Eine Dankespostkarte

Rückseite

Vielen Dank für das Paket mit Eichhörnchenfutter! Es wird jemanden ganz besonders freuen, der in einer Eiche nahe unserer Laube wohnt. Er kommt schon seit einer Weile häufig vorbei und guckt hier und da, ob nicht vielleicht etwas zu finden sei. Ich denke, das wird ihm gefallen. Oder ihr. Das kann man nicht wissen, oder kann man? Man kann nicht, ich habe es gerade gegoogelt. Man müsste dem Tier entschieden zu nahekommen, um das festzustellen. Und so gut kennen wir uns nun auch wieder nicht, ich meine, wir sind nur Gartennachbarn.

Vorderseite

Als ich noch bei der Luftwaffe war – ein Satz, der hier alle paar Jahre einmal vorkommen muss, weil er mit fortschreitendem Lebenslauf immer absurder wird – als ich also noch bei der Luftwaffe war, da gab es in den Verwaltungseinheiten der Truppe manchmal riesenhafte Geräte, die auf den ersten Blick etwa wie gepanzerte Schreibtische aussahen. Die konnte man oben aufklappen und einen Zettel unter die Klappe legen, es war aber kein simpler Kopierer, oh nein. Es war vielmehr ein futuristisch anmutendes Gerät, dass diesen Zettel – so wie er war! – auf ein anderes Gerät übertragen hat, das ganz woanders stand, vielleicht sogar richtig weit weg. Und zwar übertrug es eine nahezu perfekte Abbildung des Zettels sofort, ohne Verzögerung in der Zustellung. Hammer! Anderswo hieß diese Technik dann Fax, dort hieß das Gerät noch Bildschreiber. Ich durfte da nicht ran, das war alles hochspeziell und super abgesichert und mehr was für höhere Dienstgrade. Ich war aber nur einfacher Fernschreiber, das kennt heute auch keiner mehr. Und es ist nicht ganz ohne Komik, finde ich, dass ich für diese Dankespostkarten jetzt gewissermaßen selbst als Bildschreiber hier sitze. Aber das nur am Rande.

Wir befinden uns für das heutige Bild im Warteraum einer Belustigungsstätte für Kinder und Erwachsene mit Hang zu Ausgelassenheit und Albernheit. Ein weitgehend kahler Raum, in dem einige etwas unmotiviert herumstehende Sofamöbel für eine loungige Stimmung sorgen sollen, was nur mit begrenztem Erfolg verbunden ist. Zwei, drei Tische mit Stühlen daran gibt es auch, an einem sitzt ein Vater und arbeitet konzentriert an einem Notebook, er telefoniert zwischendurch und schreibt dann etwas in einen Terminkalender, der ist schwer beschäftigt. An einem anderen Tisch sitzen drei Frauen und geraten gerade in Streit, ihre Gesten werden immer ausholender und heftiger. Es geht auch bei ihnen um Termine, aber da passt etwas nicht. Zwei junge Männer auf einem Sofa zeigen sich etwas auf ihren Handys und kichern dann.

Neonbeleuchtung, der Raum hat keine Fenster. Es riecht intensiv nach Fett und künstlichen Aromen, nur einen Raum weiter stehen geschmückte Kindergeburtstagstische, die aber einen abgefressenen und geplünderten Eindruck vermitteln, es ist schon später am Tag. Die auf den Sofas wartenden Eltern haben aus verständlichen Gründen teils erheblich verrutschte Gesichtszüge, wie man eben aussieht, wenn man lange und ereignislos wartet, wenn es noch eine Stunde so geht oder sogar länger. Ab und zu kommen fortgeschritten verschwitzte Kinder vorbei und berichten aufgeregt etwas, dann werden die Gesichter der Erwachsenen nett, vergnügt und zugewandt, bei den meisten jedenfalls.

Neben mir sitzt eine Frau, eine Mutter sicherlich, die auch wartet. Ihr Kindergrüppchen tobt irgendwo in den anderen Gebäudeteilen herum. Am rechten Arm der Mutter hängt eine Art Dekoration, wie man zunächst denken könnte. Bei genauerem Hinsehen besteht das Bunte da aus lauter Einzelteilen und man muss schon mit dem Jahr 2020 vertraut sein, um dieses Bild sofort verstehen zu können. Noch vor wenigen Monaten wäre es vollkommen rätselhaft gewesen, unbegreiflich für Zeitreisende aus der Vergangenheit, was die Frau da trägt und schon gar warum. Denn es sind die Masken der Kinder, die sie da aufgereiht und irgendwie verkettet hat, vier, fünf Stück, wie fröhlichbunte Wimpel nebeneinander. Masken, die im Eingangbereich der Anlage noch getragen werden müssen.

Wenn die Frau den Arm hebt, etwa um sich Haare zurückzustreichen, sieht das Geflirre etwas irritierend aus. Aber nur kurz, dann kennt man auch das und wundert sich nicht mehr. Wie man sich in diesem Jahr überhaupt immer weniger wundert.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci! 

 

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