Etwas norddeutsche Kulturgeschichte von Rina, es geht um Schützenfeste in Niedersachsen. Da wo ich herkomme, Richtung Lübeck/Ostholstein, ist mir so etwas nicht oder nur ganz am Rande begegnet, aber die Herzdame als Nordostwestfälin könnte da ähnlich wie Rina erzählen. Bei uns im Garten steht folgerichtig die Schützenscheibe ihres Großvaters. Eine seiner Schützenscheiben.
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Den ganzen Tag John Martyn gehört, nichts bereut, der passt gerade. Und es war eine interessante Entwicklung, die er genommen hat.
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Bei den Büchern mit dem Nachttisch weitergemacht, wo nach wie vor, wie schon mehrfach erwähnt, der Turgenew ganz unten liegt, quasi als Basis für alles. Den also wieder hervorgekramt und endlich weitergelesen, Turgenew ist lohnend, wirklich lohnend. “Väter und Söhne” in der unbedingt lobenswerten Übersetzung von Annelore Nitschke, herrlich illustriert von Matthias Beckmann, eine weitere Glanztat der Büchergilde Gutenberg. Ich schlage irgendwo auf, zufällig ist es eine großartige Stelle:
“Anna Sergejewna war ein recht merkwürdiges Geschöpf. Frei von jeglichen Vorurteilen, ja sogar von starken Glaubensüberzeugungen, scheute sie vor nichts zurück und strebte nichts an. Sie sah vieles klar, vieles beschäftigte sie, und nichts befriedigte sie ganz; auch wünschte sie sich wohl kaum völlige Befriedigung. Ihr Verstand war wissbegierig und gleichgültig in einem: Ihre Zweifel flauten nie so weit ab, dass sie vergessen waren, und wuchsen sich nie zu innerer Unruhe aus. Wäre sie nicht reich und unabhängig gewesen, so hätte sie sich vielleicht ins Schlachtgetümmel geworfen und die Leidenschaft kennengelernt … Doch sie lebte ein leichtes Leben, zwar langweilte sie sich mitunter, verbrachte ihre Tage dennoch weiterhin beschaulich und ließ sich nur gelegentlich aus der Ruhe bringen. Manchmal sah auch sie Regenbogenfarben vor ihrem Auge aufleuchten, aber sie atmete auf, wenn sie erloschen waren und trauerte ihnen nicht nach. Ihre Fantasie schwang sich sogar über die Grenzen dessen hinaus, was nach den Gesetzen der herrschenden Moral als statthaft galt; doch auch dann strömte ihr Blut still wie zuvor durch ihren bezaubernd gewachsenen, ruhigen Körper. Es kam vor, dass sie dem duftenden Bad entstieg, innerlich ganz warm und weich, und sich träumerischen Gedanken über die Nichtigkeit des Lebens überließ, über sein Leid, seine Mühsal und Unbill … Jähe Kühnheit schwillt in ihrer Brust, ihr Herz entbrennt in edlem Trachten; doch ein Luftzug streift durch halb geschlossene Fenster herein, und Anna Sergejewna fährt zusammen, klagt und ärgert sich beinahe und hat in diesem Augenblick nur einen Wunsch: dass es nicht so garstig ziehen möge.”
Ein starkes Buch, gar keine Frage. Turgenew bleibt und ich habe hier also den anderen Fall, verglichen mit dem gestern verhandelten Novalis: Konnte der bleiben, weil er mich souvenirhaft an alte Zeiten erinnert, steht der Turgenew weiterhin als Meister im Regal, bei dem ich mich völlig zu Recht immer wieder fragen kann – wie hat er das gemacht? Bücher, die einen davon abhalten, das eigene Geschreibsel gut zu finden, die braucht man nämlich auch.
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Ein Bankkaufmann aus Hammerbrook,
der beim Rechnen recht gerne betrog,
fuhr sein Notebook herunter
und sein Leben ward bunter
als er sich nach Guernsey verzog.
(Was einem auf dem Arbeitsweg so einfällt. Ich denke immer noch über den Satz von Manfred Maurenbrecher nach, laut dem man mit Reimen gedanklich Stellen erreicht, an die das prosaische Denken nicht rankommt. Bei mir scheinen das allerdings eher alberne Stellen zu sein. Hm.)
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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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