Wir in der nächsten Zeit und kurz darauf

In den Nachrichten jetzt wieder überall Annahmen und Voraussagen zum Ende der Pandemie, zur nächsten Zeit und zu kurz darauf. Die Läden werden demnächst Mode zu Spottpreisen verkaufen, so lese ich. Bis zu 90% Preisnachlass, das wird alles quasi gar nichts mehr kosten, alles wird verramscht werden und doch noch gut sein, und wenn die Läden erst wieder geöffnet sein werden, dann stürmen wir da rein und kaufen alles, alles. Verdammt gut werden wir dann aussehen, wie neu werden wir aussehen und so werden wir uns auch fühlen, durch und durch wie neu. Viele Unfälle wird es geben, das ist eine andere Meldung auf einer anderen Seite, das klingt nicht so gut. Weil wir uns so dermaßen lange nicht bewegt haben, weil wir keinen Sport gemacht haben, weil wir eingerostet sind auf dem Sofa, das wir durchgesessen haben. Aber erst einmal gehen wir in die Innenstadt, erst kommt noch etwas Shopping, das ist so gefährlich nun auch wieder nicht, das kriegen wir schon noch hin, auch nach Monaten auf den Sitzmöbeln, die wir nicht mehr sehen können. Und wir werden in der Umkleide stehen und denken geil, wir stehen in einer Umkleide, das ist ja der Hammer, dass wir das noch erleben dürfen! Wir lassen alle Klamotten aus den Angeboten gleich an und gehen neu und farbig und topaktuell raus auf die Straße, wo alle anderen auch so aussehen wie wir, sehr gut sehen sie aus, sexy auch und sympathisch, überaus sympathisch, wir leben am Ende doch in einer guten Gegend.

Wir haben Hunger und gehen in einen Imbiss, das geht auch wieder. Wir essen Pommes, ungesunde Pommes, und zwar viel davon, rotweiß unbedingt, wir brauchen enorm viel Energie, und zwar sofort, das spüren wir deutlich. Es ist erst elf Uhr am Vormittag, aber wir trinken Alkohol dazu, weil wir es brauchen, weil wir es feiern wollen, weil wir alles jetzt sofort feiern wollen. Wir sehen uns um, die anderen Gäste im Imbiss sehen alle nett aus, super Leute, das merken wir gleich, und wir machen Smalltalk mit denen, als hätten wir Smalltalk immer schon gut gefunden. Wir fragen, was sie im Lockdown gemacht haben. Wir fragen nach ihren Vornamen und nach ihren Berufen und Hobbys, wir trinken Brüderschaft. Nach dem Lockdown ist Köln weltweit und wir singen gemeinsam alles mit, was im Radio läuft. Wir gehen wieder raus und sehen auf einmal all die neuen Plakate, Veranstaltungen!

Weißt du noch, weißt du noch, und wir machen Fotos von den ganzen Plakaten und speichern sie ab und wollen überall hingehen. Freilichtbühne, bestuhlt oder unbestuhlt, Arena und Club und Privattheater, wir nehmen alles mit. Wir wollen in der ersten Reihe sitzen und jubeln, wir wollen die besten Plätze, genau das wollen wir und wir gehen immer schneller, weil wir noch etwas wollen, weil wir alles wollen, und zwar heute noch. Wir gehen zur U-Bahn, wir telefonieren dabei, wir gehen einfach das Adressbuch komplett durch und verabreden uns mit allen und für alles, wir lachen und reden und lachen immer mehr. Da, die Treppen runter zur U-Bahn, und wir hören sie unten schon einfahren, wir laufen jetzt, einmal wieder einer U-Bahn hinterherrennen und das Herz schlägt, wie das schlägt!

Wir stolpern über die vielen Einkaufstüten, wir fallen wie die Leute aus dem Stuntteam, nur ohne die geschickte Landung, aber sogar der Flug fühlt sich gut an, man wird davon erzählen müssen, denken wir noch, allen wird man davon erzählen müssen, da haben wir schon wieder ein Thema. Und wir brechen uns am Fuß der Treppe das Genick und sterben, so lebendig wie nie.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

 

7 Kommentare

  1. Nach dieser herrlich aufregenden Normales-Leben-Anfangswoche, steigt dann die Inzidenzzahl wieder ins uferlose und wir können uns in der Quarantäne vom Stress des normalen Lebens wieder ausruhen. Seien Sie mir nicht böse, ich bleibe noch ein wenig im Lockdown, wünsche aber allen tolle Schnäppchen.

  2. Pingback: LandLebenBlog
  3. Jo, so wirds kommen.

    Ich frage mich ja schon, ob die „wilden 20er“ des letzten Jahrhunderts eine Reaktion auf die damalige Pandemie der spanischen Grippe war. So richtig auf die Pauke hauen, so lange man noch kann, jetzt, nachdem man erlebt hat wie schnell es auch anders laufen kann.
    Ist dann halt auch etwas aus dem Ruder gelaufen… so Weltwirtschaftskrise usw… Jaja, ich weiss, die hatte ihre eigenen Ursachen.

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