Die allgemeinen Alltagswiederaufnahmeverfahren

Einige Anmerkungen zum Autokauf bei Christian Buggisch, man staunt. Und hier noch die Landlebenbloggerin über Menschen aus der Stadt, die in die Provinz ziehen.

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Gesehen und interessant gefunden: Diese Doku auf arte über Marlon Brando.

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Gehört: Ein Zeitzeichen über „Kind of Blue“ von Miles Davis, auch wieder ein Lehrstück über Rassismus und die Folgen.

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Die Urlaubszeit endet nun nicht nur bei uns, sondern nach und nach überall in den Timelines und Blogs. Die Reisebilder werden deutlich seltener, die Ausflugsmeldungen dünnen allmählich aus. Der obskure Sonderfeiertag mit Brückeneffekt in Bayern, dem Saarland und Österreich ist auch bereits durch. Letzte Wanderwegschnappschüsse und vereinzelte Sonnenuntergänge vor Erholungslandschaft gibt es noch zu sehen, gefeierte Ferienendmomente. Es kommen dafür vermehrt Kofferauspackszenen und Arbeitsanfänge vor, diverse Alltagswiederaufnahmeverfahren und mehr oder weniger mühsam wieder anlaufende Routinen. Heute vermutlich ergänzt um etliche schwere Montagsseufzer.

In meinen beiden Bubbles, online und offline, läuft das alles ohne Begeisterung und Schwung ab, eher mit Murren und Knurren, man kann es kaum überlesen. Liegt es an meiner Auswahl, liegt es an unserem Alter, an der Zeit, am Land, an der Lage, ich weiß es nicht. Die schwanzwedelnde Leistungsgeilheit von LinkedIn bildet sich in meinem Umfeld jedenfalls nicht recht ab.

Mein singender Nachbar ist ebenfalls aus dem Urlaub zurück und macht seine Stimmübungen wieder eine Wand hinter mir, während ich hier sitze und tippe. Ich kann nicht erkennen, was er da singt oder was es zusammengefügt werden soll, aber wenn ich auf den Kalender sehe – er wird sich bald frühzeitig für Adventsveranstaltungen aufwärmen, in wenigen Wochen schon, und bei nur allzu bekannten Melodien ankommen. Die sich dann auf die gemeinste Art in meinem Hirn einnisten werden, das war in den Vorjahren auch so. Die unzeitigen Lebkuchen in den Läden, der Gesang nebenan, es gehört zusammen.

Und während ich dies notiere, fällt mir erst auf, dass das klavierspielende Kind im Haus seit Wochen nicht mehr zu hören ist. Da wird es vermutlich eine Reise über die ganzen Sommerferien geben, ein etwas größeres Abenteuer vielleicht. Und demnächst dann wieder die geklimperte Ode an die Freude, wie schon das ganze erste Halbjahr über. Wir haben seine langsamen, zögerlichen Fortschritte gründlich miterleben können, Note für Note.

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Die Promenade an den Landungsbrücken, von der Treppe aus aufgenommen, die zur S-Bahn-Station führt. Auf dem Treppengeländer ein Aufkleber "FCK NZS", darauf der Fokus, der Hintergrund unscharf

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Ein Feld vor

Gesehen: Diese Doku auf arte über die gerade verstorbene Gena Rowlands.

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Ansonsten habe ich die ersten drei Werktage nach dem Urlaub absolviert, es lief immerhin besser als gedacht. In der nächsten Woche zieht die Herzdame nach, dann auch bald die Söhne. Es findet in Kürze wieder ein kompletter Alltag mit allem statt und will neu bewertet werden; wir rücken ein Feld vor und warten auf die Ereigniskarten der nächsten Monate. Die Vorfreude aber hält sich noch in Grenzen. Skepsis Hilfsausdruck, wie Wolf Haas schreiben würde.

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Gehört: Eine Folge Radiowissen über David Bowie. Da bietet es sich an, nebenbei und passend mit einem Clip meine momentane Vorliebe für Anzüge zu unterstützen. Eines dieser Videos, die ich immer wieder sehen kann. Nebenbei auch der Beweis, dass es zumindest vereinzelt Menschen gibt, die mit verwehten Haaren gut und attraktiv aussehen, nicht etwa wie ich, also wie alter Zausel im Wind.

Dass aber ein Sohn, noch während ich diese Zeilen schreibe, in seinem Zimmer ungewohnt lauthals „There’s a starman waiting in the sky“ singt – das ist ein doch eher irrer Zufall. Er kann immerhin nicht wissen, was ich hier gerade notiere. Ich murmele nicht beim Tippen, die Songs laufen bei mir auch nicht laut. Und Musik aus den 70ern ist gewiss nicht das routinemäßige Standardprogramm der beiden Teenager im Haushalt.

Ich gehe also einigermaßen irritiert ins Kinderzimmer, um Aufklärung bemüht.

Es ist dann wieder nur ein Tiktoktrend, den er da so laut begleitet, was im Zweifelsfalle die Erklärung für alles ist. Tatsächlich also ein Zufall. Und nein, er hat keine Ahnung, wer dieser David Bowie ist, von dem ich da rede. Ach, der mit diesem Lied, das er gerade dauernd singt?

Okay. Das hat er dann jetzt pflichtgemäß zur Kenntnis genommen. Wenn der Herr Vater doch offensichtlich so großen Wert darauflegt. Gewiss aber auch schon tot, dieser Sänger? Wie alle, die der Herr Vater so mag? Schade, schade. Der Club der toten Sänger, es war ja nicht anders zu erwarten. Sagt er mit fast höflich wirkendem Bedauern.

Und diesen Namen, David Bowie, vergisst der Sohn dann vermutlich umgehend wieder, noch während ich mich umdrehe und die Tür hinter mir schließe.

O tempora, o mores.

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Im Bild das Hamburger Rathaus vor korrekt eingefärbtem Himmel, wie es hier Tradition ist.

Das Hamburger Rathaus, aus den Arkaden heraus aufgenommen, unter typisch grauem Himmel und hohen Wolken

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Life is coming back to me

In den ersten morgendlichen Wettermeldungen sehe ich die drei Begriffe Nordsee, Kaltfront und Regen. Wie sympathisch und willkommen einem diese Wörter sein können, in diesen Wochen des überhitzten Spätsommers. Das gibt sich dann später im Jahr wieder, wie wir alle wissen. Aber für den Moment – soll sie mal kommen, diese Kaltfront, mit dem ganzen Regen von der Nordsee. Es klingt ausgesprochen vielversprechend, geradezu verheißungsvoll wirkt es auf mich. Ich stehe hier am offenen Fenster und warte auf Gewölk.

Die Sonne brennt schon einmal weniger in diesen Tagen, der Himmel ist öfter lichtgrau statt azur, und life is coming back to me. Das ist ein Song von Michelle Gurevich. Er fängt mit Zeilen an, die das Ende einer Hitzeperiode für mich treffend beschreiben, auch wenn etwas ganz anderes gemeint ist:

“I’ve been living under a rock

I’ve been sick around the clock

But life is coming back to me

 The days have been dull

The evenings have been null

But life is coming back to me”

Zum besseren Verständnis noch einmal der Hinweis, dass diese Wohnung erheblich nachglüht, wenn es draußen einmal heiß genug war. Wir haben länger etwas davon und gehen im Vergleich zu Menschen, die in topisolierten Wohnungen residieren, stets etwas nach in den Empfindungen. Falls meine Zeilen nicht mehr zu Ihrem gefühlten Wetter passen und deswegen irritierend wirken, es wird sicher daran liegen.

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Ich gehe Kugelschreiberminen für meine Mutter kaufen. Bestimmte Minen sind es, die es online nur einzeln für einen absurd hohen Preis gibt oder im Zehnerpack, deutlich günstiger, also irrational und verdächtig viel günstiger. Am Ende sind es Fälschungen, ich werde miusstrauisch. Aber ein Zehnerpack kommt eh nicht in Frage. Was soll sie denn mit zehn Minen, sagt meine Mutter, in ihrem Alter.

Da es bei den Fachgeschäften mittlerweile große Versorgungslücken gibt, schon gar bei den von mir so geschätzten Schreibwaren, ist der Weg zum nächsten Laden, der die Minen haben könnte, etwas weiter. Egal, ich habe ein Ziel in der Stadt. Ich gehe zweckgebunden los und muss nicht planlos spazieren gehen, das ist auch schön. Immer das Positive sehen.

Ich suche im großen Kaufhaus lange herum, weil es bei Schreibwaren mittlerweile ebenso wie bei der Mode ist: Es gibt keine sinnvolle Sortierung mehr. Nur noch eine nach Herstellern und Sonderaktionen und Schulanfangsspezialangeboten. Ich möchte schon wieder mit dem bisher nur gedachten Krückstock herumfuchteln.

Nachdem ich die verdammten Minen endlich gefunden habe, die letzten beiden, die es gab, nach für meinen Geschmack unangemessen langer Suche, gehe ich zur Kasse. Wo mich eine hochmotivierte Verkäuferin munter verabschiedet: „Wie schön, etwas zum Schreiben! Na, dann schreiben sie mal was. Liebesbriefe, Rezepte oder Einkaufszettel … Sie werden das dann schon richtig entscheiden.“

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Ich sehe weiter die alte Maigret-Serie, und sie reicht auch noch eine Weile, es ist herrlich. Dadurch habe ich auf einmal eine nostalgische Sehnsucht nach französischen Restaurants der eher nicht so edlen, aber doch stets bemühten Sorte in der Provinz, wie sie dort oft abgebildet und inszeniert werden. Nach diesen etwas ramponiert wirkenden kleinen Restaurants, in denen die nicht übermäßig freundliche Wirtin oder der ebensolche Wirt nach dem erstaunlich guten Hauptgang mit einem kleinen, quietschenden Käsewägelchen angerollt kommt …auf einmal steigen mir ausgesprochen lebhafte Erinnerungen daran auf.

Angestoßenes Geschirr, angelaufenes Besteck, seltsame Tapeten, aber bester Käse. Und im passend wirkenden Hotel nebenan ein Bett aus dem letzten Jahrhundert, so durchhängend wie es nur je eine Hängematte in irgendeinem Palmengarten war.

Damals in der Normandie, da gab es diese Restaurants und Hotels. Die Damen Herzbruch und Novemberregen, die da gerade residieren und täglich berichten, sie lösen diese Bilder mit aus bei mir.

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Hier aber statt französischer Reiseromantik nur beinhartes Hammerbrook.

Die rote Außenwand der Haltestelle Hammerbrook, die Hammerbookstraße, ein hohes Bürogebäude

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Vergoren und Verdorben

Der erste Arbeitstag nach dem Sommerurlaub, ich starte gleich mit Office-Office. Ich verlasse dafür früh, allein und leise die Wohnung, der Rest der Bande hat noch frei. Man schläft hier in allen Zimmern weiter, vermutlich lang und vom Werktag vollkommen unbelastet, selig im Ferialmodus. Nur ich ziehe hinaus in die weiterhin übermäßig erwärmte Stadt, die bei diesem Wetter an zu vielen Stellen riecht, als sei etwas abgelaufen, vergoren und verdorben, auf jeden Fall aber zu lange ungelüftet.

Zwischen unserer Wohnung und dem Bahnhof liegt ein Obdachloser vor einem Geschäft. Auf Pappe und zerschlissenen Gepäckstücken liegt er, die er sich als Kissen unter den Kopf geschoben hat. Über sich hat er gegen den gewittrigen Regen der Nacht oder auch schon gegen die nachfolgende Sonne einen beschädigten Regenschirm aufgespannt. Er hält ein Handy, auf dem er etwas liest. Er liegt in etwa gleicher Position wie der arme Poet von Spitzweg auf dem berühmten Gemälde. Der Vergleich drängt sich sofort auf. Ein modernes, sozialkritisches Pendant ist er.

Wenn man ihn so fotografieren würde, wie er jetzt da lagert, würde die Ähnlichkeit vermutlich vielen Betrachtenden auffallen. Jedenfalls dann, wenn sie in ihrem Leben ausreichend oft mit dem so bekannten Werk von Spitzweg als Postkarte oder Poster konfrontiert worden sind. Also zumindest den meisten in meiner Generation und im Alter darüber würde das auffallen.

Aus dem Wikipedia-Eintrag zum Armen Poeten: „Die ersten Kritiken für den armen Poeten waren so schlecht, dass Spitzweg seine Bilder fortan nicht mehr mit seinem Namen, sondern lediglich mit seinem Monogramm, einem stilisierten Spitzweck (einem rautenförmigen Brötchen) signierte.

Ich mische mich unter das lustlose, zu dieser Stunde schon schwitzende Pendelvolk am Hauptbahnhof. Nach kurzer Fahrt in der urlaubszeitmäßig kaum gefüllten S-Bahn sehe ich good old Hammerbrook wieder. Dort sammele ich auf dem Weg ins Büro noch eben einige frische Fotos ein, damit Sie in den nächsten Tagen auch etwas von diesem etwas speziellen Stadtteil haben.

Dann die Arbeit. Wir legen uns das Herbstprogramm zurecht und nehmen Anlauf, viel Anlauf. Es ist immerhin gleich September. Es gibt ein buntes Programm, es wird viel passieren, man summt es so vor sich hin.

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Im Bild heute der Mittelkanal in Hammerbrook. Das Ufer links trägt den Namen Vera-Brittain-Ufer, und den Namen dieser Dame haben Sie vermutlich noch nie gehört. Auch zu ihr kann man einen interessanten Lebenslauf nachlesen und ist dann schon wieder knietief in der deutschen und europäischen Geschichte.

Das bebaute Ufer des Mittelkanals in Hammerbrook, grüne Bäume vor Bürohäusern

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Trotzsport

In den sozialen Medien sehe ich wieder reichlich Infektionsmeldungen. Es sind jedenfalls mehr, als auf den Nachrichtenseiten vermeldet werden, wo das längst kein Thema mehr ist. Oder nur eines am Rande, ganz unten irgendwo. Es liest sich auf Mastodon, Bluesky etc. tageweise so, als hätte man die Corona-Viren wie Schrot in die Timelines geschossen. Eine Krankheit nach der anderen wird angezeigt, eine üppige Kollektion von Schnelltestergebnisbildern. Mehr wohl noch als bei meiner letzten Eskalationsmeldung dieser Art, die aber auch nicht lange her ist, einige Wochen nur. Wir haben etwas Wellengang, to say the least. Nein, wir haben ihn vermutlich dauerhaft.

In Hamburg gehen die Sommerferien noch bis Ende August, daher können die Herzdame und ich dem im Moment vielleicht noch entkommen. Das gilt dann nicht mehr lange, wir müssen uns wieder auf etwas gefasst machen. Mit Schulkindern ist man nach wie vor chancenlos.

Womit ich nicht einmal eine Meinung oder eine gesundheitspolitische Idee verbinde, ich schreibe nur mit. Für Meinungen und Ideen ist es mir entschieden zu warm, ich denke nur noch begrenzt.

Ansonsten nämlich eine schwüle Hitze in der Stadt, die es in sich hat. Hamburg als Troparium, südlich anmutendes Treibhaushanseatentum. Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings groß, dass es bei Ihnen noch schlimmer als bei uns war oder ist, ich weiß. Der Norden kommt in diesen Tagen noch besser weg als der Rest des Landes, und es weht auch wieder dieser seltsame Wind, den ich nun schon so oft erwähnt habe, weil es eben ein Ganzjahreswind ist. Immerhin also weht dieser obskure Wind, und ich möchte nicht wissen, wie es sich ohne ihn anfühlen würde.

Na, aber Sie wissen das ja jetzt. Und schön ist es sicher nicht.

In Madrid, wo man sich mit Hitze doch bestens auskennt, werden die Nächte immer heißer, und das ist auch denen dort neu, habe ich gerade im Radio gehört. Die Parks, die sonst niemand nachts betreten hat, wie vermutlich in allen Großstädten auf der Welt, sind am späten Abend auf einmal gut besucht, weil es dort nach Einbruch der Dunkelheit schön kühl ist. Man kennt sich mit Hitze aus in Madrid, das ist richtig. Aber auch nicht mehr in diesen Dimensionen, der Wandel nimmt entschieden Fahrt auf. Das Meer vor Mallorca ist über 30 Grad warm, man liest es so nebenbei.

Ich gehe kaum raus an solchen Tagen. Ich will nicht in die Sonne, es fühlt sich unter ihr nicht richtig an. 10000 Schritte in der Wohnung herumgehen, das ist dann mein Trotzsport. Nur weil es mir draußen zu warm ist, gebe ich doch nicht meinen Schrittdurchschnitt auf. Wo ich endlich bei exakten 12000 Jahresdurchschnittswert pro Tag angekommen bin. So etwas will gepflegt werden und verlangt dann entschlossenen Einsatz zwischen Wohnzimmer und Eingangstür, immer hin und her. Mit Abstechern in die Kinderzimmer, jedenfalls wenn die gerade leer sind.

Man kann beim Gehen auch Serien sehen, stelle ich fest, und mache mehr Meter.

Mit einem Sohn habe ich am Nachmittag einen Termin bei Kieferorthopäden. Bei denen ist es angenehm klimatisiert. Dort könnte ich länger bleiben, denke ich aufatmend im kühlen Wartezimmer, aber es geht dann alles überraschend schnell.

Kurz überlege ich, das späte Richten auch meiner eigenen Zähne anzusprechen, um noch etwas Zeit in dieser so wohltemperierten Praxis zu gewinnen. Aber dann denke ich, bis es da freie Termine für mich geben wird, ist es sicher schon wieder Herbst, wird es draußen also herrlich kühl sein, neblig am Morgen, regenfeucht am Tag und ach so frisch in der Nacht. Ich gerate ins Träumen und sage doch nichts.

Durch die Hitze nach Hause.

Im Bild noch einmal die attraktiven Neubauten um die Ecke.

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Der Wutvogel

Am Morgen noch eben eine Hotelbuchungsanfrage verschickt, für zwei Tage im nächsten Monat. Der Rest des Urlaubsfeelings für dieses Jahr. In den Norden geht es dann, bis kurz vor Dänemark, schon im Sichtkontakt mit dem befreundeten Ausland. Immerhin zwei zweisame Tage in uns bisher nicht näher bekannter Gegend sind angedacht. Es kann noch vieles dazwischenkommen, aber man hofft so vor sich hin.

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Am Vormittag kommt der Eichelhäher auf das Balkongeländer. Zerzaust sieht er aus, er ist wohl arg mauserig. Etwas heruntergekommen, abgerissen, verlottert und schäbig wirkt er daher in diesen Wochen. Er wollte nur eben anmerken, fängt er heiser an, als er mich am Schreibtisch sieht, dass er zwar grundsätzlich damit klarkomme, dass wir die Nusslieferungen im Sommer routinemäßig einstellen, dass es jetzt aber schon fast September sei und ob wir nicht … Er atmet durch, legt den Kopf schräg und besieht sich einen Moment sinnend die letzten leeren Nussschalen, die immer noch in den Blumentöpfen liegen, seit Monaten nun schon.

Ob wir nicht gefälligst, fährt er dann fort, und er wird auf einmal deutlich lauter und verhaspelt sich mit kippender Stimme, vergisst sich dann schnell, verfällt bald ins Pöbelnde, gerät unversehens endgültig außer Fassung und schreit eine Weile wie von Sinnen in äußerstem Zorn herum, ein wahrer Wutvogel, so dass man nicht einmal mehr ansatzweise irgendeinen Sinn in seinen aufgebrachten Äußerungen finden kann.

Schließlich kackt er auf den Hauswurz im Blumenkasten unter ihm und schwirrt unter weiteren wüsten Beleidigungen ab, um auf den Ästen der alten Eiche auf dem Spielplatz eine grundlose Schlägerei mit einer überraschten Jungkrähe anzufangen, dass die Federn nur so fliegen. Eichelhäher haben sich, schon oft konnten wir das bei uns beobachten, emotional nicht immer im Griff.

Die beiden tantenhaften Ringeltauben im Holunder gucken pikierter denn je: Die Wohnlage, die Nachbarn, die Sitten, der Untergang.

Wie auch immer. Bei Gelegenheit werde ich wieder einmal Nüsse auf den Einkaufszettel schreiben. Ich habe es so weit verstanden, glaube ich.

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Weiter den Raymond Chandler gehört (Das hohe Fenster). Weiter sportlich im Zeno Cosini gelesen, den ich früher hätte kennen sollen, wie mir immer klarer wird. Es ist doch ein wenig schade um die Jahre der Unkenntnis.

Und immer weiter am Abend und auch zwischendurch die Maigret-Serie mit Bruno Cremer auf filmfriend gesehen. Einer der wenigen Fälle, in denen ich eine Serie, und sogar eine Krimi-Serie, was sonst überhaupt nicht mein Fall ist, gut und entspannend finde.

Es sind noch etliche Folgen übrig. Ich finde den Gedanken  angenehm und gebe mich beim Zusehen auch willig mit einer wohligen Nostalgie ab, die sich auf ein uns heute so ruhig und genügsam vorkommendes analoges Zeitalter vor der enormen Eskalation des Konsums und der Digitalisierung bezieht. Und die ich aus Gründen der Entspannung nicht einmal hinterfrage.

Auch einmal unreflektiert herumträumen! Andere machen das auch. Glaube ich.

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Und nicht immer nur die schicken Seiten von Hamburg im Bild zeigen. In Wahrheit sieht es hier um die Ecke nämlich so aus.

Blick in einen Innenhof zwischen Neubauten, unterkühlte Architektur

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Parzellenlotto

Und nun die sportlich anmutende Staffelstabübergabe. So etwas liegt nach den olympischen Spielen gerade noch in der Luft: Frau Herzbruch und Frau Novemberregen übernehmen die Reiseberichterstattung und melden aus der Normandie. Da war ich auch schon, wo die sich jetzt herumtreiben, aber damals gab es noch keine Blogs. Da mussten wir uns die Urlaubsabenteuer noch abends am Lagerfeuer erzählen. Heute alles viel komfortabler!

Am frühen Sonntagmorgen stand ich auf dem Balkon, witternd wie ein alter und kenntnisreicher Bauer. Ich habe wissend oder doch wenigstens ahnend „Ah, heute“ gemurmelt. Denn es war da etwas in der Luft, etwas schwer zu Beschreibendes, eine vage Ahnung von Schärfe vielleicht. Eine kaum wahrnehmbare Änderung des Lichtes, des Geruchs und der Stimmung. Ein betont spätsommerlicher Morgen war es, überraschend kühl nach einem warmen, staubig-stickigen Großstadtabend. Die Standardeinstellung 12 Grad war es auf einmal wieder. Und was ich da wahrzunehmen meinte, das war diese feine Änderung, deren jahreszeitliches Pendant man irgendwann Mitte März registriert, wenn man auf einmal weiß, dieser Winter ist durch. So geht es mir jetzt mit dem Hochsommer.

Immer habe ich dabei die Hoffnung, dass es etwas Instinkthaftes ist, dieses Wittern der großen Wechsel, dass ich damit richtig liege. Es wäre mir eine angenehme Vorstellung, soweit den Tieren noch nahe zu sein. Auch wenn ich erfahrungsgemäß aufgrund dieses Wechsels in der Luft jetzt im Gegensatz zu manchen Tierarten weder im Paarungs- noch im Zugverhalten besonders auffällig werde. Auch wenn ich mir keine passende Höhle für den Winter suche oder mich erst einmal in tiefere Wälder zurückziehe, um dort heiser herumzubrüllen.

Nein, Contenance. Man ist doch so weit Mensch.

Und es werden noch mehrere Hitzetage kommen, ich weiß, heute schon wird es so einer werden. Es werden auch noch Früchte heranreifen und etliches an sommerlichem Programm wird noch stattfinden. Aber es hat sich doch etwas verändert, ist in Schieflage geraten und rutscht. Langsam, langsam.

Wie auch immer. Erst einmal belästigen mich zwei aufgekratzte Wespen, die den Bildschirm des Notebooks und mich schon zu früher Stunde bei erstem Tageslicht unangemessen hektisch und für meinen Geschmack auch entschieden zu dicht umkreisen. Es ist noch einmal volle Möhre August, keine Frage.

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Apropos Möhre. Am Wochenende bin ich kurz im Garten gewesen, der dieses Jahr Schauplatz einer krachenden Niederlage ist. Eine Niete im Parzellenlotto, ein Beetdesaster erster Klasse. Mit der Herzdame habe ich eine Weile erörternd darüber gesprochen. So recht erklären können wir es uns nicht, selbst unter Heranziehung der üblichen Faktoren wie Wetter, Schneckenplage, nicht geschafftes Gießen, Pilze, Sporen etc. reimen wir uns das nicht recht zusammen.

Vielleicht ist es so, dass, wenn man einen Garten lange genug hat, schon qua Wahrscheinlichkeitsrechnung zwischendurch ein betont maues Jahr dabei ist, ein fast vorhersehbarer Totalausfall. Mag sein.

Vielleicht ist der Garten auch beleidigt, weil wir noch nie so wenig dort waren wie in diesem Jahr. Weil die Söhne mehr dort waren als wir, die es dort allerdings nicht aus gärtnerischen Gründen hinzog, wie man sich bei Teenagern vorstellen kann.

Vielleicht schmollt der Garten also einfach mit uns und wir müssen erst mühsam wieder etwas gut machen, wie es oft in Beziehungen ist. Vielleicht müssen wir ihn im Oktober mehr als sonst mit dem großen Laubrechen kraulen, was weiß ich.

Wenn ich aber durch die Kolonie gehe, es ist immer gut, wenn man vergleichen kann, sehe ich, dass die Parzellen krass unterschiedlich ausfallen. Auch wenn sie ähnlich begärtnert werden. Hier der Garten Eden, und nur eine Hecke weiter deutliche Mangelbewirtschaftung, Steppe und dürres Kraut. Hier ein üppiger Bilderbuchobstbaum, der seine prachtvollen Äpfel, Birnen oder Pflaumen kaum noch tragen kann, daneben ein resignierendes Baumelend der genau gleichen Art, zwei grässliche Fruchtmumien im Geäst, zu früh welkendes Laub und sonst nichts.

Unterm Strich würde ich mich nicht wundern, wenn man die Unterschiede gar nicht erklären kann. Wenn alle immer nur meinen, sie erklären zu können, mit tausend abweichenden Theorien. Im Grunde ist das genau mein Humor. Wäre ich Gott (Gott bewahre!), ich hätte es exakt so eingerichtet und würde mich über den sinnlosen Ideenreichtum der Menschen endlos amüsieren.

Einzig die Tomaten neben unserer Laube haben auf der letzten Rille der Saison einen beachtlichen, nicht mehr erwarteten und unmöglich wirkenden Endspurt hingelegt. Sie schmecken fantastisch, eine sensationell aromatische Süße. Und es sind über Nacht auch unerklärlich viele geworden. Auch da muss ein Trick dabei gewesen sein. Man kann es nur so hinnehmen, nicht verstehen.

Und das ist nicht nichts. Das ist zumindest mehr als eine dürre Randnotiz, denn Tomaten sind wichtig als Geschmacksträger des Sommers und als entscheidendes Augusterlebnis. In das wir jetzt also gebissen haben.

Fleetblick in der Hamburger Innenstadt, rechts die Karl-Lagerfeld-Promenade

Rechts im Bild ein Stück Weg, das neuerdings Karl-Lagerfeld-Promenade heißt. Haben Sie das auch einmal gesehen.

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Standardstress und Perspektivverschiebung

Es waren noch einige Tage Urlaub übrig, die wir in Hamburg verbrachten. Und uns zum xten Mal sagten, dass das keine gute Idee ist. Zu viel Alltag kreiste um uns an diesen restlichen freien Tagen, Alltag der eher unangenehmen Sorte. Es waren zu viele Verpflichtungen zu spüren, zu viel Standardstress auch, der sich aus normalen Abläufen ergab. Zumal immer weiter unerfreuliche Post kam, wir haben einen etwas unerklärlichen Lauf.

Aber zuhause sein und nicht zum Briefkasten gehen, auch nicht in die Mails sehen – das klingt einfach, ist aber nicht leicht umzusetzen.

Sinnlos verschwendete Tage ohne nennenswerten Erholungswert waren es am Ende. Ich ärgerte mich darüber, was die Stimmung weiter verschlechterte. Man sollte sich im Urlaub nicht ärgern, es ist eine innere Fehlermeldung. In Spiralen tiefer nach unten, bis ich überzeichnet übellaunig drauf war, wie diese Figuren mit schwarzen Wolken über den Köpfen in den Lustigen Taschenbüchern etc.

Ich bin nicht deprimiert, es sind die Umstände, auch das wäre manchmal als T-Shirt-Aufdruck geeignet.

Sie hätte besser laufen können, diese Resturlaubswoche, sagte ich mir dauernd. Aber dafür hätten wir vermutlich woanders sein müssen. Den Urlaub im nächsten Jahr doch einmal etwas anders planen.

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Ansonsten werde ich neuerdings wie weithin bekannte A-Prominenz auf Schritt und Tritt gefilmt, sobald ich das Haus verlasse. Allerdings nicht nur ich, sondern viele mit mir, denn es gibt immer mehr Kameras in unserem kleinen Bahnhofsviertel, und nicht nur direkt am oder im Bahnhof. Sie erwischen mich auch auf den Wegen zum Einkauf etc., ich werde überall gut dokumentiert.

Aber nach wie vor würde ich es für sinnvoller halten, Menschen statt Technik auf den Straßen einzusetzen. Streifen etc., wie in den alten Edgar-Wallace-Filmen, in denen so verlässlich an jeder Ecke ein Bobby stand und aufpasste. Personalmangel, Personalkosten, dies, das, ich weiß.

Man hat manchmal altmodisch anmutende Wunschvorstellungen.

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Ich bin außerdem in der Ausstellung zum Werk des Fotografen Henri Cartier-Bresson gewesen, die noch bis zum 22. September im Bucerius Kunstforum läuft, direkt neben dem Rathaus. Darüber hat der geschätzte Kollege und formidable Kunstkenner Kid37 allerdings schon fast alles geschrieben, was mir nur einfallen könnte. Sämtliche Aspekte also bitte drüben nachsehen, er hat wenig übriggelassen.

Verwinkelt gestellte Wände mit Bildern in der Cartier-Bresson-Ausstellung, ein schwarzweißes Bild

Ich kann nur ergänzen, dass es auch an einem Sonntag mit strahlendem Sommerwetter direkt zu Beginn der Öffnungszeit schon gut gefüllt war, damit hatte ich nicht gerechnet. Und ich kann noch eben einen Besucher mit einer unerwartet vernichtenden Kritik zitieren. Es ist der Satz eines kleinen Besuchers, sieben oder acht Jahre alt wird er gewesen sein, den ich im Vorübergehen gehört habe. Er war mit seinen Eltern dort und stellte zwischendurch abwertend und missbilligend fest: „Es sind viel zu wenig Bilder aus Hamburg hier.“

Ich dagegen staunte, dass es überhaupt Bilder aus Hamburg gab. Die Perspektive auf so etwas verschiebt sich im Laufe der Jahre wohl etwas.

Zwei ältere Damen, von hinten vor Bildern der Cartier-Bresson-Ausstellung fotografiert, eine sitzt auf einem Klappstuhl, die andere hat diesen zusammengeklappt in der Hand. Ein schwarzweißes Bild.

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Mit Obst durch das Jahr

Die Reisebloggerei hat also wieder ein Ende gefunden und erneut nett bewiesen, dass einem das Unterwegssein die Zeit seltsam ausbeult. Ein Tag der Reise ergibt etwa zwei, wenn nicht sogar drei Tage im Blog. Und es sind dann in der Regel auch Tage, über die man sich mehr Gedanken als sonst gemacht hat. Wäre ich Reiseblogger und reich, ich lebte langsamer und länger. Oder was auch immer daraus abzuleiten ist.

Mehr Reisen bekomme ich nach dem momentanen Stand der Erkenntnis allerdings nicht hin. Schon wegen der fortwährenden Belästigung durch die Berufstätigkeit nicht, aber auch durch andere Hindernisse, die im Weg herumstehen. Bis hin zum eklataten Mangel an Fernweh, der auch eine Rolle spielt und mich Reisen stets erst genießen lässt, wenn ich unterwegs bin. Das ist nicht hilfeich bei der Planung, wie man sich vorstellen kann.

Jetzt gerade sollte ich etwa in Essen sein, was wir aber aus wenig angenehmen Gründen nicht geschafft haben. Ich muss die Berichterstattung daher anderen überlassen.

Wobei das zweite Halbjahr, welches zwar einerseits gerade erst begonnen hat, sich aber andererseits auch schon bedenklich dem Ende zuneigen wird, sobald ich mein Büro in der nächsten Woche wieder betrete, noch Überraschungen beinhalten kann.

Und zumindest einen kurzen Trip schaffen die Herzdame und ich vielleicht noch im frühen Herbst, es wird sich wohl eine Option ohne Söhne ergeben. Ich werde berichten.

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An den ersten beiden Tagen nach der Südtirolreise haben die Herzdame und ich viel zu erledigen. Viel zu viel wird es dann, im Haushalt, bei den diversen administrativen Fragen und Komplikationen, bei den Vorbereitungen auf den Alltag in der nächsten Zeit. Die Herausforderungen und Probleme dabei sind teilweise so absurd und seltsam übersteigert, bis hin zum still und kläglich versagenden Automotor, zur nicht startenden Geschirrspülmaschine und zu streikenden Home-Banking-Apps und dergleichen, dass wir nach der unerwartet mühsamen Abarbeitung eigentlich sofort neuen Urlaub brauchen. Die Laune sinkt nicht unerheblich.

Frau Novemberregen hat den für mich passenden Tonfall zum Aktionsprogramm der verbleibenden Hochsommertage: „Okay, es ist Sommer, eine Million Grad, was soll ich schon machen? Meine Güte.

Ja, so in etwa die Gefühlslage.

Ich bin für die erlebte Hitze im Süden dennoch dankbar, das war wie bestellt. Denn ich habe durch sie wieder die obligatorische und sich unverzichtbar anfühlende Herbstbereitschaft erreicht. Es wäre ohne diese Reise vielleicht etwas knapp geworden in diesem Jahr, denn das regenreiche Wetter in Hamburg hat bisher keine befriedigende Sommersattheit herstellen können. Trotz der wie immer zu warmen Wohnung. Aber nach diesem Trip durch die für mich große Hitze da unten – es wird dann schon okay sein, wenn die Jahreszeit demnächst wechselt. Ich finde es beruhigend, wenn ich diesen Zustand erreiche. Es fühlt sich richtig an und gehört so.

Die Herzdame und ich essen passend zum etwas zu früh erwähnten Thema Jahreszeitenwechsel den ersten Pflaumenkuchen vom Bäcker. Er ist allerdings sauer wie Fruchtessig und keine rechte Freude. Aber gut, haben wir diesen Saisonmarker auch pflichtgemäß mitgenommen und verspeist. Mit Obst durch das Jahr. Ich werde es später bei den Mandarinen sicher wieder erwähnen, das Blog als Gebetsmühle betrachtet.

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Im Stadtteil sehen wir noch überall die Reste vom CSD, den wir diesmal verpasst haben. Es fallen immerhin noch einige Bilder an.

Eine mit Kreide bemalte Ziegelwand, ein großes Herz, unter dem Liebe steht

Eine mit Kreide bemalte Ziegelwand, der Schriftzug: "Gleiche Rechte für alle" und zwei Herzen

Ein Pappschild an einem Fenster, von Hand beschrieben: "Bitte nicht vor unserem Schlafzimmerfenster pinkeln! Danke und Happy Pride"

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Gesehen: Diese Doku bei arte über Meryl Streep.

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Gehört: Ein Zeitzeichen zu Tove Jansson. Ich hatte mit den Mumins nie Kontakt, habe diese Bücher irgendwie immer verpasst, aber ihr Sommerbuch etwa ist mir in guter Erinnerung, das mochte ich.

Außerdem habe ich nach längerer Pause wieder ein Hörbuch gehört, „Das hohe Fenster“ von Raymond Chandler. Deutsch von Ulrich Blumenbach, gelesen von Thomas Sarbacher. Einige Kalauer in den Smalltalksequenzen zwischen den ach so harten Kerlen klingen deutlich so, als hätten sie auch dem gerade verstorbenen Rainer Brandt gefallen können.

Gelesen: Weiter im Zeno Cosini, für den ich zu lange brauche. Es regt sich ein fast sportliches zu nennendes Gefühl der Bewältigungabsicht. Am Ende wirkt Olympia, wovon ich wenig, fast gar nichts mitbekomme, doch auch auf mich. Lesen bis zum Gold der letzten Seite.

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Es gibt alles und in obskurer Mischung

Früh alle geweckt und schwungvoll bis energisch aus den Betten geworfen. Früh das Auto erneut mit der wie immer erstaunlichen Gepäckmenge beladen und dann mehrere Navi-Systeme verglichen, welches meint wie lange und wo entlang. Dann das übliche und eher grotesk ausfallende Ferienwohnungsrestefrühstück. Es gibt alles und in obskurer Mischung, das Zeug ist schließlich bezahlt und muss weg.

Noch einmal sämtliche Ritzen und Winkel der Ferienwohnung gründlich nach vergessenen Kabeln, technischen Kleinteilen etc. abgesucht. Bei einigen Kabeln länger überlegt, ob sie zu uns oder nicht doch vielleicht zur Wohnung gehören. Hoffentlich dabei nichts demontiert und geraubt. Leise Zweifel bleiben.

Wir waren, es sei zumindest nebenbei erwähnt und ist keine bezahlte Werbung, nein, auf dem Mareithof der freundlichen Familie Battisti. Das war alles fein dort, ich kann es empfehlen. Mir gefiel besonders die Nähe zum Ort und zu den Einkaufsmöglichkeiten, es sind nur ein paar Gehminuten. Ich mag es, wenn ich nicht fahren muss, und ich kaufe ausgesprochen gerne Alltägliches ein. Auch im Ausland, auch im Urlaub.

Die zeitige Rückfahrt mit dem Auto über den Brenner verläuft ebenso reibungslos wie die Hinfahrt. Es hat aber immer etwas von glücklichem Zufall, verbunden mit einem eher unangenehmen Gefühl der Hochspannung.

Und vom nächsten Jahr an bis etwa 2030, was sind das für Planungszeiträume, scheint unsere Standard-Reiseform leider keine allzu gute Idee mehr zu sein: Die Brennerstrecke wird teils einspurig. Man will es sich nicht vorstellen, wie es dort dann zugehen wird, und ich weiß, dass auch manche Hoteliers etc. in Südtirol diese Aussichten einigermaßen schauderhaft finden.

Am Ende müssen wir demnächst sogar anders Urlaub machen, müssen wir ganz neue Pläne machen, also noch mehr im Vorwege nachdenken. Ich bin jetzt schon von der Vorstellung genervt, denn ich kann die Online-Recherche nach Urlaubszielen, Unterkünften etc. nicht ausstehen. Es ist eine furchtbare, freudlose und stark belästigende Beschäftigung, die nur unter fortwährendem Fluchen über die schwersten UX-Fails und Dämlichkeiten auf Ferienwohnungsseiten, in Buchungskalendern etc. zu ertragen ist. Und auch dann kaum.

Aber gut, andere mögen das gerne, ich weiß. Und sie machen es ganzjährig nebenbei, quasi hobbymäßig. Ich aber möchte lieber nicht. Egal.

Da wir in und um Kaltern viel mit dem Bus herumgefahren sind, was in Südtirol erheblich besser und zuverlässiger geht als in vermutlich jeder deutschen Provinz (die Gedanken wandern mit großem Bedauern kurz nach Nordfriesland), kommen wir hin und zurück und auch eine Woche vor Ort in den Bergen mit nur einer Tankfüllung aus. Das ist eine Premiere, eine günstige und umweltfreundliche, das freut mich. Das mit den Bussen hätten wir vor Jahren schon machen sollen, wir haben es zu spät erkannt und genutzt.

Ähnlich wie in den letzten Jahren haben wir dann exakt ab dem Brennerhöhepunkt schlagartig verlässlich grauen Himmel. Es ist eine beeindruckend präzise Wetterscheide. Wie bei diesen digitalen Werbetafeln im Stadtbild, auf denen das Bild ab und zu wechselt, so eingeschaltet wirkt dieser Effekt über uns. Ein öder Himmel erstreckt sich auf einmal wieder endlos weit über uns, über die Bergketten hinweg.

Er ist uns Hamburgern in seiner Anmutung so vertraut wie die Raufasertapeten zuhause, und er bleibt uns an diesem Tag auch prompt bis rauf in die Heimat erhalten, wir werden auf die Rückkehr eingestimmt.

Unter grauem Himmel ist es nicht heiß, ich will mich also nicht beschweren, ich schreibe nur mit.

Ab der deutschen Grenze, man kann es nicht übersehen, wird der Verkehrsstrom schlagartig deutlich anstrengender, stressiger und immer öfter gestört. Es stockt und staut. Der Verkehr wird ruckeliger und die Vorwärtsbewegung der Menge anfälliger für die vielen Irren mit Egoproblemen– das fehlende Tempolimit und die Folgen wieder.

Siehe dazu aber auch in anderen Blogs, bei Frau Casino etwa und bei Christian Buggisch. Alle Argumente sind schon hundertfach geschrieben worden, an so vielen Stellen. Ein Thema, dem man nur noch mit großer Lustlosigkeit begegnen kann.

Wobei wir wahrlich keinen Mangel an solchen Themen haben.

München erreichen wir überaus pünktlich, das Auto wird problemlos abgegeben, ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Drei Stunden lungern wir noch in der Stadt herum, bis unser Zug in den Norden fährt.

Wir sorgen für etwas Bewegung, wir gehen ein wenig und allerdings eher sinnlos im Zentrum herum. Wo gerade ein laustarkes Happening der Hare-Krishna-Leute stattfindet, mit enthusiasmiertem Mantra-Gesang, Glöckchenklingeling, unverständlichen Lautsprecherdurchsagen, vielfach gerufenen Heilsbotschaften und allem. Was ich einigermaßen absurd finde, da ich neulich erst im Blog behauptet hatte, den Begriff Sekte lange nicht mehr gehört zu haben.

Wie unfassbar zuverlässig die Wirklichkeit mich bei so etwas trickreich beliefert.

Wir essen ein wenig, auf Wunsch der Söhne bei einer großen Imbisskette, man macht etwas mit. Wir gehen zurück zum Hauptbahnhof München, in dem alles kaputt ist. Die überwiegende Mehrzahl der Schließfächer, die Wechselautomaten daneben auch, Toiletten, das Gebäude sowieso. Herumirrende Touristen aus diversen Ländern, ein mehrsprachiges „Das gibt es doch alles nicht!“ Man hört deutlich, dass man es allgemein nicht glauben kann, was das für Zustände sind. Das hat man sich so nicht vorgestellt.

Zwei blauweiße Werbefahnen des Hofbräuhauses in München in einem Park

Dann in den ICE, in dem es dem aktuellen Klischee entsprechend tatsächlich nur eine einzige funktionierende Toilette gibt. Aber vielleicht sollte ich lieber schreiben, in dem es immerhin eine Toilette gibt. Alles bemüht positiver sehen! Auch die unübersehbaren Zeichen des Niedergangs in diesem Land. Vielleicht auch irgendwas schön daran finden, den versteckten Charme im Abstieg suchen. Was bei fehlenden Toiletten allerdings nicht eben einfach ist.

Die erste routinemäßige Unwetterwarnung für Hamburg erreicht uns kurz darauf noch vor Würzburg, während hinter uns, ich sehe es später in den Nachrichten, die Autobahnen um München herum im Starkregen absaufen. Nur ein paar Stunden später, und wir wären wohl nicht so einfach durchgekommen. Womit es in diesem Jahr ähnlich wie im letzten ist, die Unwetter verfehlen uns auf unseren Wegen nur knapp – auch das wird wohl immer glücksspielhafter, wenn man reist.

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In Hamburg sind bei unserer Ankunft am späten Abend noch etliche stark aufgebrezelte und bestens gelaunte Party-People vom CSD unterwegs, der an diesem Tag stattgefunden hat. 250.000 Gäste waren dabei, oder zumindest eine Menge ungefähr in dieser Größenordnung. Zertretene Glitzerkonfettireste liegen überall auf den Wegen um den Bahnhof, leere Sektflaschen kollern herum und etliche neue Aufkleber mit politischen Botschaften etc. sehe ich an den Stromkästen und Laternenmasten.

Die queere Szene hat also ihren berühmten Bonbontanz … Pardon, ich muss beim Anblick von Partyresten aller Art heute noch verlässlich an diesen uralten Clip aus der Sesamstraße denken. Manche Szenen bleiben einem fürs Leben. Wir haben damals ungeheuer konzentriert ferngesehen, denke ich.

Es ist erfrischend kühl in Hamburg. Jedenfalls für Menschen, die ziemlich weit im Süden waren. Es tröpfelt auch ein wenig, freundlich zurückhaltend nur, ein angedeuteter Willkommensregen. Es ist mir alles recht so.

Nächtliches Kofferauspacken in der nur zögerlich durchlüftenden Wohnung, die noch backofenwarm von den letzten Tagen ist. Es ist kein akzeptabler Gedanke für mich, so etwas am nächsten Morgen erst zu machen. Es muss nach Reisen alles sofort verräumt werden.

Ankommen. Fertig werden, umschalten. Sich dem Alltag wieder annähern.

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Und apropos Ankommen, es kam eine erfreuliche Geschenksendung mit weiterer Herbstlektüre: Sämtliche Erzählungen der Adelheid Duvanel. Der erste Satz, besonders einladend: „Noch vor einigen Monaten bemühte ich mich, gesellig zu sein.“ Sofort ein Lieblingssatz. Ich hatte neulich die Radiowissensendung über die Autorin verlinkt – Schriftstellerin im Schatten. Herzlichen Dank!

Es kamen auch noch ein Eimer mit reichlich Eichhörnchenfutter für die Mitbewohnerinnen auf den Bäumen im Garten und zwei weitere Bücher, es war ein Fest der Geschenksendungen. Zum einen Wunschlektüre für den Stapel der Herzdame, „Sörensen am Ende der Welt“ von Sven Stricker, zum anderen das in den Feuilletons vielgelobte und von mir vor einiger Zeit bei Anke Gröner entdeckte „Jeder schreibt für sich allein“ von Anatol Regnier. Noch einmal herzlichen Dank!

Die Herbstlektüre wird damit reichlich leserinnengestützt ausfallen, es ist alles sehr fein.

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