Unter der Sonne Hamburgs

Noch einmal Enno Park zur DSGVO.

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Während bei uns im kleinen Bahnhofsviertel in jedem zweiten Haus ein Bäcker zu finden ist, der allerdings gar kein Bäcker ist, sondern, wie nennt man das denn, ein Backshop, also so ein Teiglingaufbackdings einer Franchise-Kette eben, machen auf dem Land die echten Bäcker nach und nach dicht und es kommen keine mehr nach. Hier ein Einzelfall etwas näher betrachtet. Dann legt er sich zu seinen Bäckern nieder – und er kömmt nimmer wieder.

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Für die GLS Bank habe ich hier etwas zum Thema Landwirtschaft zusammengestellt.

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Und dann wurde es noch heißer in Hamburg. Ich bin, ich weiß gar nicht mehr an welchem Tag, nach der Arbeit in den Garten geradelt, um ein paar Pflanzen mit ein paar Tropfen Wasser zu helfen, ich habe die Laube aufgeschlossen, die da in der prallen Nachmittagssonne stand und in der die Luft wie ein gefährlicher Glutball waberte, ich habe gelüftet und gemerkt, wie mein Kreislauf sich dabei sachte verabschiedete und gleich, Achtung, bitte, kommt wieder so ein Vergleich, den verstehen nur ältere Menschen, die damals ferngesehen haben, also ganz damals. Denn ich habe mich dann notgedrungen für ein paar Minuten in der Laube auf eine Matratze gelegt, ein Bett gibt es da nicht. Bullenheiß war es zu der Stunde im gesamten Garten, da konnte ich drinnen wenigstens weich liegen, dachte ich, und lag da also schwitzend wie in der Sauna, wobei ich in so etwas ja nicht gehe, aber egal. Dergestalt beschädigt lag ich jedenfalls da, dass ich mich fühlte wie Sebastian Flyte in der letzten Folge von “Wiedersehen mit Brideshead”, wo er da in Marokko oder wo das war völlig zugedrogt und verkommen unter sengender Sonne vor sich hin krepierte. Genau so entsetzlich fühlte ich mich ein paar Minuten lang, denn etwas Selbstmitleid ist manchmal die beste Medizin. Und dann ging es auch schon wieder.

(Wenn Sie Wiedersehen mit Brideshead versehentlich nicht kennen: ruhig mal lesen (Evelyn Waugh) und danach gucken. Beste Fernsehproduktion ever, es bleibt dabei.)

Am Freitagnachmittagnachmittag erreichte die Hitze dann Temperaturen, bei denen ein finales Gewitter doch irgendwie logisch und unvermeidlich erschien, es war, ich will das zeitgemäß ausdrücken, alternativlos. Wir waren im Garten, als die ersten Tropfen fielen, die dann schnell zu Starkregen wurden, der in geradezu irrer Geschwindigkeit drei Regentonnen bis zum Überlauf füllte und dann noch lange nicht aufhörte, es kübelte, es goss, es flutete nur so herab. Es blieb dabei aber weiterhin warm und tropisch, wir saßen bei weit offener Tür in der Laube und beschlossen, dort zu übernachten, mit diesem trommelnden Regen auf dem Dach und mit Blick auf die Pflanzen in den Beeten, die quasi sofort beschlossen, jetzt aber mal ordentlich zu wachsen, die sich streckten und reckten und mit allen Zellen gierig Wasser pumpten.

Ich lief noch einmal durch den Garten, um noch ein paar Zutaten für das Abendbrot zu pflücken, ich wurde dabei nass wie beim Duschen, aber es gab frische und regennasse Kräuter und Gemüse. Es war einer der besten Momente im Garten bisher, ach was, das war einer der besten Momente der letzten Jahre.

Zwiebeln! Das muss ich eben einschieben. Vom Anbau von Zwiebeln wird oft abgeraten, den Zwiebeln sind im Laden ja so billig, superschnell sind sie in der Entwicklung auch nicht gerade, besondere Hübschigkeit sagt man ihnen ebenfalls nicht nach und angeblich schmecken sie immer genau gleich, egal, wie und wo man sie anbaut. Man liest also: Zwiebeln eher nicht. Ich aber habe im frühen Frühjahr Zwiebeln gesteckt, Stuttgarter Riesen, da ist ja schon der Name toll. Beim Abendbrot fehlten uns Zwiebeln und mir fiel da erst ein, dass ich die ja im Beet habe! Viele sogar! Keine Ahnung, wie reif die sind, aber jetzt her damit. Ich habe die zwei größten Zwiebeln herausgezogen, wir haben sie feierlich angebraten und auf diese bescheidene Art wurde dann auch das äußerst lapidare und tausendmal wiederholte Anbraten von Zwiebeln endlich zu so einem herrlich intensiven Erlebnis, bei dem man ganz genau hinsieht, hinriecht, hinschmeckt, bei dem man also ganz Aufmerkamkeit ist, denn es waren ja meine eigenen Zwiebeln aus meinem eigenen Anbau, die hatte ich selbstgemacht, mit reichlich Hilfe der Natur jedenfalls.

Selbstverständlich waren sie schon durch diese völlig ungewohnte Aufmerksamkeit sensationell wohlschmeckend, fünf Sterne gar nichts dagegen. Das war also wie in diesen ganzen Ratgebern, die ich mit Anfang 20 gelesen habe, als ich noch genau wie alle glaubte, man könne mit ein paar Tricks besser leben und das Glück sei irgendein Instantprodukt, per Gebrauchsanweisung schnell und leicht verfügbar. Da ging es ja auch dauernd um die Aufmerksamkeit für den Moment, in diesen schnell verschlungenen Büchern, um Achtsamkeit und dergleichen, da muss man heute natürlich spontan brechen, wenn man dieses geradezu widerlich abgenutzte Wort nur hört, so verschlissen und ranzig ist das, aber unter uns und mit aller Vorsicht: Da ist dann vielleicht doch was dran. Die Zwiebel im Hier und Jetzt, die bringt einen schon weiter ans Glück ran. Ein kleines Stück.

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Nur versehentlich habe ich zwischendurch Nachrichten mitbekommen, als ich, einem dummen Reflex folgend, doch einmal aufs Handy sah. Einer aus der Nazipartei sagt also irgendwas, ich wiederhole so etwas nicht, ich arbeite mich daran auch nicht ab. Ich lese die Juni-Gedichte in der Reclam-Anthologie und zitiere kurz aus Tucholskys „Park Monceau“ die letzte Strophe:

“Die Kinder lärmen auf den bunten Steinen.

Die Sonne scheint und glitzert auf ein Haus.

Ich sitze still und lasse mich bescheinen

 und ruh von meinem Vaterlande aus.”

Reicht doch auch.

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Sie können hier Trinkgeld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, dann kaufe ich davon die Steckzwiebeln fürs nächste Jahr.

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9 Kommentare

  1. Ach Herr Buddenbohm, so schön, wie Sie im trommelnden Regen in Ihrer Laube sitzen und schnell noch etwas Abendessen einsammeln. Ich wäre gerne dabeigewesen …

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