Kaffee, Kuchen, Kassandra

Gehört, mit nennenswert mehr Bezug zum eigenen Leben, als ich zunächst angenommen hatte: Eine alte Folge Radiowissen, dort doch noch etwas gefunden, über Kassandra. Die unerhörte Seherin aus Troja.

Danach habe ich unwillkürlich noch lange über die Kassandra-Momente im eigenen Leben nachgedacht. Es wird ihnen vielleicht auch so gehen, wir haben sicher alle welche gehabt. Und wenn man erst ein gewisses Alter erreicht hat, blickt man womöglich oder wahrscheinlich sogar auf mehr als nur eine markante Vorhersage zurück, die deutlich im Gedächtnis blieb. Auf diese paar Vorhersagen, bei denen man richtig lag, erstaunlich goldrichtig mitunter, vielleicht ausdrücklich gegen die Mehrheitsmeinung. Was sich dann im Nachhinein besonders wertvoll anfühlt. Da doch einmal gründlich Recht gehabt! Und wie! Topchecker, der ich bin!

So ging es mir in den letzten Monaten bereits mehrfach, noch vor dem Hören dieser Sendung. Denn es kamen in verschiedenen Kontextsituationen derartige Themen und Einschätzungen aus der Vergangenheit zur Sprache und zur teils eingehenden Revision. Es boten sich bei manchen Themen umfassende Rückschauen und auch etwas Erinnerungsarbeit an. Ich weiß nicht recht, wie es dazu kam, es lag vielleicht in der Luft. Obwohl es jahreszeitlich noch nicht zu passen schien, der Sommer ist für mich keine Zeit der ausdrücklichen Erinnerungsarbeit. Aber egal.

Das ging jedenfalls so weit, dass ich in einem seltenen Moment von Zufriedenheit mit meinem Denkvermögen feststellen konnte – so schlecht in der Trenderkennung war ich in den letzten Jahrzehnten wahrhaftig nicht. Eher im Gegenteil. Was allerdings, so viel sofortige Verdunkelung der Stimmung muss sein, weiß Gott keine gute Erkenntnis für uns alle ist.

Warum, werden Sie da vielleicht fragen. Aber ich kann es unmöglich weiter ausführen, Teile der Antwort würden Sie verunsichern. Falls Sie sich an dieses Zitat überhaupt noch erinnern? Natürlich habe ich nachgesehen: 2015 war das, Thomas de Mazière hat es gesagt. Himmel, ist das auch schon so lange her.

Selbstverständlich ist es jedenfalls so, dass wir die vollkommen vergeigten Vorhersagen, die es bei jeder und jedem von uns ebenfalls zahlreich gegeben haben wird, eher nicht mehr parat haben. Dass wir die längst gründlich verdrängt haben, und besser wird es sein.

Ich dachte weiterführend darüber nach, was aktuell meine kassandrischen Vorhersagen wären. Mehr aus Spielerei allerdings, nicht aus aktueller Panik oder neu überbordender Weltuntergangsstimmung. Ich habe beim Pessimismus keinen besonderen Höhepunkt zu verzeichnen, die letzten Jahre haben mich auf alles gut vorbereitet. Ich bin lediglich unaufgeregt normalfatalistisch.

Was aber ein schönes Format wäre, wie mir dabei auffiel: Interviews mit Menschen über ihre dunkelsten Prophezeiungen zu führen. Besonders über die originelleren Varianten natürlich, nicht über die so sattsam bekannten Standards.

Also nicht über die Themen, die wir alle nicht mehr hören können, weil sie täglich wiederholt und sogar schon gelehrt werden, Klimawandel, Artensterben, Feinstaub, Pandemie, resistente Keime etc. Nein, die etwas schrägeren Ideen, die würde ich reizvoll finden.

Ein Pflanzkübel aus Beton an einem Straßenrand, in roter Farbe aufgesprüht: "Godot kommt nicht"

Und diese spezielleren, vielleicht ausdrücklich nischigen, gerne betont berufsspezifischen („Was wird in Ihrer Branche GANZ FURCHTBAR werden?“) und ausdrücklich fachkompetenten Katastrophenvorhersagen dann gemeinsam etwas durchdenken.

Sie vielleicht vorsichtig relativieren, vielleicht auch gruselig vertiefen. Heiteres Weltuntergangsgeplauder, ein gemütliches Stündchen am Nachmittag mit Annahmen zum Schlimmstmöglichen. Kaffee, Kuchen, Kassandra.

Man könnte es entspannt als reines Entertainment auffassen. Denn glauben müsste das alles sowieso niemand. Man müsste sich, was auch immer da zur Sprache kommen sollte, zunächst nicht die geringsten Sorgen darüber machen. Wie immer bei Kassandra. Es gehört schließlich so, eine ehrwürdige Tradition.

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Im Guardian geht es um Flugscham und Overtourism.

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Blick über die Binnenalster in Richtung Rathaus. Eine Frau sitzt im Vordergrund am Ufer, mit dem Rücken zum Betrachter. Sommerabendstímmung.

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15, 17

Am Mittwoch dann der Geburtstag des zweiten Sohnes. Während des morgendlichen Auspustens der Kerzen auf dem Kuchen gibt es draußen Donner, Blitze in schneller Folge und heftige Regengüsse. Es ist quasi ein kleines Starkregenereignis, gleichzeitig sehen wir aber auch Sonnenschein vor den hinteren Fenstern und also einen fantastischen Regenbogen als Sondergabe für den Teenager. Der sich zu früher Uhrzeit für Naturschönheiten aber nur mäßig interessiert.

Vermutlich, nein, sicherlich sogar ist es der wärmste Geburtstag, den der Sohn bisher hatte. Es ist schon am frühen Morgen vollkommen klar, dass es ein weiterer absurder Hitzetag werden wird. Ein Gewitter am Geburtstag haben wir ebenfalls noch nie gehabt, es ist also ein Tag mit mehreren Premieren. Aber der Sohn ist auch noch nie vorher 15 geworden.

15 und 17 sind die Altersstufen der Söhne jetzt. Es lungert eine Gang in dieser Wohnung, besonders wenn sie Besuch haben, was aus ihrer Sicht erfreulich oft der Fall ist. Ich habe häufig keine Ahnung, wie viele Personen gerade in der Wohnung sind, man verliert da schnell den Überblick. Herumhängende Jugendliche, wir hatten das Thema schon einmal.

Egal, die Sachen im Kühlschrank kann man jedenfalls zählen und regelmäßig nachfüllen. Und man braucht als Vater auch Beschäftigung und Bewegung.

Für mich gibt es dann noch einen Bürotag in Hammerbrook, wohin aber aus mir unklaren Gründen an diesem Morgen keine S-Bahnen vom Hauptbahnhof fahren. Ein ungeplanter und einigermaßen eiliger Fußmarsch findet daher nach einer Viertelstunde ungewisser Wartezeit statt, ich hetze ins Büro. Ich könnte und müsste danach schon wieder dringend duschen.

Blick über das algengrüne Wasser des Südkanals in Hammerbrook, Bürohausfassaden am Ufer

Immerhin geht es allen gleich. Der eigene Zustand muss einem heute keineswegs peinlich sein, überall zerfließt man in der Saunaluft. Und spätestens am Nachmittag sieht man es den Menschen in der Stadt wieder mehrheitlich an: Das Wetter ist nicht okay. Der Kreislauf, das Herz, der Blutdruck, die Müdigkeit nach der Tropennacht ohne Abkühlung, alles. Wir haben kollektiv Wetter.

Ich gehe beim trotz allem wiederum stark ausgedehnten Abendspaziergang an der Messe vorbei. Wo gerade die riesige SMM stattfindet, die „Weltleitmesse der maritimen Wirtschaft“, Shipbuilding, Machinery and Marine Technology. Habe ich das auch einmal gelernt.

Das finde ich aber erst später heraus, was da gerade los ist, erst einmal sehe ich nur überraschende Unmengen von Menschen im Business-Dress. Frauen und Männer, unfassbar viele davon, Schwärme und Herden, alle mit QR-Codes auf Pappfetzen um den Hals. Das sind ja Tausende, denke ich, und lese später erst nach, es sind eher Zigtausende. Die Straßen rings um die Messe sind rappelvoll, und viele suchen und winken mit weltweit gültiger Gestik nach Taxis. Die es längst nicht mehr gibt, sie sind vermutlich auf Stunden ausgebucht.

Ich sehe mir diese Menschen an und rate zunächst herum. Die meisten sehen deutlich nach Büro aus, teils auch, das ist vielleicht ebenfalls weltweit gültig, nach IT und anderen Nerdberufen. Hier bitte einen Exkurs über die Bedeutung karierter Herrenhemden dazu denken.

Manche sehen etwas anders aus, eher nach Berufen mit noch mehr Wirklichkeitsanteil, vielleicht nach etwas mit Maschinen etc. Und ich freue mich dann später, dass meine Beobachtungen gar nicht schlecht zur maritimen Wirtschaft passen. Zu den Schiffsbau-Ingenieuren etc. also, zu diesen Leuten, so steht es dann groß am Eingang der Messehallen, welche die maritime Wirtschaft verändern werden.

Natürlich steht es da auf Englisch. Change als Schlagwort wird immer noch gerne genommen und geglaubt, in allen Branchen.

Die Männer in den Anzügen und die Frauen in den Kostümen sind nach einem langen Messetag teils fortgeschritten derangiert. Hier und da muss man von stark verwüsteten Frisuren und Textilien reden. Man kann auf den Straßen um die Messe herum gut ableiten, wie viele Menschen mit solchen Hitzetagen wie in dieser Woche gut umgehen können. Es ist, wenn man die zahllosen und durchweg unversehrt wirkenden Besucherinnen aus Indien nicht mitzählt, mit großer Sicherheit nicht die Mehrheit. Und Anzug und Kostüm sind bei 30 Grad wohl doch nicht mehr die beste Wahl.

Man kann es sehen und ableiten, es drängt sich auf.

Es ist aber auch eine warmbuttrige Luft in diesen Stunden, dass nicht nur ich mich frage, ob gerade jeder bisher gemessene Rekord an Schwüle für Hamburg gebrochen wird. Später am Abend noch ein katastrophenfilmhaft rumpelndes Gewitter über unserem kleinen Bahnhofsviertel, dessen schweres Geschepper wie bestellt zu diesem Tag passt. Das Haus hat nicht gewackelt, der Strom und das Netz fielen keine Sekunde aus, aber es hätte gut gepasst und auch niemanden mehr überrascht.

Man kann natürlich – nie ist man ohne Möglichkeiten! – zur Abkühlung stets die Nachrichten aus all den Gegenden in der Welt lesen, in denen es noch heißer ist als bei uns, in denen noch mehr Rekorde gebrochen werden. Und das mache ich dann auch, Grüße gehen raus etwa nach Kalifornien.

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Auf den Wegen habe ich wieder die Tagebücher von Victor Klemperer gehört und aktuelle Politiknachrichten eher vermieden. Später doch noch nachgelesen, was im Guardian über die deutsche Wirtschaft stand: It’s an analog country in a digital world.

Man nickt mitwissend schon bei der Überschrift und der Rest überrascht ebenfalls eher nicht, wird aber lesenswert zusammengefasst. Dann noch etwas gehört: „Volkswagen ohne Volk – Deutschlands Autobauer in der Krise“. Es passte eher zu gut hinter den Artikel im Guardian.

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Ein handschriftlicher Satz auf einem Zaun: Werde wieder Fan von Deinem eigenen Leben

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Avocados, Mangos, Oliven

Am Dienstag ein Office-Office-Tag in Hammerbrook. Ich habe mir nichts notiert und mir auch nichts gemerkt, es wird vermutlich ein recht normaler Tag gewesen sein. Zu warm natürlich, viel zu warm, wie alle diese Tage.

Morgendlicher Blick über ein Fleet in Hammerbrook

Gehört: Neben den Klemperer-Tagebüchern Eine Sendung über Avocados, über die Umweltschäden, die Bandenkriege. Das ist alles mehr oder weniger bekannt, in dieser geballten Form aber noch einmal neu erschreckend.

In Griechenland probieren sie es währenddessen mit Mangos statt Oliven.

Gelesen: Spanische Touristen fliehen vor der Hitze in den Schwarzwald (via Kaltmamsell). Also der zweite Artikel in kurzer Zeit zur Verlagerung von Reisezielen in den Norden, der Freundeskreis Trendbeobachtung steht am Start und liegt auf der Lauer.

Gelesen am Abend dann weiter in Nicole Seiferts Buch über die Autorinnen der Gruppe 47. Obwohl man es erwartet, dass es eher schrecklich war, wie mit den Frauen umgegangen wurde und wie ihre Werke und Leistungen systematisch herabgewürdigt wurden, war es doch noch schlimmer, noch wesentlich schlimmer. Ein gutes Buch, ein interessantes Buch, erhellend und auch erschütternd, dabei außerdem ein Pageturner von Sachbuch.

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In einem bibliothekarisch anmutenden Nebenprojekt befasse ich mich am Nachmittag gerade mit norddeutschen Bildern aus den beiden Weltkriegen, es geht um die Verschlagwortung von Fotos und Filmen. Und obwohl es ein gutes Projekt ist und eine angenehme Arbeit nach der Arbeit, trägt es thematisch auch nicht gerade zur Heiterkeit bei, wie man sich vorstellen kann.

Zum Ausgleich gehe ich noch mehr als sonst, noch viel mehr. Weite Strecken durch die Stadt, nach St. Pauli und zurück, quer durch Planten un Blomen, um die Innenstadt herum und am Hafen entlang, durch die Hafencity, dergleichen.

Blick in einen schmalen Gang, der zu einem Hinterhof führt. Gekachelte Wände, in denen sich Licht spiegelt, eine alte Deckenlampe.

Auf der Suche nach Fotomotiven, um die Jagd nach etwas Gutem in den Alltag zu integrieren. Mir ist vor einiger Zeit aufgefallen, dass ich tage- und wochenlang nichts aufgenommen habe. Ich dachte mir dann, ich versuche wieder, etwas konzentrierter hinzusehen, die Motive werden da draußen immerhin nicht verschwunden sein. Verschwunden ist nur ein wenig Wahrnehmungsfähigkeit in meinem Kopf, und so etwas kann man sich vermutlich auch wieder antrainieren. Nehme ich an.

Meine ausgedehnten Spaziergänge am Abend sind also gut gerechtfertigt. Ich muss diese Tage, wenige werden es wohl noch sein, die ohne herbstlichen Dauerregen geliefert werden, unbedingt nutzen. Auch wenn sie alle zu heiß sind.

Gehen, schwitzen und hinsehen.

Morgen noch einmal 31 Grad.

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Gänsedisteln, Strohblumen, Bach

Abgesehen vom Geburtstag des ersten Sohnes gibt eine zweifache Abkühlung am Montagmorgen. Zum einen sind wir nachts wieder bei der kalendarisch ausnahmsweise passenden Standardeinstellung 12 Grad angekommen, der Fußboden ist zum ersten Mal in der neuen Saison kühl an den Füßen.

Zum anderen weiß offensichtlich niemand mehr, wie man eine positive Stimmung nach den Wahlen des Wochenendes bewahren soll. Ich lese die Nacht und den Abend nach. Gallenbittere Timelines, die Zeiten werden ernster und ein Patentrezept für heitere Gelassenheit will mir auch nicht einfallen. Aber das ist eh nicht mein Spezialgebiet, war es nie.

Ich arbeite mich im Home-Office in den September hinein und fege noch eben die Reste des Augusts zusammen, ich räume auf, sichte und plane. Manchmal wäre es schön, wenn der Rest des Alltags und überhaupt des Lebens und der Gesamtsituation so verlässlich sortierbar wäre wie die Zahlen im Büro.

Die Politiknachrichten vom Vortag spiegeln sich an diesem Tag in keinem einzigen Gespräch, ich führe aber auch nicht viele. Lediglich online wird in den diversen Gemeinschaften immer weiter diskutiert und erörtert, mit einem deutlich erschöpften, wehen Grundton. Nicht resigniert, nur reichlich desillusioniert – man könnte wieder ein Lied von damals im Kopf abspielen.

Beim Spaziergang des Tages höre ich weiter den Victor Klemperer. Wobei dann das Wort Gestapo in dem Moment fällt, in dem ich gerade an dem Gebäude vorbeigehe, in dem die Hamburger Gestapo-Zentrale (Stadthausbrücke) war, mein Blick fällt auf die Erinnerungsinschrift. Das ist mir dann doch zu viel, ich wechsele für eine halbe Stunde zu Musik, wenn auch zu getragener. Wir wollen nichts übertreiben, denke ich mir, und der Herr Bach passt eh bald wieder in die Jahreszeit. Da kann schon einmal versuchsweise etwas georgelt werden und ja, es wird bald passen, ich merke es schon. Trotz der wieder stark gestiegenen Temperaturen in der Nachmittagssonne.

Für das Wohnzimmer kaufe ich später Nachschub für die große Vase, denn man muss sich nachdrücklich auch um Erfreuliches kümmern. Orangefarbene Gänsedisteln und rote Strohblumen. Septemberstauden mit herbstlicher Farbanmutung, es ist Zeit. Die Strohblumen entscheiden sich allerdings nach Kontakt mit dem Wasser in der Vase größtenteils für den spontanen Freitod und lassen sich final hängen.

Es ist nicht immer einfach, den Alltag verlässlich aufzuhellen.

Am Nachmittag dann immerhin noch Geburtstagskuchen mit Sohn I. Den Kuchen hat die Herzdame gebacken und er ist wiederum sehr gut, wie niemand anders erwartet hat. Dunkler Schokoladenkuchen ist es, so dunkel, dass er kaum instagrammable ist. Ein schwarzer Klecks im Bild mit einer Kuchengabel daneben. Aber man muss auch nicht jeden Teller fotografieren.

Im Bild stattdessen ein Blick von der Kennedy-Brücke, über die Lombardsbrücke in Richtung Rathaus.

Blick von der Kennedybrücke auf das Rathaus, auf den Gleisen davor ein ICE. Wolkiger Himmel, man erkennt auch die Alsterfontäne.

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Im ersten Moment nichts

Vorweg noch einmal ein herzlicher Dank für die überaus freundliche Zusendung von weiterem Schreibgerät vom Wunschzettel!

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Es gibt ein neues Update zum Thema Tourismus, Massen etc.. Diesmal kommt es aus Norwegen: „Interest in the the Nordic region as a whole has risen this summer as tourists have sought cooler destinations amid high temperatures in southern Europe.“

Es geht nun alles recht schnell. Wir könnten in flotter Folge Land um Land durchgehen und die Verlagerung in den Norden in den nächsten Jahren live verfolgen und reporten. Aber was heißt könnten – es wird so kommen.

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Sohn I wird am Montag 17, was auch heißt, dass er dann nächstes Jahr schon … also man staunt doch etwas.

Wir haben am Sonntagabend zur Vorbereitung auf den Geburtstagsmorgen die Party-Girlande mit den bunten Elefanten zum siebzehnten Mal aufgehängt. Nachdem wir sie zuvor noch einmal an etlichen Stellen geflickt haben, wie in jedem Jahr. Es kommt mir vor wie ein kleines Wunder, dass es sie überhaupt noch gibt, so ein fragiles, billiges Konstrukt. Am Ende ist sie ein Relikt, das wir unbedingt vererben müssen, ein Stück aus der besonders wichtigen Erinnerungskiste.

Aufbewahren für alle Zeit. Oder zumindest noch der nächsten Generation zeigen: So war das damals bei uns, so wurde dann immer dekoriert.

Eine Kindergeburtstagspartygirlande, bunte Elefanten aus Pappe

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Am Sonntagmorgen habe ich angefangen, die Tagebuchauszüge von Victor Klemperer beim Deutschlandfunk Kultur nachzuhören. Ich kenne sie aus den Büchern, aber nicht komplett, und eine Wiederholung etlicher Stellen schadet nicht in diesen Zeiten: „Unheimlich, schrittweise geht Deutschland zugrunde.“

Es ist keine einfache Übung und tendenziell stimmungsschädlich, diese Texte am Tag der Sachsen- und Thüringenwahl zu hören. Wie ich überhaupt viele Texte aus den 20ern, 30ern und 40ern gerade schwer verdaulich finde, mit den furchtbaren Zerrspiegelungen durch die Zeit. So auch beim Remarque am Sonnabend, es zieht sich durch.

Beim Klemperer erläutert ein Historiker zwischendurch die „elektorale Selbstgefährdung“ der Demokratie, die wir dann später am Tag in zwei Bundesländern live beobachten können. Es wird mir erneut alles zu passend zu meinem Medienkonsum gestaltet, etwas mehr Dezenz in der Realität wäre mir oft angenehm.

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Aber ich will es genau festhalten. Am Sonntag um 18 Uhr bin ich da, wo viele Gäste der Stadt in der Außengastro sitzen, ununterscheidbar werden auch Hamburgerinnen darunter sein. Eine typische Flanier- und Sitzmeile, eine Ausgehzone. Aperolszenen, dieser Drink ist in den letzten Jahren zum Sommerpflichtgetränk geworden. Auf jedem Tisch muss verbindlich etwas in Orange stehen. Der Sommerabend ist sonst vermutlich ungültig und kann als solcher weder gezählt noch erinnert werden. Bilder wie aus Kaltgetränkwerbeclips sehe ich um mich herum, Alkoholgenussinszenierungen im frühen Abendlicht. Die Stadt glüht noch nach.

Viele Menschen sind im Bild, das mag aber ein Zufall des Ausschnitts sein, die ausgesprochen lässig ausgestreckt sitzen. Sich fläzen nennt man es wohl und ich glaube, ich habe das Wort noch nie benutzt. Nachgeschlagen: „Sich unmanierlich entspannt hinlegen“, und ja, so sieht es aus. Wer gibt sich schon noch manierlich, wer kennt dieses Wort überhaupt noch, meine Hand will wieder nach dem Krückstock greifen und fuchteln. Aber ich habe das passende Fuchtelzubehör noch immer nicht routinemäßig bei mir, obwohl der Bedarf doch fortwährend spürbarer wird.

Es ist achtzehn Uhr, ich sehe auf mein Handy, die Wahlergebnisse aus Sachsen und Thüringen. In den Timelines sofort die ersten und fortgeschritten bitteren Kommentare. Ich sehe mich um und halte für die Chronik fest, dass die Nachrichten um mich herum in diesem Moment kein Schwein interessieren. Womit ich niemandem einen Vorwurf mache, ich beobachte nur und berichte von dem Ausschnitt, den ich sehe, wie immer. Ein wichtiges Fußballspiel hätte sicher deutlich mehr Menschen, zumindest mehr Männer, dazu gebracht, immer wieder auf das Handy zu sehen. Es ist, wie es ist, die Demokratie geht als Volkssport kaum durch.

Ein paar Meter oder einen Stadtteil weiter mag es aber anders aussehen und später am Tag gibt es auch prompt eine spontane Demo vor der Parteizentrale der Unsäglichen. Später am Tag werden die Politiknachrichten des Tages vermutlich auf vielen Sofas und Sesseln Thema sein. Nehme ich stark an.

Aber im ersten Moment – nichts. Nur die Balkendiagramme und die Kommentare auf meinem Handy, und die sind schlimm genug.

Blick auf die Hamburger Rathausarkaden an einem Sommernachmittag. Ein Stand-Up-Paddler auf der Kleinen Alster davor, von hinten aufgenommen, er trägt ein leuchtend grünes T-Shirt ud sitzt auf seinem Board.

Die Kleine Alster, die Rathausarkaden. Der Sommer wird durch Freizeitsport dargestellt.

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Das Gelb im Laub zur Kenntnis nehmen

Nach wie vor sehe ich noch keine Lebkuchen beim Einkaufen, nur die Meldungen anderer dazu in den Timelines. Aber erste Plakate kleben in den Hotelfenstern in der Nähe des Discounters und werben bunt für einen Weihnachtsmarkt: Täglich ab dem 1.11., so steht es da. Man kann sich noch eine Weile darauf einstellen.

Unten an der Alster geht es weiter hochsommerlich zu. Touristen und Einheimische in lässiger Minimalbekleidung, das Prinzip Sommermode wird bis zum letzten Sonnenstrahl voll ausgereizt. Überall joggende, japsende Menschen mit hochroten Köpfen kurz vor der Überhitzung. Mir ist der Anblick unangenehm, am Ende fallen sie einem noch vor die Füße, denke ich oft, und wer möchte dann diese vollkommen verschwitzten Sportfanatiker beatmen müssen.

Ich halte vorsichtig Abstand von allen, die mir allzu gefährdet aussehen, und es laufen viele davon herum.

Man muss zwischendurch die laufende Trainingsgesellschaft bewusst aus dem Blick lassen, den Kopf in den Nacken legen, hoch in die alten Bäume am Ufer sehen und das jetzt überall aufscheinende erste Gelb im Laub bemüht zur Kenntnis nehmen. Für den September in Gedanken. Oder, nach einer Weile und vielen Schritten fällt es mir erst auf, man muss auf einigen Wegen das erste Rascheln vor den Füßen beachten.

Erstes gelbes Herbstlaub von Linden an einem Straßenrand. Noch keine große Menge, aber man kann es beim Gehen schon rascheln lassen.

Ich gehe am Sonnabend etwas ziellos im Stadtteil und an der Alster herum. Ich habe Zeit, es ist ein ungewohntes Gefühl. Die Söhne machen irgendwo irgendwas mit irgendwem und sind aus dem Alter heraus, in dem ich noch dauernd wissen möchte oder müsste, was es wohl gerade sein mag. Sie wurden bereits am Morgen von mir bekocht und freundlich mahnend an die Kunst des Aufwärmens der Bolognese erinnert. Es steht alles bereit für sie, ich bin mit dem Thema Haushalt, Ernährung und Erziehung durch für diesen Tag.

Die Herzdame entschwand währenddessen in Richtung Bremen, um dort etwas mit anderen Menschen zu machen, wonach mir gerade nicht ist. Zumal sie das zu Zeiten macht, in denen ich gewöhnlich schon schlafe.

Ein Hörbuch lasse ich mir auf meinen Wegen vorlesen: „Der Feind“, das ist ein thematisch bedingt wenig erbaulicher Erzählband von Erich Maria Remarque. Geschichten aus dem Ersten Weltkrieg oder aus der Zeit direkt danach. Ein schauderhaft gutes Buch, auch das Pathos muss man als angemessen hinnehmen. Es ist so beeindruckend, wie man es bei Sujet und Autor eben erwarten kann, treffend gelesen mit rauer Stimme von Henner Quest.

Sommerlicher Nachmittag, ein mit einer Plane zugedecktes Segelboot liegt an einem Außenalstersteg

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Am Abend gehe ich auf dem Rathausmarkt, wo Kent Nagano auf großer Bühne das Philharmonische Staatsorchester und mehrere Chöre dirigiert, den der Staatsoper, die Alsterspatzen und den Hamburger Knabenchor. Es ist gut besucht, der Platz ist voll besetzt, und es wird während der Aufführung noch voller, zuströmende Mengen. Ich nehme an, dass auch viele Passanten hängenbleiben, die von der Veranstaltung nichts wussten. Wenn da so viele stehen und gucken und hören, dann stellt man sich eben dazu.

Ein schöner Anblick ist das jedenfalls, diese friedliche Menschenmenge vor dem Rathaus und vor der Bühne. Man denkt die Politik überall mit in diesen Zeiten, hier also ein buntes Miteinander. So geht es doch, und so schwer sieht es gar nicht aus. All diese konzentriert zuhörenden Menschen, natürlich auch fortwährend filmend und fotografierend.

Oder leise telefonierend, wie direkt neben mir, eine junge Frau, die jemandem mitteilt, dass der Kent Nagano das hier macht, „Der Kent Nagano! Ja, der! Der macht das hier! Kent! Nagano! Den kennt man doch.“ Und dann, hörbar entrüstet: „Na, wenn ich es doch sage!“ Daraufhin das Gespräch beendet, Beweisbilder gemacht und prompt verschickt. Wenn sie es doch sagt!

Der Herr Kent Nagano, so wird es von der Bühne herab angesagt, hat diese Open-Air-Konzerte initiiert. Das hat er gut gemacht, finde ich.

Direkt vor mir tanzen zwei kleine Mädchen ausgelassen zum tosenden Chorgesang der Carmina Burana um ihr Elternpaar herum. Weil man als Kind noch zu allem tanzen kann. Eine Fähigkeit, welche die meisten von uns später verlieren, verdrängen oder bewusst ablegen.

Im Laufe des Konzertes kommt etwas Bewegung auch in die Menge der erwachsenen Besucherinnen, die aber durchaus nicht tanzen. Es stellen nämlich etliche, die noch aus der Sonne des Nachmittags hierherkamen und sich in T-Shirt und kurzen Hosen zu den anderen gesellt haben, ein mittlerweile äußerst ungewohntes Gefühl fest, es wird allgemein etwas gefroren. Ich merke es auch, es ist im ersten Moment eine angenehme Empfindung.

Der Abend kühlt überraschend schnell ab und die paar Gäste mit den Pullovern aus der Herbstkollektion, die haben doch Recht gehabt. Manche von denen sagen es auch ihrer zu knapp bekleideten Begleitung, siehste, siehste, und ich sag noch! Und sich dann so über die bestrickten Arme streichen und grimmig zufrieden nicken, denn es ist schon schön, einmal richtig zu liegen. In wie vielen Beziehungen die gleichen Dialoge aufgeführt werden, alle paar Meter wiederholt sich das.

Fröstelnde Kleinkinder in fürsorglich gereichten Elternjacken. Ärmel, die bis auf den Boden hängen. Frauen, denen die Männer freundlich ihre Sakkos umgehängt haben. Und eine Frau in ausgesprochen damenhafter Kleidung, man sieht da glatt zweimal hin, in einem Mantel, mit eleganten Lederhandschuhen, Wollmütze und Schal.

Die friert nicht.

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Dem September freundlich zugeneigt

Wir haben es geschafft, es ist September. Und während, wie bereits ausführlich verhandelt, ein Großteil der Lyrik zum Monat noch nicht recht passt, können wir das nach alter Tradition nun zu singende Lied dennoch gelten lassen, es kommt ohne Wetter aus. Try to remember the kind of September when life was slow …

In den Kommentaren bei Youtube schreiben manche, dass ihre Mütter ihnen dieses Lied vorgesungen haben. In einem Fall war es auch der Mathelehrer bei einer Schulübernachtung, was es alles gibt. Es kommt mir fast vor wie ein kurzgeschichtentaugliches Szenario, der Lehrer mit Gitarre, vermutlich guter Stimme und diesem Text.

Meine Mutter sang es mir nicht, glaube ich. Nach den frühen Gutenachtliedern sang sie gar nicht mehr, oder ich habe es vergessen. In ihrem Plattenschrank stand aber ein Live-Album von Belafonte, und auch dieses Lied war darauf.

Andere erwähnen in den Kommentaren unter dem Video, dass sie das Lied bei der Beerdigung eines geliebten Menschen gespielt, gesungen oder gehört haben. Das ist eine weitere, eher unerwartete Begleiterscheinung des Alterns: Wann immer ich einem Lied nachforsche, das mir einmal etwas bedeutet hat oder das mir immer noch wichtig ist und in meinen aktuellen Playlists weiterhin vorkommt, stehen in den Kommentaren dazu Beerdigungsgeschichten, Hospizerzählungen, tieftraurige Erinnerungen und wehmütige Rückblicke. Es wird außerdem furchtbar viel geweint.

Na, es gehört wohl so. Without a hurt a heart is hollow, wie es in dem heutigen Lied treffend heißt. Der Text ist von Tom Jones, aber nicht vom dem Tom Jones, sondern von einem anderen.

Ich habe eine Weile herumgesucht, mir gefällt diese Version nach wie vor am besten. Kurz geforscht, es ist eine Aufnahme aus meinem Geburtsjahr, guck an. Harry Belafonte sang damals bei einer Gala in Paris. Es war ein Benefiz-Konzert für Martin Luther King, mit dem er befreundet war. Im Grunde kommt man ohne Politik und Geschichte durch kaum einen Absatz, nicht wahr, so wie wir heute auch nicht ohne Politik durch diesen Tag kommen werden.

Es gibt auch, das wird die eine oder den anderen vielleicht am Rande interessieren, eine Version des Liedes von Roy Orbison auf Youtube, die kannte ich bisher nicht. Auch Youtube wird nicht alle. Nie wird man mit seinen musikalischen Vorlieben dort durch sein, man kann es beruhigend finden.

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Gehört: Ein kurzes Kalenderblatt zu Ferdinand Lassalle, „Vordenker der Sozialdemokratie“. Es ist wohl ein passendes Wochenende, um sich etwas mit der deutschen Demokratiegeschichte zu beschäftigen.

Außerdem gehört habe ich ein Zeitzeichen: „Die russischen Streitkräfte verlassen Berlin am 31.8.1994“. Worinnen Putin prominent vorkommt, er war dabei und hatte eine Textrolle als genau der Finsterling, der er nun einmal ist.

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In den Bildern heute diverse Rudbeckien aus unserem Garten. Sie geben sich endsommerlich und sind dem September schon freundlich zugeneigt. So auch ich, so auch ich.

Im Wetterbericht für die nächste Woche aber steht wiederum etwas von 29 Grad. Der August hat eine Nachspielzeit zugewiesen bekommen und es ist wie beim Sport, man sieht sich das dann auch noch an.

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Eine Frage der Wahrscheinlichkeit

Den Troller endlich durchgelesen, das Tagebuch mit Menschen. Jetzt Nicole Seifert: „Einige Herren sagten etwas dazu“ – Die Autorinnen der Gruppe 47. Bei den vorkommenden Schriftstellerinnen besteht bei mir Lektürenachholbedarf. Einige Namen gleich einmal vormerken, etwa Ruth Rehmann, und ihren Roman „Illusionen“ aus dem Jahr 1959. Dieses Buch demnächst einmal aus der Bücherei holen.

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Beim Guardian gibt es ein weiteres Update zum Thema Overtourism, diesmal geht es um Santorin: „Everywhere jam-packed.“ Mit Bildern, bei denen man den Diskussionsbedarf sofort versteht, bzw. ein Reiseziel gleich streichen möchte.

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Den August haben wir also abgehakt, zumindest im Brotberuf. Privat laufen noch ein paar Stunden nach, die energisch vertändelt werden wollen. Im nächsten Monat dann wieder ein Quartalsschluss und danach bereits Q4, den Jahresresten eine Chance. Nanu!

In den Bürogesprächen kommt nun das Jahr 2025 immer öfter vor. Wir greifen weit vor, aber es ist noch etwas befremdlich.

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Beim Abendspaziergang habe ich Herrn Kent Nagano beim Üben zugesehen, das ergab sich nebenbei und ungeplant auf dem Rathausmarkt. Heute Abend gibt es dort ein Konzert, umsonst und draußen, bei trockenem Wetter. Carmina Burana, auch für Klassikbanausen wie mich erkennbar.

Da könnte man nachher unverbindlich vorbeigehen, ich ziehe das in Erwägung.

Uhr und Schild an der Treppe, die hinab zur U3 am Rathausmarkt führt

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Im Bild unten sehen wir wiederum die Außenalster, diesmal mit einem besinnlichen Angler. Die wirken immer herrlich entspannt auf solchen Bildern, diese Angler, aber wer weiß. Das Bild täuscht wie stets schon deswegen, weil Sie den Verkehrslärm im Rücken des Betrachters nicht hören. Und auch die telefonierenden Jogger nicht, die aufgeregt, laut und keuchend über Berufe und Projekte reden und, ich höre es exakt im Moment der Aufnahme, demnächst dringend etwas „wegmanagen“ wollen.

Am Ende ist auch in diesem Angler, den wir hier sehen, keine Spur von Ruhe zu finden, wer weiß. Man darf seinen ersten Annahmen niemals trauen, alte Regel.

Und auf den Segelbooten im Bildschirmhintergrund – welche Dramen sich da wohl abspielen mögen. Von Ehestreit über schwere Teambuildingdefizite bis hin zu giftig gärenden Generationskonflikten. Es wird schon verlässlich alles dabei sein, eine bloße Frage der Wahrscheinlichkeit.

Aber wenn man es nur als friedliches Bild nehmen möchte, dann ist das auch in Ordnung. Die Freiheit kann man sich gewiss ab und zu nehmen.

Blick auf die Außenalster von der St-Georg-Seite aus. im Vordergrund ein Angler am Ufer, er sitzt in einem Klappstuhl, bene sich zwei aufgestellte Angeln. Im Hintergrund etliche weiße Segel.

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Alles entschlossen umbenennen

Nur versuchsweise, nebenbei und ein wenig auch wieder aus routinierter Lust an sinniger Vorarbeit habe ich noch einmal in den schmalen Band mit den Septembergedichten hineingesehen. Aber nichts von dem, was ich da flüchtig angeblättert habe, war auch nur ansatzweise passend, trotz der zeitlichen Nähe zum nächsten Monat. Aber gut, ich las die Verse bei 30 Grad Außentemperatur. Halb zerschmolzen am Schreibtisch hielt ich das Buch, während der Smalltalk in der Stadt den ganzen Tag über ausschließlich aus Hinweisen auf die Luft bestand. So schwül, so heiß, so unfassbar drückend, alle erwähnten das, und kaum noch etwas anderes.

Vermutlich beginnt der September, also der Zeitraum, den wir assoziativ traditionell derart mit Bildern belegen, dass die Wetter- und Naturbeschreibungen in der althergebrachten Lyrik damit fein harmonieren, in diesem Jahr etwa am 15.9.. Wenn nicht noch etwas später.

Die große Fracht des Sommers ist verladen,

das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit,

wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit,

die große Fracht des Sommers ist verladen.

Ingeborg Bachmann schrieb das, und diese große Fracht des Sommers, sie fühlt sich heute durchaus nicht verladen an. Sie liegt viel mehr weiterhin direkt vor der Haustür herum und wartet auf die überfällige Abholung. Die Möwen stürzen und schreien bei uns eh ganzjährig, die kommen als Zeigevögel nicht in Betracht.

In Kürze dann der Septober, vielleicht auch noch der Oktember, bevor es ernstlich herbstlich werden kann. Wir müssen alles entschlossen umbenennen, neu verstehen und deuten. Wir müssen alles anpassen, den Wandel bewusst erleben und mitmachen. Den Klimawandel im Kopf gestalten! Dieser Satz wiederum ist heute schon ausreichend für ein Wahlplakat, ist fast schon ein vollständiges Programm. Ich sollte mir dringend die Rechte am Slogan sichern.

Aber meine Grundgenervtheit, siehe gestern, auch von der Politik und der allgemeinen Lage spottet weiterhin jeder Beschreibung. Also lieber nicht über Programme nachdenken. Es wird mit den nächsten Wahlen vermutlich auch nicht besser werden. So viel an prophetischer Gabe kann ich mir wohl zutrauen.

Meine Timelines bestehen währenddessen aus erstaunlich vielen Topcheckerinnen, die alles jederzeit erklären können, auch die seltsamsten sozialen Verwerfungen im Lande und in der Welt. Während ich längst nicht mehr mitkomme und mich ab und zu fühle wie damals in Mathe, als es um die Vektorrechnung ging. Ich weiß bis heute nicht, was das ist. Sie ist mir nur in Erinnerung geblieben, weil es da Stunden gab, in denen ich so wenig verstand, dass es fast schon wieder lustig war.

Irgendwann bin ich dann nicht mehr hingegangen, aber das ist auch keine Lösung fürs Leben, wie ich mittlerweile weiß.

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Bei der Kaltmamsell Erinnerungen an Frau Kelef. Der Name wird sicher denen noch etwas sagen, die sich schon länger oder sogar seit den Anfängen in grauer Vorzeit mit Blogs beschäftigen. Ihr letzter Blogeintrag war aus dem Januar. Aus dem Jänner, wie es bei ihr hieß.

Da sie an Covid-19 starb, dazu passend noch die Beobachtung aus den letzten paar Monaten, dass gar nicht wenig Menschen auf die Erwähnung der möglichen Schwere der Krankheit mittlerweile mit überraschend heftiger Abwehr reagieren – weil doch nicht sein kann, was nicht sein darf.

Verdrängungsleistungen können ein wenig unheimlich ausfallen, to say the least.

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Die übernächtigten und bleichen Söhne, passend zum ersten Absatz könnte ich fast vom „novembrig gestimmten Nachwuchs“ reden, haben wir am Donnerstagmorgen aus dem Haus geschoben. Es war der ernsthafte Beginn des nächsten Abschnitts, es ging um die Forderungen des unnachgiebigen Stundenplans. Händeringen und großes Drama.

Aber wenn dieser Text erscheint, wenn Sie diese Zeilen lesen, wissen die beiden mit etwas Glück schon wieder, wer sie sind, wo sie wohnen und was es mit diesem Konzept „Schule“ auf sich hat. Mein Mitgefühl ist den beiden in jedem Fall sicher, aber davon können sie sich, wie sie sofort und treffend anmerken würden, auch nichts kaufen.

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Im Bild ein Bahnsteig in der riesigen Station Jungfernstieg. Sie wird täglich von 73.000 Menschen frequentiert, keiner von denen ist hier im Bild. Wie isses nun bloß möglich.

Ein menschenleerer Bahnsteig in der U-Bahnstation Junfernstieg

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Grundgenervtheit

Zwei aktuelle Folgen Radiowissen gehört, die auch als Weiterbildung für Tirolreisende durchgehen, es muss nicht der Südteil der Gegend sein: Einmal über Seilbahnen (mit Bezug zur Verkehrswende auch im flacheren Land), einmal über Margarete Maultasch. Diesen Namen hat man schon einmal gehört, wenn man im kleinen Bergland Schlösser, Burgen etc. angesehen hat.

Außerdem gehört: Eine Sendung über die Familie Bosch und ihr Weltunternehmen.

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Es war ansonsten wiederum zu warm und es gab zu viel Alltag, zu viel Brotberuf und auch zu viel nebenbei. Nach den Gesichtern der Leute in der S-Bahn, im Bahnhof und auf den Wegen zu urteilen, ging es zur Wochenmitte allen so, natürlich in jeweils leicht verschiedenen Ausprägungen.

Diese unübersehbare Grundgenervtheit, die in diesen Tagen auch deswegen stärker auffällt, weil mittlerweile weniger Touristen mit entspannten Feriengesichtern zwischen uns allen und im Weg herumstehen. Die Reisesaison ist so gut wie durch, die Stadt wird an manchen Stellen deutlich lichter. Die Arkaden am Rathaus waren nahezu menschenleer und durch die Fußgängerzonen kam ich ohne Zickzackkurs. Nicht einmal den Weg blockierende Schlangen vor den Eisständen gab es, auch der Jesusbrüller predigte ins Leere.

Die erste Schulmail erreichte uns, pünktlich wie früher die Bahn. Ich habe Termine bis weit in den Januar in den Kalender übertragen.

Abends dann weiter die alte Maigret-Serie gesehen. Der Herr kümmert sich beruflich um Mordfälle, hat aber einen viel entspannteren Alltag als ich, es fällt doch sehr auf. Unfassbar, wie ruhig und bedacht es da zugeht. Aber gut, es liegt auch an den dienstbeflissenen, servilen Assistenten und selbstverständlich an der Ehe- und Hausfrau, die rund um die Uhr klaglos Service leistet und bedient und in jeder Beziehung durch und durch farblose Nebenfigur ist. Diese Optionen sind geschichtlich durch, und das ist auch gut so.

Den letzten Absatz habe ich situativ korrekt beim Bügeln gedacht, die Serie lief nur nebenbei. Eine Tischdecke für die Laube habe ich da gebügelt, und die innere Großmutter nahm lebhaft Anteil.

Blick über die Außenalster von der St-Georg-Seite aus. Im Hintergrund Segelboote, ein Tretboot, im Vordergrund das Laub der Bäume am Ufer.

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