(Am 12. eines Monats wird der Tag in 12 Bildern dokumentiert, Sammelstelle für alle Beiträge dieser Art wie immer hier.)
Die Kinder sind bei den Großeltern, das passiert bei uns nur selten, ein wirklich ungewöhnlicher Zustand. Da kann man also Sachen machen, die man sonst nicht macht, das verschafft einem ein wenig mehr Spielraum und Freiheit, sollte man meinen. Gestern Abend war ich daher nach 20:00 noch draußen, also nach der regulären Kinderinsbettzeit. Überascht festgestellt, dass draußen um diese Uhrzeit noch alles voller hellwacher Erwachsener ist, die Geschäfte noch aufhaben und die Straßencafés noch voll sind. Interessant! Und ich kann die ganze Woche da mitspielen!
Tatsächlich spielt der Alltag da aber leider nicht mit, Termine wachsen auch ohne Kinder einfach aus dem Boden. Das Büro hat mich auch wieder gebucht, und so ein Beruf stört die Freizeitgestaltung doch ungemein. Von ungeahnten Möglichkeiten kann also gar keine Rede sein. Aber! Es gibt doch etwas! Denn, und das ist wirklich großartig, ohne Kinder an der Hand kann ich draußen endlich einmal so schnell gehen, wie ich will. Also sehr schnell. Ich habe seit sieben Jahren das Gefühl, immer mindestens ein Bleigewicht hinter mir herzuziehen, bei fast jedem Gang. Das gehört zu den Sachen, an die ich mich als Vater tatsächlich nie gewöhnt habe, es macht mich immer noch wahnsinnig, langsam zu gehen. Also bin ich heute ohne Kinder in Roadrunnergeschwindigkeit aus dem Haus und los, ich grüßte langsamere Passanten mit einem frohgemuten “MEEEEPMEEEEP!”, wurde aber nur seltsam angesehen. Schlimm.
Außerdem konnte ich mir, das ist auch wichtig, ohne Kinder beim Bäcker kaufen, was ich wollte, wie so ein Erwachsener. Ohne Ausreden, ohne Geheimnisse, ohne pädagogisch wertvolle Tiraden. Schokobrötchen – und niemand bekam etwas ab. Es sind die kleinen Freuden!
Auf dem Weg zur Arbeit dieser Mülleimer, dieser wunderbare und sehr deutsche Mülleimer, den ich eigentlich noch ein zweites Mal hätte fotografieren müssen. Nämlich am Mittag. Aber da standen, kein Witz, schon drei andere Handyfotografen davor und machten Bilder, denn im Laufe des Vormittages hatten Passanten recht kunstvoll Müll auf dem Deckel gestapelt, Schachtel auf Becher auf Schachtel auf Dose, ein Gesamtkunstwerk, wirklich sehr, sehr ordentlich. Hamburg bleibt ganz gewiss sauber.
Die Herzdame war heute auch nicht da, sie ist im Krankenhaus und schlägt sich seit mittlerweile zwei Tagen mit einer eigentlich eher harmlosen Zahn-OP herum. Die Geschichte ist so absurd, die müsste sie tatsächlich selbst einmal verbloggen. Nebenffekt: wer nicht da ist, der macht keine Unordnung. Keine Kinder, keine Frau, die Wohnung sieht hier aus wie geleckt. Detail Kinderzimmer:
Ich schaffte am Nachmittag immer noch weitere Ordnung, auch die Küche wurde auf Vordermann gebracht. Hier liegt jetzt alles korrekt im Schrank oder im rechten Winkel oder in Reih und Glied, es ist ein Traum.
Weil alles so ordentlich war, traute ich mich aber nicht mehr, etwas zu machen. Ich hätte ja Gegenstände verschieben oder schmutzen können. Allein der Gedanke! Außerdem fehlten mir allmählich die Söhne und die Herzdame, ich bin das nicht gewohnt, so ohne Familie. Ich saß also nur etwas ideenlos herum und sah die Wand an. Schöne Wand immerhin, machte auch einen aufgeräumten Eindruck. Sehr gut.
Eigentlich hätte ich ich weiter an der Südtirolreise und überhaupt noch mehr über den Urlaub schreiben müssen, in dem ich mich selbst übrigens erfolgreich dazu bekehrt habe, dauernd alles mit der Hand zu notieren. Das habe ich tatsächlich den ganzen Urlaub über durchgehalten, das ist interessant. Es stimmt nämlich, dass man sich Dinge besser merken kann, wenn man sie mit der Hand notiert, auch ohne sie später nachzulesen. Aber davon abgesehen gibt es deutlich mehr zu erzählen, wenn man sich Notizen im Alltag macht. Das mache ich jetzt also so weiter. Theoretisch. Notizen aus den letzten drei Tagen: keine einzige. Da muss ich wohl wieder erst streng mit mir werden.
Zwischendurch erfuhr ich, dass die Herzdame noch eine Nacht im Krankenhaus bleibt. Es wurde immer seltsamer, so ganz ohne Familie. Zog kurz in Erwägung, die Bügelperlen einfach mal selbst auszukippen, einfach für das vertraute Gefühl.
Schlimm. Darauf ein Trostbier.
Dann telefonierte ich mit den Söhnen und fragte, wie sie sich bei Oma benehmen. Nach längerer geflüsterter Diskussion einigten sie sich auf “wir sind ganz okay”, mit einem sehr, sehr leise nachgeschobenen “meistens”.
Zeit für den Abendspaziergang, der Schrittzähler war noch unter 10.000, das ging natürlich nicht, das muss auch seine Ordnung haben. Beim Herumlaufen wieder festgestellt, dass es an der Alster schon auch ganz hübsch ist.
Und gleich dann mit Buch ins Bett. Gutes Buch übrigens, sehr angenehm erzählt, es geht um Schweizer mit ziemlich besonderen Lebensläufen. Sehr fluffige Lektüre. Aber ganz ohne Störung durch die Familie zu lesen – ich weiß ja nicht. Das ist irgendwie nicht mehr mein Ding.
Schön. Und gute Besserung an die Herzdame!
(Wenn ich alleine unterwegs bin, freue ich mich auch ganz doll übers schnell Laufen können. Und sei es nur auf dem Weg zum Bäcker, oder zum Auto in der Tiefgarage, oder, ganz selten, durch die Stadt.)
Ich wünsche baldige Rückkehr der Familie!
Grüße
Karo
klingt so herrlich genazino-haft.
Man wagt nicht, sich vorzustellen, wie die Herzdame im Bett läge, hätte der Herr Buddenbohm das Sagen.
ich schiebe zur Zeit auch mein Rad ziellos durch die Innenstadt und weiß schon gar nicht mehr, was ich kaufen soll … aber ich schlafe himmlisch, so mit Ohren am Kopf und nicht nebenan …
LG
Rike
Gute Besserung an die Herzdame….aber Zitronen und Orangen zusammensortieren…das geht doch gar nicht!!!!!
Ehrlich gesagt finde ich Deine unfassbar aufgeräumte Wohnung wahnsinnig entspanned. Was das jetzt wieder über mich und meine Wohnung aussagt….