Die kurze Zeit der Kirschen

Nachdem ich mir den Film „Nachtblende“ mit Romy Schneider, Fabio Testi, Jacques Dutronc und Klaus Kinski angesehen und etwas anstrengend gefunden habe, sehe ich noch einmal einen viel späteren Film des gleichen Regisseurs. „Die Treue der Frauen“. Mit Pascal Greggory und Sophie Marceau, die darin eine Liedzeile singt, in der es um die Zeit der Kirschen geht. Nur kurz singt sie diesen Text, leicht zu überhören, eine winzige Unaufmerksamkeit reicht aus und man hat es verpasst. Sie singt es aber, während ich gerade eine Kirsche esse, und Sie wissen, ich bin ein großer Freund solcher Gleichzeitigkeitsmomente im Alltag.

Ich liebe diese etwas zauberischen Parallelen. Ich beachte sie, ich würdige sie auch nach Möglichkeit ausführlich. Also stoppe ich den Film und sehe mir die Szene noch einmal an. Also nehme ich mir dabei auch noch eine Kirsche. Und ich höre genauer zu und lese schließlich nach, was ich da höre.

Ich lese über dieses Lied, „Le temps des cerises“, das in Frankreich allgemein bekannt ist und einen linken Widerstandskontext hat, das man hier aber nicht unbedingt kennt. Es kommt meines Wissens, das heißt aber selbstverständlich nicht viel, nirgendwo prominent vor, in keiner Version.

Ich höre und sehe mir dann etliche Varianten auf Youtube an, das ist immer eine schöne Beschäftigung. Aufnahmen von Yves Montand, Juliette Gréco, Nana Mouskouri etc., quer durch die französische Chansongeschichte. Es gibt auch Joan Baez, Wolf Biermann oder Hannes Wader, Reinhard Mey. Aber bei allem Respekt, ich bleibe diesmal doch im französischen Bereich der Kultur.

So kann man jedenfalls hervorragend von einem Film abkommen, und warum auch nicht. Es gibt interessante Versionen dieses Liedes, teils sind es bewegende Aufnahmen. Hier etwa Charles Trenet, er singt in schwerer Zeit von den Kirschen.

Das Lied wird nach dem langsamen Einstieg angenehm swingend, und man könnte nach ein paar Takten glatt noch einmal den Lindy-Hop-Grundschritt durchs Wohnzimmer … doch, ich komme ernsthaft in Versuchung.

Aber sie ist kurz, die Zeit der Kirschen, mais il est bien court le temps des cerises, so singt er da.

Und bei dieser Zeile ist es wirklich empfehlenswert, eine Kirsche im Mund zu haben, das wollte ich nur eben sagen. Zur Nachahmung empfohlen.

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Gehört, leider unpassend in diesem Zusammenhang, aber so ist es eben: Eine Folge Radiowissen über Bismarck. Es gab dabei keine neuen Erkenntnisse für mich, aber eine Wiederholung des Stoffes schadet immerhin nichts, wie mir mitlesende Geschichtslehrerinnen gewiss jederzeit bestätigen können.

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Zwei Texte zum Ernst der Zeit las ich. Einen von Constantin Seibt: „Ein Kind meiner Zeit“ mit der Frage, was zum Teufel alle gerade übersehen, und eine Buchbesprechung von Maya Goodfellow im Guardian: „What if there is no solution?

Spät fragt ihr, aber ihr fragt, denke ich mir beim Lesen. Die Verdrängung ist am Ende doch nicht das, was uns über Wasser hält.

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Der Vorhang fiel für Donald Sutherland, da ist das folgende Video sicher überaus erwartbar. Wie fast immer gilt, dass es auch interessant ist, die Geschichte des Songs nachzulesen. Ich hätte Mitte der Achtziger als Entstehungszeit des Songs geschätzt, und ich lag tatsächlich einmal richtig. Auch schön.

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Wenig von allem

Die Herzdame brach am Montagmorgen zu einer weiteren Dienstreise auf, ins entlegene Dortmund. Wo kaum Hotelzimmer zu finden waren, weil auch da Fußball gespielt und das Stadion reichlich besucht wurde. Dienstreisen zu EM-Zeiten sind eher speziell, berichtete sie, man sollte das meiden. Sie residierte notgedrungen irgendwo weit vor der Stadt mitten im Wald, fand es aber leider wenig romantisch dort. Zumal auch das Reisen bei Unwettern und Starkregenereignissen nicht empfehlenswert ist. Unbill aller Art.

Auf ihrer Rückreise dann ausgefallene Züge, verspätete Züge, Personen im Gleis, Rehe im Gleis, Fußballfanmassen auf Bahnhöfen. Das ganze Programm, bei dem man irgendwann denkt, dass ein Pferd vielleicht doch das bessere Verkehrsmittel war. So überaus treu und zuverlässig, man kam damit irgendwie durch. Oder zumindest steht es so in den Büchern.

Abenteuer der Zeit jedenfalls. Aber auch passend zu meinem Text „Und dann steht man da und wundert sich“, denn auch bei Reisen, sogar bei so kurzen Reisen, erwartet mittlerweile niemand mehr, dass sie einfach und gelingend ablaufen. Dysfunktionale Regelfälle als Kennzeichen der Epoche, so stellt es sich dar.

Ich dagegen bin nach der Arbeit im Home-Office nur kurz in den Garten gefahren, denn es gab sagenhafte zwei, drei Stunden ohne Regen, es war ein bemerkenswerter Tag. Ich habe einem Sohn den Rasenmäher erklärt und diese schöne Aufgabe damit an die nächste Generation übergeben.

„Eines Tages wird das alles dir gehören.“

„Na toll.“

Nebenbei gab es die ersten beiden ausgereiften Himbeeren für mich. Und bei einem Rundgang durch die Beete die verfestigte Erkenntnis, dass die Ernte insgesamt so mickerig und kläglich wie nie zuvor in unseren sechs Parzellenjahren ausfallen wird. Es gibt wenig von allem und von etlichem nichts, so kann man den Ertrag knapp zusammenfassen. Der Erntedank wird später im Jahr entsprechend kurz ausfallen können, man kann das Nahrungsangebot dieses Fleckchens Erde knapp abnicken und durchwinken.

Aber auch damit sind wir, so lese ich in einigen Kleingärtnerinnenlogs etc., nicht allein in diesem Jahr. Es scheint überall oder zumindest bei vielen etwas sonderbar oder noch schlimmer zuzugehen. Das nasse Frühjahr, der späte Frost, die allmächtigen Schnecken, meine Herren und deine. Das Wetter, das Klima oder die Trockenheit der letzten Jahre. Was weiß ich, was wissen wir, alles zusammen wird es sein oder man sucht es sich eben aus, wie es argumentativ passt.

Wieder zuhause sah ich letzte und allerletzte Spargelrezepte in den Foodblogs, der Vorhang fällt allmählich fürs Frühlingsgemüse. Spargelsilvester am 24. Juni, also gleich, dann auch das Rhabarberfinale. Ich glaube, ich habe versehentlich nur ein einziges Mal Spargel gegessen in diesem Jahr, auch nur einmal Rhabarberkompott.

Das passt gut den Kontext der Merkwürdigkeiten 2024.

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Beim Bäcker, ich sah es am Morgen, kann man jetzt „Stürmer“ kaufen, das sind rasengrün gefärbte Kuchenstücke. Passend zum sportlichen Großereignis.

Nun ja. Immerhin noch besser, als wenn etwas mit diesem Namen wieder im Presseregal an den Kiosken ausliegen würde, wie man in unseren Zeiten zumindest nebenbei denken könnte.

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Die Kaltmamsell hat noch an meine Bahnhofsgeschichte „Pano“ etwas angelegt.

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Gehört: Eine Folge Radiowissen über Hans Leipelt, also über die Weiße Rose in Hamburg, und dann noch eine über Vicki Baums Menschen im Hotel. Ein Buch, an das ich mich ausgesprochen gerne erinnere.

Ein Aufkleber an einem Mülleimer an der Hafenpromenade: "Alle zusammen gegen den Faschismus". Im Hintergrund das Museumsschiff Rickmer Rickmers.

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Gesehen, nein, noch einmal gesehen in diesem Fall: Heimat, süße Heimat von Jirí Menzel, aus dem Jahr 1986, doch schon so alt. Weil man ab und zu auch Wohlfühlfilme braucht, nach denen man nicht noch mehr an der Welt verzweifeln möchte. Wobei die Darstellung häuslicher Gewalt in der Geschichte nicht eben gut gealtert ist. Man würde das heute anders aufbereiten und sicher nicht mehr einfach so und nebenbei in einem humoristischen Erzählschwung aufgehen lassen.

Da auch mal eine richtige Entwicklung zur Kenntnis nehmen. Wichtig.

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Zeitzeichen und Sätze

Ich höre am Morgen ein Zeitzeichen über Habermas, „Großdenker der Frankfurter Schule“ (15 Minuten). Was auch ein wenig lustig ist, da sich die Kulturszene in meiner Stadt gerade bei einem Streit über die „Hamburger Schule“ zerlegt hat. Daran waren aber eher keine Philosophen beteiligt.

(Kleiner Spaß nebenbei: „Stadtnamen + Schule“ googeln, auch ein Ranking der Städte in diesem Land.)

Ich weiß nun sicher nicht genug über Habermas. Wie ich bei der Philosophie insgesamt eher erbärmlich schwache Kenntnisse habe, ich bin nie mit dieser Wissenschaft warm geworden. Schon mehrmals im Leben habe ich gedacht, das müsste mich eigentlich interessieren. Einfach so herumdenken, das müsste doch passen, also mach doch mal. Studiere das doch mal, lies das doch mal alles nach. Und dann zündete es aber jeweils nicht.

Ich konnte mich immer nur mit Teilchen der Denkgebäude halbwegs begeistert befassen, nie mit den komplexeren Theorien, nie mit den Mühen der Ebene. Vermutlich auch eine Frage der Konzentrationsfähigkeit, meine Grundschullehrerin hat es damals ja gleich gesagt. Aber egal.

Herr Habermas wird da jedenfalls zitiert mit dem Satz: „Indem wir miteinander sprechen, begeben wir uns auf Konsenssuche.“ Darauf wollte ich kurz hinaus.

Ich habe leider nicht genau verstehen können, wie alt dieser Satz von ihm ist, ich nehme aber an, er hat ihn in den 60ern gesagt oder geschrieben. Er klingt ein wenig abgehangen, dieser Satz. Es muss eigentlich so sein. Denn es ist ein Satz, nicht wahr, bei dem man sofort und allerdings ohne adäquaten Tiefgang anmerken möchte, dass das doch heute kein Schwein mehr so sagen würde, nach ein paar Jahren Internet, Twitter, Politpodcasts und Talkshowformaten.

Es kommt einem, es kommt zumindest mir mittlerweile eher abwegig vor, das so edel zu sehen, wie es Habermas formuliert hat. „Indem wir miteinander reden, bemühen wir uns um die Durchsetzung unserer Meinung.“ So würde man es in diesen Zeiten vermeintlich treffender formulieren wollen. Der Satz beschreibt auf diese Weise umgestaltet die Welt doch etwas erkennbarer. Die Konsenssuche als Relikt der Vergangenheit.

Wenn Sie viel auf Social Media herumlungern, werden Sie da in den letzten Tagen vehemente Diskussionen gesehen haben, oder nein, keine Diskussionen, eher Kommentarwürfe und Meinungshagelschauer, die das so zu bestätigen scheinen. Von Konsensfindung oder auch nur Bemühungen in diese Richtung keine Spur.

Aber wie gesagt, es ist nicht mein Fachgebiet. Und wenn es um die Historie der Sprache des Menschen geht, ist der Gedanke sicher richtig. Wir haben uns vermutlich abgestimmt und den Konsens gesucht, bei der Großwildjagd und beim gemeinsamen Sammeln von leckeren Beeren und so. Früher.

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Außerdem gehört: Eine Folge Radiowissen über das Bildungsbürgertum, Wissen als Währung. Wenn Sie mit dem Thema Schule und Bildung zu tun haben, hören Sie da mal rein. Es wird sie als geschichtliche Ableitung des Gymnasiums etc. interessieren.

Und schließlich noch eine Folge über Luise Rinser, die ich nie gelesen habe und die mir auch als Schullektüre nicht begegnet ist. Und bei der mir der große Skandal im Jahr 2011 um ihre teils erfundene Biografie, um ihre falschen Angaben zu ihrem Leben und Leiden im Dritten Reich komplett entgangen ist. Nanu.

Aber gut, das war noch die Kleinkindzeit hier im Haushalt. Ich war vermutlich stark abgelenkt.

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Pano

Jemand spricht mich in fremder Sprache auf der Straße an, ich komme gerade aus dem Supermarkt. Ein Mann etwa in meinem Alter, mit etwas verwirrtem Blick und offensichtlich in Eile, wenn nicht schon in Hektik. Er will vermutlich einen Weg wissen, das kommt hier manchmal vor. Nicht mehr so oft wie früher, es haben alle Navigations-Apps auf dem Handy, aber noch ab und zu.

Der Mann sagt allerdings komplett unverständliche Sätze in einer Sprache, die ich nicht recht einsortieren kann. Ungefähre Richtung Südosteuropa wäre mein erster vager Tipp. Mehrfach sagt er „Pano.“ Und guckt mich dabei hoffnungsvoll an. Er sagt, mit beiden Händen Abwehr gestikulierend, „No English“, und dass er kein Deutsch kann, das ist eh schon klar.

Was aber ist Pano? Ich gucke kurz irritiert und schalte nicht eben bemerkenswert schnell. Er formt mit Mühe und unter erheblichem Muskeleinsatz um den Mund herum aus dem Pano ein „Pannof“, so dass ich endlich erfolgreich Bahnhof raten kann, so dass ich ihm jetzt auch mit der Hand die Richtung weisen kann. Der Weg von hier aus ist einfach, immer geradeaus.

Es ist manchmal schön, jemandem den Weg zeigen zu können. Eine simple Freude, gelungene Kommunikation und Interaktion, sogar über sprachliche Hürden hinweg.

Denke ich mir so. Und es ist wohl etwas schade, dass wir das nur noch selten können oder müssen. Noch ein Thema, bei dem Menschen immer weniger mit Menschen zu tun haben, und es gibt doch entschieden zu viele solcher Themen. Dieser Mann in der Fremde jedenfalls freut sich jetzt sichtlich, womöglich ist er vor mir an anderen Passanten gescheitert, das kommt mir wahrscheinlich vor. So sehr freut er sich, so sehr strahlt er, für einen Moment fürchte ich, dass er mich umarmen möchte.

Aber er hat sich dann doch im Griff und geht schnell weiter, auf die Uhr sehend, Richtung Pano. Ein paar Schritte geht er, dann fängt er an zu laufen. Wer weiß, vielleicht bekommt er seinen Zug noch eben in letzter Minute und ich bin damit ein Teil, ein winziger Teil irgendeiner Geschichte. Ich habe es wieder einmal zur Nebenfigur gebracht, wofür man in aller Regel aus dem Haus gehen muss. Das gelegentlich als Motivation im Alltag mitdenken.

Der Schriftzug "Komm raus" auf einer Wand an einem Treppenaufgang vor einem Haus

Oder, nehmen wir es ein wenig romantischer, er holt sie gerade noch rechtzeitig am Bahnsteig ab, an dem sie in diesen Minuten die letzte Hoffnung verlor, dass er noch wie verabredet auftauchen könnte. Oder ist das bereits Kitsch. Egal, nichts ist so kitschig wie die Wirklichkeit. Ich kann mir das ruhig so vorstellen, beschließe ich. Dann wirkt mein Anteil daran gleich noch ein wenig netter, am Ende habe ich das nächste Kapitel überhaupt erst ermöglicht. Man kann jetzt umblättern, und das nächste Kapitel beginnt dann erfreulicherweise mit einem Plural: „Sie gingen“ oder dergleichen. „Als sie am nächsten Morgen aufwachten …“

Weil ich ihm den Weg gezeigt habe, nicht wahr. Ich habe Anteil. Und wer läuft nicht gerne zumindest als Kleinstrolle durch Liebesgeschichten.

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Frieren und Verdampfen

Das Sommergefühl am entspannten Sonntagmorgen, welches man Mitte Juni doch halbwegs sicher erwarten kann, es wird erzeugt durch den Biss in einen überreifen Pfirsich. Keineswegs aber ist das Wetter an diesem Gefühl beteiligt, das spielt weiterhin einfach nicht mit.

Fruchtsaftsabbernd stehe ich vorgebeugt über der Spüle, wie es anders bei diesem Obst auch kaum denkbar ist. Aber immerhin diese Junijuli-Süße auf der Zunge, denke ich. Immerhin die entsprechenden Assoziationen im Kopf und all die Erinnerungen an den früher so sicher erscheinenden Zusammenhang zwischen Sommerfrüchten und Wärme. Man bastelt es sich im Geiste wieder alles einigermaßen zurecht. So wie man es kannte, soll es sich anfühlen, so wie es vermeintlich gehört.

Dabei ist mir weiterhin entschieden pulloverig zumute. Unter meinen nackten Füßen ist das Laminat in der Küche heute auch nicht warm genug.

Und der Regen, er läuft an diesem Morgen wieder in wirren Spuren und sich unentwegt eilig erneuernd über die Scheiben der Dachfenster. Dahinter, nur verschwommen zu erkennen, der alte Kirchturm. Wabernd beult er sich aus, durch die Tropfen betrachtet.

Und der Regen, er regnet jeglichen Tag.

Später am Tag dann doch entschlossen einmal rausgehen, der Mensch braucht Bewegung. Und da kommt die Sonne tatsächlich ebenfalls raus, noch während ich den ersten Schritt vor die Tür mache, genau gleichzeitig treten wir beide hervor.

Dann braucht es nur noch wenige Minuten und einige Schritte in der ungewohnt gleißenden Helligkeit bei rapide steigenden Temperaturen, und ich verdampfe schier in meinen vermeintlich so klug gewählten, regentauglichen Klamotten. Es geht etwas hin und her hier, in diesem Junapril.

Aber egal. Anderswo sterben die Menschen gerade an Hitze und in zwei Wochen steht die 30-Grad-Marke auch hier schon drohend im Wetterbericht, ich will mich lieber nicht beschweren.

Ich schreibe nur mit.

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Auf den Straßen sehe ich später alles voller Menschen in Orange. Holland spielt in dieser Stadt und das halbe Land scheint dafür angereist zu sein. Die EM ist auch für eher Desinteressierte beim besten Willen nicht zu übersehen. Und zwar spielen die Holländer gegen Polen, aus diesem Land laufen aber weniger Fans herum, obwohl es auch nicht weit weg ist. Diese Fans dann durchweg in rotweißer Kleidung.

Einige aus den beiden Ländern tragen auch Perücken, Kostüme etc., mehr oder weniger lustig, alles orangefarben oder rotweiß. Vieles aus Plastik ist dabei, billig glänzendes Partyzubehör. Und außerdem ist noch Opferfest, da tragen besonders die Gläubigen aus afrikanischen Ländern prächtige, bunte Festkleidung, vieles in ebenfalls glänzendem Blau, vermutlich eher nicht so billig, und das mischt sich dann auf sonderbare Weise in der Menge mit den bunten Fußballkostümen.

Da geht einiges thematisch wild durcheinander, ergibt aber im Mix ein ungemein farbenfrohes, hier äußerst ungewohntes Bild in den Fußgängerzonen und unten am Hafen, wo ich herumspaziere, eine geradezu karnevalistische Anmutung in der Stadt, mit etlichen sonderbar gut gelaunten Menschen.

Immerhin aber ohne Bützchen, alles hat Grenzen.

Über diesem Szenario stehen mehrere Hubschrauber wie angepinnt am Himmel über der Stadtmitte, knatternd begleiten sie uns über Stunden durch den Tag. Das unvermeidliche Hintergrundgeräusch der sommerlichen Großereignisse, wie auch die fast konstanten Polizeisirenen um den Bahnhof herum. Als würden sie da immer im Kreis um das Riesengebäude fahren, Stoßstange an Stoßstange.

Wie man in den Nachrichten lesen kann, gab es auch Grund für die Betriebsamkeit der Polizei. Nicht alles ist lustig und bunt an diesem Wochenende.

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Noch später und wieder zwischen zwei Schauern, hop heisa bei Regen und Wind, kurz in den Garten gefahren und dort die erste nasse Kirsche direkt vom Baum gegessen. Immer ein Höhepunkt des Schreberinnenjahres. Allerdings sind die Kirschen damit deutlich vor den Stachelbeeren reif, die nicht recht vorankommen wollen in dieser merkwürdigen Saison, und das verwirrt mich schon wieder. War das denn jemals so? Oder geht wirklich alles durcheinander?

Man müsste auch das akribisch nachlesen, um es besser zu verstehen, aber ich komme dann davon ab.

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Vanessa war hier um die Ecke und hat jemanden erfolgreich angefeuert. Mir kommt dieser letzte Platz, von dem sie berichtet, ehrenwert und respektabel vor.

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Nils Minkmar schreibt wenig erbaulich über die Lage in Frankreich. Aber was kann man schon noch erwarten. Und was kann man uns allen noch wünschen, außer vielleicht bonne chance. Und viel ist das wahrlich nicht.

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Und dann steht man da und wundert sich

Bei meiner Mutter ging der hochbetagte Fernseher kaputt, ich bestellte ohne große Recherche einen neuen. Ich habe mich nicht erst lange informiert, denn ich verstehe von Fernsehern überhaupt nichts und sie interessieren mich auch nicht. Selbst sehe ich nicht fern und hatte keine Zeit und auch keine Lust, mich da erst mühsam einzuarbeiten. Ich wollte nicht vergleichend Spezifikationen nachlesen, bei denen ich nicht einmal die Messgröße und die Sollwerte kenne.

Ich wusste nur, wie groß das Gerät sein sollte. Der Rest, so dachte und hoffte ich, würde dann schon irgendwie funktionieren, wenn ich einfach das Nächstbeste nehme. Sie werden doch wohl alle können, was sie sollen, diese Fernseher heutzutage. Es ging immerhin nicht um „smart“ und tausend Apps und zuschaltbare Streamingdienste, es ging nur um simples Kabelfernsehen. Die Standardlösung, wie früher. Und es war eilig, der Fernseher wurde dringend gebraucht, denn das Gerät muss, wie bei vielen älteren Menschen, oft laufen. Vermutlich würde es mir ohne Internet auch so gehen, ich will das nicht bewerten.

Und es war dann so: Der neue Fernseher war erstaunlich günstig, ich hatte mit einem viel höheren Preis gerechnet. Ich lag vollkommen falsch in meiner Erwartung. Er wurde schon am Tag nach der Bestellung geliefert, pünktlich und freundlich. Ich bin zu meiner Mutter gegangen, habe ihn ausgepackt, den Fuß an den Bildschirm geschraubt, alles aufgebaut, eingestöpselt und eingeschaltet. Ich habe das Gerät in etwa zehn Minuten fertig eingerichtet. Das Menü war verständlich, und dann lief auch schon alles. Es lagen sogar passende Batterien für die Fernsteuerung in der Sendung, und die tat dann auch, was sie sollte.

Meine Mutter und ich standen etwas verblüfft vor dem neuen Bildschirm, auf dem irgendwas im Nachmittagsprogramm lief. Bestes Bild, bester Ton.

Wir hatten das nicht erwartet. Das ist das Interessante daran, finde ich. Wir rechneten beide nicht mit einem gut laufenden Vorgang, mit Reibungslosigkeit und Einfachheit, und zwar rechneten wir nicht im Entferntesten damit. Nicht bei der Bestellung, auch nicht bei der Lieferung, schon gar nicht bei der Inbetriebnahme. Und da kann man einmal sehen, dachte ich, wie selten so etwas geworden ist.

Es ist aber selbstverständlich schwer zu messen, ob und in welchem Ausmaß man da richtig liegt. Ob es mittlerweile ernsthaft und statistisch greifbar weniger gut laufende Prozesse und Dinge gibt als in irgendeinem schwer abzugrenzenden Früher, oder ob es doch eher eine Stimmungs- oder sogar Alterssache ist, ein Wahrnehmungsproblem. Ein vielleicht längst kollektiv gewordener Shift ins Pessimistische und Skeptische, der uns das alles so empfinden und immer wieder erwarten lässt. Mit einem nicht eben geringen Anteil von Self-Fulfilling-Prophecy. Man kann es kaum sachlich richtig auszählen.

Vor allem hätte man schon früher alles zählen müssen, um korrekt vergleichen zu können. Man hätte stets das mitzählen müssen, was gut war und uns nicht gestört hat, was vollkommen glatt lief. Und das macht niemand. Noch einmal das passende Knef-Zitat, ich hatte es neulich schon: „Dass es gut war, wie es war, das weiß man hinterher, dass es schlecht ist, wie es ist, das weiß man gleich.“ (Aus dem Lied „17 Millimeter fehlten mir zum Glück“, hier bei Youtube, auch so ein Lieblingslied)

Man kommt da also nicht recht zum Schluss. Man verbleibt bei einem Verdacht und einem merkwürdig sicheren Gefühl, dass es insgesamt eher abwärts geht. Quasi mit allem. Mit uns, mit dem Land, mit der Gesellschaft.

Und man stellt nur nebenbei fest: Ab und zu läuft doch etwas gut. Und dann steht man da und wundert sich.

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Möwen, Kirschen, Juni

Ich habe noch nie gesehen, dass Möwen Kirschen essen, aber heute wird es mir vorgeführt, ich sehe es vom Balkon aus. Eine Möwenbande fällt ein, fünf oder sechs Vögel sind es. Sie umkreisen gierig den alten Kirschbaum nebenan, dessen Früchte unter der in Hamburg rar gewordenen Sonne gerade erst etwas Röte gewonnen haben. Sie greifen ungeschickt schnappend im Vorbeiflug zu, und man sieht, dass sie dabei keine hohe Erfolgsquote haben können. Geschicklichkeit sieht anders aus.

Sie setzen sich auch auf für sie viel zu dünne Zweige und verrenken sich dann den Hals vom wild wippenden Ansitz aus, mit dem aufgerissenem Schnabel vor den tanzenden Früchten herumfuchtelnd. Sie versuchen, wie die Stare vorzugehen. Und man sieht sofort, das ist nicht ihr Metier, davon haben sie keine Ahnung. Sie machen da bei etwas mit, für das sie nicht geschaffen sind, und sie scheitern mit großer Selbstverständlichkeit daran. Auch bei Möwen hin und wieder etwas mitfühlen.

Ich lese im Internet nach, ob Möwen häufiger versuchen, Obstbäume zu plündern. Und ja, das ist tatsächlich der Fall. Es ist mir bisher nur nie begegnet.

Für ein seltsames Sommerbild reicht mir dieser Moment jedenfalls. Sechs Möwen vor verlässlich grauem Himmel rauben unbeholfen flatternd unter gellendem Überfallgeschrei blassrote Kirschen aus Nachbars Garten. Das ist hier gerade der Juni, und auch bei diesem Bild wiederholen wir spontan ein Lied, ein Lieblingslied.

Natürlich tun wir das. Und wir trinken bei der Gelegenheit vielleicht auch am Abend ein Glas auf Herrn Koppruch und andere Abwesende. „2024 und er fehlt einfach“, steht auf Youtube in den Kommentaren zum Song. Jo.

Im Bild allerdings sind heute nicht die Kirschen in Nachbars Garten. das sind die vom eigenen Baum. So ist gerade der Stand bei uns.

Eine Handvoll roter Kirschen an einem Zweig, im Hintergrund Beete

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Im öffentlichen Bücherschrank steht neben Ibsens Dramen und einigen Werken von Steinbeck und Danella, die Mischung dort ist natürlich immer wild und besonders bunt, Georg Stefan Trollers „Personenbeschreibung – Tagebuch mit Menschen“. Eine angenehme Lektüre, selbst wenn man abends vor Müdigkeit nur noch zwei, drei Seiten schafft. Kurze und sehr kurze Texte über seine beruflichen Begegnungen mit bekannten und schon nicht mehr so bekannten Personen in Paris und drumherum, immer interessant.

Herr Troller ist, wenn ich es richtig sehe, sagenhafte 103 Jahre alt, sein letztes Buch ist nicht lange her. Auch mal solche Vorbilder zur Kenntnis nehmen.

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Ausklänge und Abgesänge

Die Kaltmamsell zitiert hier aus Ulrike Draesners „Die Verwandelten“, und die Zitate gefielen mir. Also gleich mehr nachgelesen – bei Perlentaucher –das Buch dann auch vorgemerkt.

Weiter unten bei der Kaltmamsell im Text der verlinkte Artikel zur nicht mehr existenten Welt der Kindheit, der ist auch beachtenswert. Und es gibt da schon wieder einen Bezug zu den Filmen aus den 70ern, die ich mir gerade reihenweise abends ansehe. Einige der Änderungen, die im Text angesprochen werden, sieht man dort in den Stadt- und Straßenbildern. Deutlich sieht man sie, etwa die reine Anzahl der Autos, ihre veränderte Größe auch. Und wie man die sieht. In „Blutige Hochzeit“ von Chabrol, 1973, wird eine Kleinstadt gezeigt, in der es kaum Verkehr gibt, in der ein nächtlich fahrendes Auto noch auffällt. Das wird schon damals nicht mehr so gestimmt haben, aber es war auch keine Satire, es war noch vorstellbar.

Wenn Sie in einer großen Stadt wohnen, recherchieren Sie doch auch einmal, wie viele nach Ihnen noch dorthin gezogen sind, das lohnt sich vermutlich. Schon weil man dann schlicht und beruhigend merkt, dass man Recht hat. Es hat sich wirklich, wirklich alles enorm verändert und ja, da laufen tatsächlich viel mehr Menschen herum als damals. So viel mehr.

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Aus der Schule erreichten uns in dieser Woche schon die ersten Mails, die auf das Ende des Schuljahres hinweisen, auf den Ferienbeginn in einigen Wochen. Sommermeldungen also, Terminhinweise, Abschiedsfeste und -aktionen auch, Ausklänge und Abgesänge.

Sohn I erlebt eine grundlegende Systemänderung und erreicht die Oberstufe. Da endet ein großer Abschnitt seiner Jugend, die Zeit in einer Klasse ist vorbei.

In einem Absatz der Mail wird dann noch nach den Schwimmabzeichen der Schülerinnen und Schüler gefragt. Schwimmabzeichen! Gefühlt haben unsere Söhne ihre Schwimmabzeichen vor etwa zwanzig Jahren gemacht, und so alt sind sie noch gar nicht. Erstaunlich.

Die Lehrerinnen schreiben jedenfalls diese vollkommen erwartbaren Mails und setzen damit Marker für Jahreszeitenwechsel, für Phasen und unterliegende Rhythmen in der Zeit. Mir fällt es besonders auf, weil ich das beruflich auch mache. Eine Mail schreiben und damit das Halbjahr beenden, das Quartal, das Jahr. Das sind feste Rituale, seit Jahrzehnten mache ich das schon, und manche Kolleginnen werden bei meinen Mails sicher das denken, was ich bei diesen Lehrerinnenmails denke: Ach guck, ist das auch schon wieder vorbei.

Ein Blick zum Kalender vielleicht, wenn es noch einen an der Wand gibt, ein kurzes Kopfschütteln. Dann weitermachen.

Blick von der Kennedybrücke auf die Außenalster unter blaugrau verhangenem Himmel. Einige Segelboote, im Hintergrund die Mundsburghochhäuser.

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Sehr grobe See

Satzbruchstücke, die ich am Tag nach der Wahl im Vorübergehen auf der Straße gehört habe, beide in einer Stunde:

„Hier, Olaf Scholz, der ist doch in der CDU …“

„Die Wagenknecht war doch bis neulich noch selbst in der AfD, und jetzt ist sie aber gegen die oder was.“

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In den Timelines werden dieser Tage vermehrt Heizungen erwähnt, man denkt an sie, man macht sie an, man zieht es zumindest in Erwägung. 12 Grad, nachts noch weniger, dazu der Regen. Und Wind bis Beaufort 7 aus Nordwest, in der Definition dieser Stärke ist von „sehr grober See“ die Rede. Da kommt man hier und da in Versuchung, die ersten geben also nach. Die Stimmung ist allgemein spätoktobrig.

Auf dem Wochenmarkt in Hammerbrook stehen die Verkäuferinnen frierend hinter dem sommerlichen Obst, und in den S-Bahnen sehe ich wieder Menschen in dicken Winterjacken. Man hat sie doch noch einmal herausgekramt, das morgendliche Fluchen vor den Schränken kann ich mir vorstellen. Auch Schals und Mützen sind im Einsatz, und passend zu diesem Bild in der Bahn lese und höre ich wieder vermehrt von Corona-Infektionsmeldungen, dummerweise auch im näheren Umfeld.

Wie auch immer, wir nennen es postpandemisch und haben noch Tests auf Lager, natürlich haben wir das.

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Ein Update zur politischen Lage aus Frankreich, wo es bekanntlich auch nicht gerade gut aussieht, wo es um den Sommer auch nicht gut steht. Überall ist es besser, wo wir nicht sind, das lässt sich nicht mehr so gut zitieren, als Einwohnerin einer Großstadt ohne schwarzbraune Mehrheit hat man heutzutage schon Glück. Vorsicht bei der Wohnortwahl.

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In den letzten Tagen gehört: Eine Folge Radiowissen über Fontane, eine über Lou Andreas-Salomé. Eine über Maxie Wander, die ich auch mal lesen muss, was ist das denn wieder für eine Bildungslücke.

Und dann eine, auch einmal etwas abwegige Themen mit reinnehmen, über Hedwig Courths-Mahler. Die hätte ich historisch glatt falsch eingeordnet, geradezu peinlich, viel zu früh. Ich wusste nicht, dass sie das Dritte Reich erlebt hat. Sie starb, so höre ich in der Sendung, 1950 in ihrem Lesesessel, ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoß. Freundliche Abgänge ebenfalls zur Kenntnis nehmen.

Und abschließend noch eine Folge über Konsalik. Wobei ich diese Folge am dringendsten empfehlen möchte, und zwar aus aktuellen Gründen. Denn es geht darin auch und viel um die Rechtsaußentendenzen in der alten Bundesrepublik.

Die kann man sich gerne wieder bewusst machen, wenn man von den so neu wirkenden Nazis unserer Tage spricht. Ich halte das für wichtig. Immer auch die geschichtlichen Konstanten beachten, und keineswegs nur aktuelle Wahlergebnisse oder einzelne Bundesländer, in welcher Himmelsrichtung auch immer.

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Abkühlen, aufheizen

Was vollkommen erwartbar war: Hamburg räumt für die EM auf. Es geht wieder einmal gegen die Obdachlosen und es geht um das Wegerecht, wer darf eigentlich wo sein. Die Frage ist fundamentaler, als man vielleicht zunächst annehmen möchte.

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Links für Menschen mit Interesse an Mode hat Kid37 in seiner neuen Sammlung.

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Wir nehmen Abschied von Madame Hardy, merci pour les chansons. Hier ein Nachruf im Guardian. Auf Youtube gibt es viel von ihr, und es ist eine ebenso empfehlenswerte wie schöne Beschäftigung, sich da durchzusehen und zu hören. Wieder einmal und völlig enthemmt bis zum Hals in Nostalgie badend.

Lebensbegleitende Musik war das, ist das auch weiterhin, und in den Kommentaren unter den Songs kann man nun lernen, was man im Nachbarland im Todesfall schreibt. Repose en paix. Ich wähle ein Video, das zu der Zeit passt, aus der ich gerade etliche französische Spielfilme ansehe.


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In loser Fortsetzung der Gedanken von gestern: Es ist schon seit mehr als einer Woche deutlich kühler in dieser Stadt. Es regnet auch reichlich. Es geht nicht eben sommerlich zu da draußen, das könnte auch März oder später Oktober sein. Und es wird so schnell auch nicht wieder sonniger, sieht man in den Wetterberichten, und längst hört man hier und da entsprechende Beschwerden im Smalltalk.

In der Außengastro sitzen nur noch wenige Gäste, teils bis zum Kinn in Decken gewickelt, sich unter quertreibendem Regen wegduckend. Es sind wie immer die, die sich an ihre Zigaretten und Heißgetränke klammern. Die anderen sitzen jetzt drinnen, wo es warm und trocken ist, wo auch der Wind nicht hinkommt. Dieser ewige Wind, von dem es mir so vorkommt, als sei er nennenswert präsenter in der Stadt als in anderen Jahren. Jeden Tag diese Böen. Jeden Tag immer wieder auffrischend, seit Wochen schon, auch an den warmen Tagen, das war doch sonst nicht so.

Aber seiner Erinnerung kann man auch nur noch partiell trauen, wenn es um Wetter und Klima geht. Draußen auf Trischen hat das Wetter währenddessen tragische Folgen.

Mir ist das bescheidene Wetter eher recht, denn unsere Wohnung unter dem elenden Metalldach war schon Ende Mai wieder zu stark aufgeheizt. Die ersten Nächte wurden mir bereits zu anstrengend. Auch diese saisonale Wahrnehmung war deutlich früher als sonst im Jahr, wie alles in diesem Sommer.

Die Bauweise unseres Hauses aus den Achtzigern wurde am Beispiel eines ähnlichen Gebäudes neulich von einer Architektin mir gegenüber als „Hartes Camping“ bezeichnet. Das wollte ich eben berichten, denn ich mochte den Ausdruck sofort. Hartes Camping, da hört man gleich, wie gut das hier isoliert ist. Man hat umgehend eine überaus einleuchtende Vorstellung von der Energiebilanz und also von der Sanierungsbedürftigkeit des Hauses. Und man weiß noch genauer, was man von der Architektur der 80er zu halten hat, die auch vom Design her nicht eben würdevoll in die Jahre kommt, wie wir alle um uns herum sehen.

Vermutlich trauert niemand um abgerissene Häuser aus diesem Jahrzehnt, wenn nicht gerade besondere persönliche Verklärungen aufgrund darin erlebter Geschichten vorliegen. Diese Gebäude können weg und hinterlassen in aller Regel keine Lücken, die irgendwem besonders wehtun. In Hammerbrook etwa werden de Bürohäuser aus dieser Zeit, und es sind viele dort, geradezu routinemäßig abgerissen, wenn langjährige Vermietungen enden. Und es interessiert niemanden. Da stehen keine Menschen mit Wehmut im Blick an den Bauzäunen und denken zurück.

Nein, man sieht kaum hin. Man hat da keine Gedanken in der Richtung von: „Das Stadtbild, das arme Stadtbild!“ Denkmalschutz eh kein Thema.

Wenn die Anzahl der Hitzetage im Sommer jedenfalls weiter zunimmt, und vermutlich wird sie das tun, auch wenn es gerade noch so frisch ist, wenn die Durchschnittstemperatur weiter stetig steigt, und vermutlich wird sie das tun, wird das Wohnen in diesem Haus für mich schwieriger. Denn mit fortschreitendem Alter kann der Mensch Hitze nicht besser ab und ich merke dummerweise etwas deutlicher als andere, dass ich Wärme mit jedem Jahr schlechter vertrage. Problem.

So werden die Themen, die in den Nachrichten statistisch aufbereitet werden, auch abseits der aktuellen Unwettergebiete wieder zu einer persönlichen Angelegenheit und finden auf dem eigenen Sofa statt, auf dem man an einem Nachmittag im Sommer alles von sich wirft und vergeblich Kühlung sucht.

Die Stadt Hamburg veröffentlichte, ich sah es dieser Tage, eine neue Karte mit „Kühlen Orten“. Es werden auch wieder die üblichen Verhaltensempfehlungen für Hitzetage gepostet. Man wird in den nächsten Jahren sicher mehr davon sehen, in allen Städten.

Und wer weiß, vielleicht steht irgendwann unter einem der Texte hier, aus welcher angenehm temperierten U-Bahnstation ich ihn gesendet habe. Empfohlen wird von der Stadt die Station am Jungfernstieg, aber die in der Hafencity sind noch kühler, meine ich zu wissen.

Vielleicht noch einmal vergleichen. Man will kein Prepper sein, aber doch irgendwie vorbereitet.

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