Sohn I und ich haben die langen Haare satt. So satt haben wir sie, wir suchen nach der Haarschneidemaschine, die hier seit Jahren unbenutzt irgendwo liegen muss, in irgendeinem Schrank ganz hinten. Wir denken uns, es wächst ja wieder, vermutlich sogar in zureichendem Ausmaß bis der Lockdown beendet ist, denn der dauert bekanntlich noch Ewigkeiten. Die Herzdame sagt warnend, sie könne keine Frisuren damit schneiden, sie könne nur kahl. Wir sagen: Okay. Sohn II macht bei unserer Aktion nicht mit, er hat gerade lilagefärbte Haare, die können also nicht geschnitten werden, das wäre Farbverschwendung. Das ist soweit logisch.
Das Machinchen wird schließlich gefunden. Wir stellen uns ins Bad, wir machen das Gerät an, mal sehen, ob es noch geht. Die Maschine macht ein Geräusch wie ein asthmatischer Igel, der stöhnend durch eine Hecke krabbelt. Das klingt nicht gut. Wir überlegen. Wenn die Herzdame damit anfängt, kann es gut sein, dass das Gerät nach ein paar Sekunden den Geist aufgibt, es klingt sehr danach. Sie sagt, ihr erster Kunde hätte dann vielleicht leider einen negativen Iro. Das müssen wir erst einmal durchdenken und diskutieren. Fast ist das schon wieder Physik, wie geht ein negativer Iro? Eine Kerbe in der Mitte der Frisur, das hat sich in der Geschichte der Frisuren nicht recht durchgesetzt. Vielleicht aus guten Gründen nicht? Wir versuchen, uns unsere Köpfe auf diese Art vorzustellen, das ist nicht so einfach. Ich gucke in den Spiegel, der Mann aus den Bergen, sieht mich an. Also zumindest nach den Haaren zu urteilen. Was kommt eigentlich nach dem Mann aus den Bergen – Robinson Crusoe? Will ich so aussehen? Robinson. Der hatte jeden Tag Home-Island, das war auch nicht gut. Anderseits war er viel alleine, das war vielleicht ganz schön. Ich gerate ins Träumen.
Wir vertagen das Frisurenproblem erst einmal Das ist in Ordnung, es wird ja alles vertagt, das ganze Leben wird vertagt. Nichts machen, immer nur weitermachen. Wenn die Haare die Augen erst komplett verdecken, dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus, sage ich aufmunternd zum Sohn. Er guckt mich zweifelnd an.
„Euch sieht sowieso keiner“, sagt die Herzdame, „es ist im Grunde alles egal.“
Und das ist in diesen Zeiten doch ein positiver Schlusssatz, das lasse ich gelten.
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