In dem Coffee-Shop, in dem ich mir ab und zu einen Kaffee zum Mitnehmen besorge, ist das Personal bestens geschult. Ausgesucht höflich und hilfsbereit. Kein Dialog ohne “Guten Morgen”, ohne “Was darf es noch sein”, ohne “Schönen Tag”. Sie reichen dort den Kaffee über den Tresen, als hätten sie einem Kronjuwelen in den Becher gefüllt. Sie erinnern die Kaffee-Vorlieben, als wäre man der prominenteste Stammgast. Der Laden ist natürlich auch mit Liebe zum Detail eingerichtet. Der Kuchen in der Auslage sieht aus wie aus einem edlen Fotoband, die belegten Brötchen, als hätte sie eine italienische Großmama eben gerade auf Sizilien aus dem Ofen gezogen und mit frisch im Garten gepflückten Tomaten belegt. Die Kaffeesorten werden auf einer schwarzen Tafel angepriesen, elegante Deko-Schrift in weißer Kreide, sehr kunstvoll. Ist das nicht toll, das alles?
Und dann geht man mit dem offenen Pappbecher in eine Ecke des Ladens, in der alle Herrlichkeit endet. Da liegen Zuckertütchen auf einem Tisch, Servietten, Plastiklöffel und Deckel, denn man braucht ja einen Deckel für den Kaffee. Und den muss man selber draufmachen. Andere Kunden haben da schon Zucker verstreut, die Deckelstapel sind längst umgekippt, alles liegt wild durcheinander. Man muss selber herausfinden, welche der 3 Deckelgrößen auf den Becher passt. Man kleckert bei der Deckelprobe mit dem Milchschaum, niemand kümmert sich um die Pfützen, die andere vor einem hinterlassen haben. Weit hinten sieht man die freundlichen Verkäuferinnen andere Kunden bedienen, aber man steht jetzt in einer komplett service-freien Zone, von allem Personal verlassen. Und oben drüber über diesem Chaos hängt ein Schild, auf dem steht: “Service-Station”.
Ich liebe diesen feinen Humor.
(Dieser Text erschien als Sonntagskolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)
Und wenn man dann noch bedenkt, daß sie – von denen ich denke, daß sie vielleicht gemeint sind – in Deutschland keinerlei (!) Steuern zahlen, dann gibt es wirklich keinerlei Grund mehr, ausgerechnet dort seinen Kaffee mitzunehmen…
Herr Buddenbohm, nun muss ich aber einmal ein ungewohnt notwendiges Wort der Kritik äußern. Ausgerechnet hier, in einem der letzten Horte gewählten Ausdrucks, angemessener Grammatik und korrekter Rechtschreibung „erinnert man“? Nein, nein, nein, so geht das nicht. Ich bin enttäuscht.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Tilkov
Doch, das geht regionalsprachlich sehr wohl und die Kolumne erscheint in meiner Heimatstadt. Passt schon.
Ich hätte eine Frage zu dem „Sie erinnern Kaffee-Vorlieben“. Ist das gängig im Norden Deutschlands? Hört man das von vielen Leuten in freier Wildbahn? Kriegen die Kinder in der Schule es nicht angestrichen? Hier im Süden ist diese Wendung eher von Menschen bekannt, die schon mal das Plusquamperfekt bemühen, um gerade eben erst Vergangenes zu beschreiben, aber man weiß ja nie. Der Duden immerhin erwähnt die transitive Verwendung als „besonders norddeutsch“, weiß Gott, seit welcher Ausgabe.
Also, ist das häufig?
Zu lange am Kommentar herumgedoktert.
Also in Lübeck zumindest ist das gängig.
Es gibt einen alten Zwiebelfisch dazu:
http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-ich-erinnere-das-nicht-a-297352.html
Aber der mag natürlich regionale Besonderheiten auslassen. In dem Fall habe ich wieder einmal etwas gelernt und behaupte ab sofort das Gegenteil. (Für mein Ohr gruslig anhören tut sich’s trotzdem, aber das ist ja nun auch egal.)
Der Zwiebelfisch mit seiner Anglizismenangst ist sicher nicht das Maß aller Dinge.
Ja nu aber mal … Herr Buddenbohm hätte ja auch „Coffe to go“ schreiben können. Stattdessen darf man(n) – und Frau ebenfalls – hier noch lesen: „Kaffee zum Mitnehmen“.
Also, alles gut und letztendlich geht es eh nur um den Mehrwert für den Leser. DER bleibt doch hier – Plusquamperfekt und regionale sprachliche Besonderheiten hin oder her – kaum auf der Strecke, oder???
Ich sach mal: „Glück Auf“ und hoffe, dass nun keiner auf die Idee kommt, das ist ’ne Lotteriewerbung! 🙂