Über Instagram und den tourist gaze.
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Ich bin nach wie vor sehr überzeugt davon, dass es interessant ist und weiterführt, alles nachzusehen und nachzulesen, was einem so auffällt. Die Älteren erinnern sich, das galt auch einmal als Vorteil des Internets, man kann immer alles nachsehen. Macht nur kein Schwein. Aber ich! Selbstlob kommt hier sonst nicht vor, aber da dann doch einmal. Wirklich, im Nachsehen bin ich so gut, da haben andere das Nachsehen. Genug geprotzt, mir fiel auf, denn ich achte selbstverständlich auch auf die wirren Gedanken im eigenen Kopf, dass ich in letzter Zeit aus natürlich wieder komplett unblogbaren Gründen mehrfach das Wort “Duldungsstarre” in Verbindung mit mir und gewissen Problemen gedacht habe. Und wissen Sie was, das habe ich tatsächlich nicht gewusst, wo dieses Wort eigentlich herkommt. In Bio damals nicht aufgepasst oder so. Und während ich die Ohren nach hinten drehe, können Sie das ja auch einmal nachlesen, dann haben heute wieder alles was gelernt. Toll!
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Ich habe nie verstanden, wieso man Selfies macht oder verbreitet, ich ticke da ganz offensichtlich anders als andere, ich gehe aber auch kategorisch nicht davon aus, dass die Verbreitung von Buddenbohmbildern zur Ästhetisierung der Welt beitragen könnte. Umso mehr frage ich mich, wie man denn bloß seelisch beschaffen sein muss, um Wahlplakate mit sich selbst darauf auszuhalten. Wie steht man das bloß durch, an jedem zweiten Baum und an jedem dritten Laternenpfahl die Grinsekatze zu geben, garniert mit irgendwelchen schaumigen Schlagwörtern fortgeschrittener Beliebigkeit, wie es gerade wieder überall der Fall ist? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, mich irgendwo zur Wahl zu stellen, aber falls doch, dann nur ohne solche Bilder, die ich auch als Betrachter für eine blanke Zumutung halte. Los, wählen Sie einen Smiley, der für Solidarität ist oder für Sicherheit oder für Sauberkeit oder für Sonnenschein. Oh ja, prima, danke, gute Idee.
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Musik! Janis Joplin.
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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank.
Die Duldungsstarre ist auch schön bei Löwenpaarungen zu beobachten, die nicht gerade nach Freiwilligkeit aussehen. Etwas schwierig, so etwas kleinen Kindern, aber auch Jugendlichen zu erklären. Den Jugendlichen, speziell wenn gewisse männliche Exemplare einschlägige Kommentare abgeben, kann man dann erst mal erklären, dass der Akt in der Brunftzeit mehrere Dutzend Mal pro Tag stattfindet (woraufhin meist die jungen Damen erwartbare Vergleiche anstellen) – um ihnen dann den Zahn damit zu ziehen, dass der Löwenkater jedes Mal nur max. 10 Sekunden durchhält. Doch, man kann auch mit Paarungsverhalten gewisse pädagogische Ziele verfolgen.
Vor Jahren waren mein Mann und ich in Dresden und hatten den starken Wunsch, auch einmal die Semperoper zu besuchen. Unter Mühen ergatterten wir Karten für die aktuelle Bayreuther Inszenierung von Wagners Meistersängern. Eine lange Oper für die jemanden wie mich, der dieser Kunst gegenüber eher abgeneigt ist. Während der mir fremde Nachbar vor Begeisterung am liebsten das Dirigat übernommen hätte, er konnte kaum die Arme still halten, fiel ich bis zur Pause in etwas, das ich auch als “Duldungsstarre“ bezeichnen würde. Jedenfalls kam mir die Pause sehr gelegen zur Flucht.
Nun dürfen mich alle für eine Kulturbanausin halten.
Komische Vorstellung, sich von der Litfaßsäule grinsen zu sehen!
Viele Grüße von
Margit
Gestern sah ich aus dem offenen Fenster wie ein Mann sehr sorgfältig ein etwas verwehtes Wahlplakat geraderückte. Er sah mich, grüßte freundlich und ich bemerkte, dass das genau der Typ selbst war. Lustig, offensichtlich kümmert es manche Menschen doch sehr, wenn das öffentliche Bild etwas verrutscht ?