerecht werden.

Viele Wahlplakate hingen da jedenfalls, deutlich mehr als bei uns im Hamburger Stadtteil. Man kann in Bonn den Herrn Streeck wählen, lernte ich auf diese Art, aber man muss immerhin nicht. Dafür auch dankbar sein, die Freiheiten stets zur Kenntnis nehmen und würdigen. Dann das Ende einer Dienstfahrt.

Wie auch immer. Sonst hat mich in Bonn nichts weiter erregt oder betrübt, um kurz den geschätzten Ringelnatz situationsgerecht zu verbiegen. Ich kann nach diesem kurzen Aufenthalt also die alte und sicher große Frage, warum es am Rhein so schön ist, weder abschließend beantworten noch auch nur die inkludierte Grundannahme bestätigen.

Was schließt man daraus? Wiedervorlage in ein paar Wochen, nehme ich an. Ich werde berichten.

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Makel und Bewährung

Den Dienstag habe ich komplett an etliche To-Dos verplempert. Home-Office und anschließend Termine für oder mit der jüngeren und auch der älteren Generation, die organisatorischen Freuden derer in der Mitte. Alles nicht schlimm, alles kein Ding, es fügt sich nur manchmal ungünstig.

Zwischendurch auch in einer Arztpraxis gewesen, in der alle Maske trugen, ein solches Bild hatte ich schon lange nicht mehr gesehen.

Drei Stunden des Herumlaufens fühlten sich am Ende wie ein ganzer Tag auf den Beinen an. Dann noch eingekauft und gekocht. Jeder nur ein Formtief, aber jedenfalls jetzt. Und es ist immer noch Januar.

Morgen, es fällt mir gerade ein, wo ich schon bei meinen To-Dos bin, gibt es hier vermutlich keinen Text. Es wird zeitlich wohl nicht passen.

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Gesehen: Eine arte-Sendung über Dalida und ihren Bruder Orlando, bzw. Bruno, es ist einigermaßen kompliziert in ihrer Familie. Aber in welcher wäre es das nicht.

Ich schätze Dalida sehr und verweise gerne auf eines ihrer traurigsten Lieder. Vielleicht ist es auch eines der traurigsten Lieder überhaupt, mit einem großartigen Text (Daniel Faure) in dem man, je nach Lebensphase, verschiedene bittere Wahrheiten liest oder hört. In depressiven Phasen ist es unbedingt weiträumig zu umkurven, dieses Lied. Aber wunderbar ist es doch.


Und falls traurige Lieder und Dalida für Sie interessant sind, man findet auf Youtube auch einen weiteren Anwärter für die Topliga der allertraurigsten Texte, nämlich Avec le temps von Léo Ferré in ihrer Version.


Aber gut, da muss man dann fast zwingend auch das Original zeigen, um den Maßstab zu verstehen, mit dem singenden alten Zausel am Ende seiner Liebeserfahrung. Und davon muss man sich anschließend erst einmal wieder davon erholen.

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Ein neues Hörbuch habe ich außerdem zwischen Pontius und Pilates angefangen, und ich glaube, es gefällt mir gut: „Lektionen“ von Ian McEwan, Deutsch von Bernhard Robben. Hier die Perlentaucherseite dazu. Es hat eine erzählerische Ruhe, einen langen Atem, den ich wohltuend finde. Gerade im Gegensatz zu den sich in dieser Woche noch einmal beschleunigenden Nachrichten aus aller Welt.

Die Hauptfigur des Romans ist laut der einen Rezension beim Perlentaucher jemand, der Makel hat, sich aber hin und wieder bewährt. Und das möchte man im Rückblick irgendwann auch von sich sagen können, nehme ich an. Dass man so ein Typ war, der Makel hatte, sich aber hin und wieder bewährt hat.

Es ist ein Benchmark, mit dem man vielleicht klarkommen kann. Und außerdem ist es eine weitere interessante Option für realistisch betextete Grabsteine.

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