Am Wegesrand

An einem Kioskfenster hängt ein Zettel: “Alkohol trinken verboten!!!” Vielleicht sind es auch noch mehr Ausrufezeichen, das kann durchaus sein, ich zähle im Vorbeigehen nicht nach. Der Zettel ist schon etwas vergilbt, denn der hängt da in der prallen Sonne. Eine Ecke klebt auch längst nicht mehr richtig, ein Teil des Blattes hängt auf halbmast. Vor diesem Fenster sitzt ein Mann auf einem Plastikstuhl und trinkt Bier aus einer Dose. Der Mann hat nicht den gepflegtesten Gesamtzustand und einen nicht unerheblichen Bauch. Er sieht äußerst zufrieden mit allem aus, besonders aber mit seinem Bier. Der Kioskbesitzer lehnt entspannt neben ihm im Türrahmen und guckt, wer so vorbeigeht. Der Mann mit dem Bier legt jetzt den Kopf in den Nacken, macht die Augen zu und fühlt nach, wie das Bier da in ihm hinunterrinnt und kühlt und irgendwas lindert, also das nehme ich jedenfalls an, dass es das tut. Würde der Mann die Augen jetzt öffnen und nach oben sehen, er könnte den Zettel mit dem Alkoholverbot über Kopf lesen. Der Kioskbesitzer sieht einer Frau nach und sagt etwas, der Mann mit dem Bier nickt ohne hinzusehen. Es ist warm, es ist eigentlich schon heiß, ein wenig schwül vielleicht und die wenigen Menschen, die hier vorbeigehen, wirken angestrengt und müde, es ist spät am Nachmittag.

Es ist ein Vexierbild, nicht wahr, man kann sich aussuchen, wie man das findet. Lässig und locker, wie sich da über ein Verbot hinweggesetzt wird, es mutet doch geradezu französisch entspannt an, liberté wie in dieser einen Zigarettenwerbung da, nur mit irgendwie ungecastet wirkenden Darstellern. Oder es ist einfach nur prollig und blöd, renitent und bockig, wie da der Feierabend den Regeln entgegen verlebt wird, also wenn der da mal überhaupt einen Job hat, der Typ, man weiß es ja nicht, aber nee, vermutlich nicht. Der sitzt da bestimmt immer. Na, man kann es sich aussuchen. 

“Vorstadtfeierabend, dick von Fliederduft, Abendglocken schwingen vogelfrei …” Ich pfeife mir ein uraltes Stück vom Degenhardt, das hat mit der Sache so gar nichts zu tun, also das muss man jedenfalls dringend hoffen, aber was soll ich machen, ich kann die Texte alle noch. 

Ich gehe weiter, mehr passiert hier nicht. Die Platanen werfen schon wieder grünes Laub ab, vermutlich durch die Trockenheit der letzten Wochen. Die großen Blätter am Wegesrand zerknirschen wie Chips unter meinen Schuhen, so klingt der Juni.

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3 Kommentare

  1. Eine kleine Beobachtung und die Gedanken dazu wieder mal allerbestens in Worte gefasst. Für diese Posts liebe ich Ihren Blog am meisten, Herr Buddenbohm!

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