The trowel

Die Feuilleton-Chronik des Monats

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“Maulbeerbaum”, sagt die Herzdame ohne jeden erkennbaren Zusammenhang. Wir sind aber schon so lange verheiratet, ich kann mir ohne jede Mühe zusammenreimen, dass sie in der sonntäglichen Besinnungszeit wieder in dem großen Stapel Gartenzeitschriften geblättert und dabei etwas gefunden hat, wobei “gefunden” bei ihr dann gleichbedeutend mit “Muss ich haben” und auch “Jetzt!” ist. Es liegt dann an mir, diesen Wunsch gegebenenfalls jahreszeitlich zu justieren, was ich aber stets erst durch geeignete Fundstellen beweisen muss, mir glaubt hier ja keiner was. Ein Maulbeerbaum also. Ich überlege, was mir zum Thema Maulbeerbaum einfällt, das ist nahe am Nichts. Ich erinnere ganz dunkel, dass es Schnaps aus den Früchten gibt, aber aus welchen Früchten gibt es keinen Schnaps, das ist kein Alleinstellungsmerkmal. Maulbeerbäume kamen in meinem Leben bisher überhaupt nicht vor, glaube ich.

“Und Blauregen”, sagt die Herzdame, darunter kann ich mir wenigstens etwas vorstellen. Blauregen blüht schön, ist giftig, wächst aus unerfindlichen Gründen bei uns in üppiger Pracht auf dem Spielplatz und rankt, wenn man ihn denn lässt, alles in Grund und Boden, er zerlegt auch Mauern und Dächer. Malerisch auf Ruinen!

“Wir wissen gar nichts über Maulbeerbäume”, sage ich.

“Egal”, sagt die Herzdame, “das ist wie bei Kindern, da weiß man vorher auch nichts drüber. Erst mal machen, alles andere findet sich dann.”

Ich hätte es wesentlich weitschweifiger ausgedrückt, aber das fasst vieles ganz gut zusammen und ersetzt womöglich auch zwei, drei Ratgeber.

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Ich lerne mit Sohn I Englischvokabeln und lese mit Staunen das Wort “trowel.” Das habe ich noch nie gehört, es wird im Lehrbuch mit “kleiner Spaten” übersetzt und ich habe kurz die Gedanken, die auch die Schüler dauernd haben, nämlich wozu man das denn nun bitte jemals … Sie kennen das. Ich verfolge den Gedanken aber nicht weiter, denn das führt ja zu nichts, der Sohn muss das eben lernen, fertig, dann weiß er künftig, was ein kleiner Spaten ist und kann mir den im Garten englisch zureichen, auch gut.“Can you hand me the trowel, please”, da staunen die Nachbarn aber, und dann pflanzen wir die Mulberry. Wobei wir gar keinen kleinen Spaten haben, was soll das überhaupt sein, meine Spaten haben alle drei ein Standardmaß, aber egal, niemals den Lehrstoff anzweifeln, das führt kategorisch zu nichts. Nicht für den Garten, für die Schule lernen wir.

Ich gehe in die Küche und höre mein Buch weiter, “Unterm Birnbaum” von Fontane, da ist quasi ein Krimi von ihm. “Er trat aus dem Haus”, sagt die Erzählstimme, “und trug einen kleinen Spaten in der Hand.”

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Sie können hier Geld für kleine Spaten und Maulbeerbäume in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank!

15 Kommentare

  1. aha, der sohn lernt also einen „cerf volant“. das ist das französische wort für drache und bei uns zuhause das codewort für selten oder nie angewandte vokabeln. kam bei unseren kindern so etwa in der dritten französisch-lektion und mir jetzt deutlich sinnvoller als das englische „trowel“ vor.
    wir haben nämlich auch keinen kleinen spaten.
    liebe grüsse! stefanie.

  2. hilfe, mein kommentar wartet auf „Modertaion“. was so ein umgestellter buchstabe bewirken kann. ich denke, das findet im garten statt, etwa in der ecke, wo die grossen komposthurden stehen. bin gespannt, was davon übrig bleibt.
    nix für ungut, stefanie.

  3. Der „kleine Spaten“ ist tatsächlich albern. Tipp eines Übersetzers: Bei mysteriösen Vokabeln lohnt sich die Google-Bildersuche: So erscheint bei Eingabe von „trowel“ eine Maurerkelle oder das, was in Gartenkatalogen als „Blumenkelle“ bezeichnet wird, also eine Handschaufel. Hört sich das sinnvoller an?

  4. Lustigerweise habe ich letztes Frühjahr auch einen Maulbeerbaum gepflanzt. Man muss zwischen schwarzen und weißen Früchten unterscheiden. Ich habe mich für die schwarzen Früchte entschieden, die schmecken mir besser. Die weißen sind etwas fad mit leichtem Honiggeschmack. Bin mal gespannt, ob er dieses Jahr trägt.

  5. Ich kenne das deutsche Wort „Traufel“ für die oben erwähnte Maurerkelle. Das lässt sich dann wohl irgendwie von „trowel“ herleiten.

  6. Zu den Maulbeerfrüchten: Die schwarzen sind wirklich besonders lecker und extrem saftig. Tatsächlich sind die reifen Früchte so weich, dass sie sich nicht transportieren lassen. Deshalb gibt es sie auch nicht im Handel. Das ist doch ein wunderbares Alleinstellungsmerkmal und ein Grund, einen in den Garten zu stellen (wenn da noch genug Platz ist).
    Die Bäume können nämlich auch sehr besitzergreifend werden. An einer Ferienunterkunft auf Bornholm gab es einen alten Maulbeerbaum, der im September 2016 unfassbar viele reife, süße Früchte trug und aber auch einen Kronendurchmesser von 9-10 m hatte!

  7. Was mir zum Thema Maulbeerbaum einfällt: Der Lateinunterricht mit Ovids Metamorphosen. Durchaus spannend, im Vergleich dazu, was wir sonst zu lesen und zu übersetzen hatten.

  8. Stimmt, Sie sind ja kein Preuße. Der Alte Fritz holte nämlich nicht nur Hugenotten, sondern auch Maulbeerbäume ins Land, zwecks der bereits von Herrn Ackerbau erwähnten Seidenspinnenraupenzucht. Im Berliner Stadtbezirk Köpenick gibt es das Örtchen Friedrichshagen, wo sie gezielt angebaut wurden und vermutlich auch noch welche stehen. Die Seidenproduktion gelang nicht so recht, aber den Friedrichshägern blieb immerhin eine Kaschemme namens Maulbeerbaum.

  9. Ach Herr Buddenbohm, warten Sie noch ein Weilchen bis die verehrten Söhne mit Französisch anfangen und dann gar nützliche Dinge lernen wie zum Beispiel „le crampon“. Das heißt: Steigeisen. Wie soll der Mensch bitte ohne solche Wunderwörter überleben? Und „trowel“ kommt jetzt in mein Kästchen mit feinen Wörtern – da liegt unter anderem schon das slowensiche Wörtchen „spominci“ – das heißt Souvenir.
    Ganz besonders herzliche Grüße vom Wortklauber.

  10. Lieber Herr Buddenbohm,
    ich empfehle dringend, zu diesem Thema das wunderbare Lied von Markus Reyhani „Unter dem Maulbeerbaum“ zu hören. Leider finde ich gerade kein Video davon, aber vielleicht kennen es die Söhne ja. Es findet sich auf der auch sonst unentbehrlichen Platte „Meine Katze Kann Karate“.
    Herzliche Grüße

  11. Frau Hafensonne hat natürlich Recht: Der Alte Fritz und die Maulbeerbäume in meinem Berliner Stadtbezirk Köpenick (fast in Friedrichshagen zu Hause) sind hier bekannt wie der berühmte bunte Hund.
    Sollte es Sie und die Herzdame mit oder ohne Söhne mal wieder nach Berlin verschlagen, zeig ich Ihnen das sehr gerne! Und den Müggelsee, den Hauptmann von Köpenick, Frauentrog und und und …

  12. Mein „kleiner Spaten“ war das chevet – auf Französisch das Nachtkästchen neben dem Bett. Das kannte nicht mal meine Freundin, die eine französische Mutter hatte.

    Aber so kenne ich heute immerhin die livres de chevet – die Bettlektüre. Und das ist ja schließlich wieder notwendiges Vokabular.

  13. Maulbeeren sind soo lecker und hübsch.
    Aber man muss beides haben. Oder wie im Garten meiner Großmutter: Einen schwarzen Maulbeerbaum und einen Ast mit weißen Maulbeeren aufpropfen. (so nennt man das glaube ich).
    Weil: Die schwarzen Beeren machen dolle Flecken auf den Händen, die man mit den weißen Beeren einfach wegradieren kann 🙂

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