Alte Regel, frischer Schnee

Ich war mit den Nerven so runter, dass es weder zum Lesen noch zum Schreiben gereicht hat, jetzt ist es aber auch mal gut, let’s call it a year.

Ich habe noch eine Weihnachtskolumne zu schreiben, wofür ich aber erst noch stimmungsmäßig etwas beidrehen muss. Mal sehen, welche Hilfsmittel mir da noch einfallen und nein, Glühwein ist keine Option, Glühwein ist einfach nur furchtbar. Schnee würde mir vielleicht helfen. Es roch hier auch tatsächlich schon nach Schnee, was immer wieder erheiternd ist, weil der gewöhnliche Großstadtmensch ohne die geringste Bindung an die Natur plötzlich nach Feierabend witternd vor seinem Büroturm oder seinem Wohnklotz steht, die Nase wie ein Jagdhund in den Wind hält und von Wetterphänomenen murmelt, als müsste er gleich noch fliehendes Wild in der Tundra erlegen. Da kommt eine archaische Regung durch, da klingeln die rudimentären Neandertalergenreste, wenn wir Schnee riechen. Besonders klingeln sie natürlich, wenn wir den ersten Schnee des Winters riechen. Und es wird uns so, als müssten wir mit dieser Information etwas anfangen, Schnee, Schnee, es gibt Schnee, was machen wir denn jetzt? Wir denken eine Weile darauf herum, ein, zwei Atemzüge lang. Weil wir aber gut geheizte Wohnungen und Streudienste und Supermärkte und Winterreifen haben, machen wir doch einfach nur die Jacke etwas weiter zu und erzählen es dann dem nächstbesten Menschen, wobei wir vermutlich unbewusst nach uraltem Brauch den Stamm oder die Horde warnen. “Es riecht nach Schnee”, sagen wir kenntnisreich, jedenfalls sagen wir es dann, wenn dieser nächstbeste Mensch uns damit nicht zuvorkommt, denn wenn es nach Schnee riecht, dann sagen es sich mit großer Gewissheit alle Menschen gegenseitig, dass es nach Schnee riecht, alte Regel, also im Sinne von: uralte Regel. Und wir gucken kurz in die Wolken, als könnten wir sie lesen und deuten wie damals, als es darauf noch ankam. Wir fühlen uns für einen kurzen Moment so, als könnten wir ganz genau benennen, wann, wieviel und auf welche Art es schneien wird, gut fühlt sich das an, wir nicken ungeheuer vielsagend. Und aus uns nicken in diesem Moment tausend Generationen Erfahrung mit Schnee, das ist doch, wenn man drüber nachdenkt, auch ein wenig beeindruckend.

Für den Sonntag ist hier eine Schneeflocke in der Wetter-App, die riecht nach gar nichts.

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Musik! Ich mag die Gesichter im Publikum. Die Herzdame aber fragte: “Wer sind denn Peter, Paul and Mary?” und eventuell bin ich doch schon über hundert Jahre alt.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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4 Kommentare

  1. Wow, diesen tollen Text muss ich einer Kollegin zeigen, die genau den bedeutungsvollen Satz neulich beim Rauchen im Garten sagte, als ihr Blick zum Himmel wanderte.

  2. Kleine Versicherung: ich bin nur marginal älter als die Herzdame, aber Peter, Paul and Mary und vor allen Dingen doch Puff sind mir durchaus vertraut… ?

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