Der leise Stich der Entbehrlichkeit

Ich habe die Sturmhöhe beendet, das Buch bleibt natürlich im Regal. Man kann bei ruhelosen Streifzügen durch die Wohnung ab und zu ob der grauenvollen Handlung kopfschüttelnd davor stehen bleiben und sich denken: “Was es alles gibt!” Und solche Bücher sind eben auch gut und nützlich.

Eigentlich hätte ich Lust, mich auf Sekundärliteratur zum Buch zu stürzen, auf Biographien der Verfasserin etc., aber wo kommt man da hin. Nein, das wäre dem Projekt abträglich, es geht hier um das Wiederlesen, und das wird noch eine ganze Weile eisern durchgezogen.

Als nächstes lese ich – ohne jeden inhaltlichen Bezug zum Vorgängerbuch – Graham Greenes Dritten Mann in der neuen Übersetzung von Nikolaus Stingl, auch das ist wieder eine feine Ausgabe der Büchergilde Gutenberg, schön illustriert von Annika Siems.

Das Buch habe ich zum ersten Mal, vermutlich in einer stark gekürzten Version, im Englischunterricht auf dem Gymnasium gelesen. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, weiß aber immerhin, dass ich die Behandlung entschieden zu lang fand. Das ging mir allerdings bei jedem durchgenommenen Buch so, auch in Deutsch. Was etwas seltsam ist, denn einerseits fand ich es schon als Jugendlicher interessant, möglichst viel über ein Buch und die Autorin oder den Autor zu erfahren, andererseits wollte ich das aber nie von jemandem erzählt bekommen, sondern immer nur selber lesen. Fragen zu Büchern hasse ich bis heute. Wer hat darin wann was und warum gemacht und was bedeutet dieses Ding und jener Name? Ganz schlimm. Ich komme wirklich gerne selbst drauf, aber als Prüfungssituation war mir das immer unangenehm. Der dritte Mann also, wir haben damals im Unterricht übrigens nicht den Film gesehen, das fand ich auch falsch, das finde ich bis heute falsch. Ohne den Film hätte es die Erzählung immerhin nicht gegeben – und umgekehrt. Außerdem ist es ein sehr guter Film. 

Hier etwas mehr zum Buch und zur Übersetzung.

Und hier auch, dort wird ganz zu Recht dieser Satz zitiert: “Martins spürte den leisen Stich der Entbehrlichkeit, als er an der Bustür stand und zusah, wie der Schnee so dünn und sanft herabschwebte, dass die großen Verwehungen zwischen den zerstörten Gebäuden eine Anmutung von Dauerhaftigkeit besaßen, als wären sie nicht die Folge dieses mageren Geriesels, sondern lägen für alle Zeiten oberhalb der Linie ewigen Schnees.“

Schnee, ein natürlich wichtiger Hinweis für die Freunde der jahreszeitlich geschickt gewählten Lektüre. Später, viel später im Leben habe ich übrigens fast alles von Graham Greene gelesen, aber nicht noch einmal den Dritten Mann. Manchmal ist es ja seltsam.

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Währenddessen fielen andere Bücher gerade meinem Projekt zum Opfer, etwa die Werkausgabe von Lessing, die ich mit ziemlicher Sicherheit niemals lesen werde. Da könnte natürlich jemand wegen der literaturgeschichtlichen Wichtigkeit des Herrn protestieren, aber um die eben geht es gar nicht. Es geht darum, dass in meinem Regal das für mich Richtige steht. Ebenfalls nicht genug interessieren mich die Selbstbiographie von Jacob Grimm, dito die Werkausgaben von Herwegh, Uhland und Gryphius. Den gesamten Schiller werde ich dagegen behalten, aber schwerlich en bloc lesen können, den Goethe und den Shakespeare auch nicht, die werde ich eher stückweise (ha!) in die Lektürereihe einbauen.

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Musik! Ich wünsche eine schöne und fine Woche. 

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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3 Kommentare

  1. Ich hatte mir die Inhaltsangabe von Sturmhöhe nach Ihrer ersten Erwähnung auf Wikipedia angeschaut und bewundere wirklich, dass Sie das Original durchgehalten haben. Das klingt wirklich nach einem Rundum-Desaster ohne Lichtblick, meine Güte. (Ich bin aber auch sehr schlecht im Anschauen von Filmen, bei denen ich nach 5 Minuten weiß: Das geht schief.)

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