Anmerkungen zur Home-School

Ich versuche gar nicht erst, das vollständig aufzuzählen, aber in der Home-School kommen PowerPoint, Word, Excel, mehrere Chatprogramme, mehrere Tools für digitale Meetings, mehrere Plattformen, zwei Mailprogramme, eine Software für Stopmotionfilme und eine App für die Erfassung sportlicher Leistungen zum Einsatz, natürlich auch sämtliche Funktionen des Smartphones und ich habe sicher irgendwas vergessen und müsste an den Fingern beider Hände abzählen, wie viele Accounts mittlerweile von uns eingerichtet worden sind.

Vieles, was mit diesen Tools produziert wird, muss irgendwie und irgendwo gespeichert werden, abgelegt werden, hochgeladen werden, archiviert werden.

Aber: Sich digital vernünftig organisieren zu können, das ist auch für viele Erwachsene eine kaum zu lösende Aufgabe.

Die Vorstellung geht dahin, dass die Kinder über längere Zeit selbständig arbeiten, etwa bei der Beschäftigung mit einem Arbeitsblatt. Nahezu unweigerlich wird da in Kategorien von Schulstunden gedacht.

Aber: Sich länger als, na, etwa 20 Minuten durchgehend konzentrieren zu können, das ist auch für viele Erwachsene eine kaum noch zu lösende Aufgabe.

Es gibt nicht nur die oben genannten Tools, es wird auch viel ausgedruckt, gemalt, gezeichnet, markiert etc. Die Ergebnisse davon werden wiederum gescannt, abgelegt oder weiterverwendet. Nach ein paar Tagen geht es schon um sehr viel Papier, locker ein großer Wohnzimmertisch und ein, zwei Quadratmeter Fußboden voll, dazu kommen noch Bücher, Hefte etc.

Aber: Ordnung in so einem Wust zu halten, das ist auch für viele Erwachsene eine kaum zu lösende Aufgabe.

Die Kinder sollen sich an einen Stundenplan halten, die Kinder sollen sich selbst einen Stundenplan ausdenken, beide Varianten kommen vor. Sie sollen jedenfalls ihre Woche strukturieren.

Aber: Sich selbst zu strukturieren, das ist auch für viele Erwachsene eine kaum zu lösende Aufgabe. Besonders in Pandemiezeiten sind, wie man lesen konnte, gerade daran viele Menschen fast schon erstaunlich gründlich gescheitert.

Man könnte vermutlich noch auf weitere Punkte kommen. Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass die Leistungsfähigkeit, die ganz abgesehen von den Ergebnissen in den Fächern notwendig ist, um zu Hause überhaupt erfolgreich arbeiten zu können, in der allgemeinen Diskussion nicht recht wertgeschätzt wird.

Schon gar nicht wird irgendwas davon gelehrt. Das muss man alles, wie die Kinder sagen, „aus der Luft können.“ Und man muss es dringend können, denn die Schule besteht auch in diesen Zeiten hauptsächlich aus Forderungen, nicht aus Angeboten.

Für die nächste Pandemie – immer hoffnungsvoll enden! – würde ich mir eine Lernplattform wünschen, die unter Berücksichtigung dieser Punkte entwickelt wird. Ich glaube, dass das geht. Ich glaube aber auch, dass, pardon, kein Schwein bei der Entwicklung der jetzigen Plattformen daran gedacht hat. Es gibt zum Thema Usability ein paar nachlesbare Standards, es gibt ziemlich klare Erkenntnisse und auch Testverfahren. Man kann geregelt herausfinden, was läuft und was nicht läuft. Und man kann, das ist am wichtigsten, Wert darauf legen, dass alles möglichst leicht verständlich ist und Struktur gibt, nicht verlangt.

Egal. Jetzt erst einmal herausfinden, was es mit der seltsamen Datei 17-2 auf meinem Notebook auf sich hat, in der ein paar wirre Zahlen stehen und die ich erst einmal einem Sohn zuordnen muss, um dann vielleicht weiter zu kommen.

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4 Kommentare

  1. Bei uns in der Grundschule werden einfach die bestehenden Arbeitsbücher weiter bearbeitet. Das ist nicht besonders kreativ, aber sehr einfach zu handhaben. Digitales kommt eher selten vor.
    Was ist das denn für eine App für sportliche Leistungen, wenn ich fragen darf? Erkennt die wie viele Kniebeugen man gemacht hat?

    Meinen Respekt auf jeden Fall für das Jonglieren dieser ganzen Homeschooling-Bälle.

  2. Danke für diese Ansichten. Ich sitze normalerweise auf der anderen Seite des Pultes, jetzt andererseits der Software.
    Unsere Schule nutzt eine Plattform, die vom Kultusministerium abgesegnet ist und die wirklich viel abdeckt.
    Im Laufe von 2020 haben wir viele Module dazu bekommen, die ich als hilfreich empfinde. Dazu gehören Messenger, Aufgabenmodule mit Statusanzeigen, ob und was schon bearbeitet wurde, die Arbeit an gemeinsamen Textdokumenten, E-Mail-Funktion, Hilfebereiche,…
    Das gab es so vor Corona noch nicht.

    Und dann ist da ja die persönliche und fachliche Ebene, der Sport- oder Werkunterricht hat sicherlich andere Grenzen als Deutsch und Geschichte.

    Die häuslichen Strukturen sorgen schon für noch mehr Unwucht im Bildungssystem, weil längst nicht alle einen Drucker, einen Schreibtisch oder einen ruhigen Lernort haben. Um das etwas abzufangen, ist mein Alltag beispielsweise so:

    Ich fordere meine Schüler_innen auf, sich zu den Unterrichtszeiten beim Messenger einzuloggen. Da führe ich dann ein Chat-Gespräch, in der beispielsweise mit Emojis geantwortet wird („Hallo! Wie geht es euch?“). Das gibt einerseits eine Gefühlsrückmeldung und andererseits sehe ich durch die Reaktionen, wer tatsächlich aktiv dabei ist. Außerdem geht das vom Smartphone, dafür muss ich nicht schnell tippen können oder einen Rechner haben. Und dann versuche ich mich schon am Unterrichtsaufbau entlangzuhangeln, indem ich die Aufgabe erst im Chat online stelle, die Texte buchbasiert sind, die Aufgaben aber von mir kommen, dann eine Bearbeitungszeit vorgebe und als Ergebnissicherung ein Foto im Messenger sehen will. Das funktioniert wie ein Upload in den gängigen Apps, das kriegen sie hin.

    Das klappt meistens ziemlich gut. Videokonferenzen finde ich schwierig, zumal ich meinen Schüler_innen nicht traue. Wer weiß, ob sie nicht doch eine Mitschnitt-Software laufen lassen und dann doofe Filme von mir zusammenschneiden? Damit ist mir unbehaglich.

    Es ist irgendwie auch ein Aubalancieren.

    Also, als Unterrichtende versuche ich schon, das Lernpensum zu entlasten, persönlich da zu sein und häufige Rückmeldungen zu geben. Denn ich sehe auch, dass diese ganze Pandemie wahnsinnig viel von Kindern und Jugendlichen fordert.

  3. MoT, unbekannterweise ein riesiges Dankeschön für die letzten Sätze! Ich würde mir das für meine Kinder auch wünschen – LehrerInnen, die sehen, dass das eine unfassbare Herausforderung auch für die Kinder ist…Die Angst vor den Videos bzw. das Misstrauen finde ich schade, denn ich habe immer die Illusion, dass Sehen wichtig ist, aber okay. Und Herr Buddenbohm, wie immer ein toller Text, den ich nickend unterschreibe und weiter versuche, nicht vollends den Mut zu verlieren. Und das, obwohl wir recht komfortabel wohnen, genug Platz und digitale Endgeräte haben um Homeoffice und Homeschooling zu vereinbaren und uns meistens auch noch ganz gut leiden können dabei. So langsam wird die Luft dünner.

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