Süd, Südwest

Im Drogeriemarkt haben sie den Drehständer mit den Gemüsesamen wieder in den Gang gestellt, beim Discounter gibt es nächste Woche Gartengeräte und Komposter. Im Wetterbericht steht etwas von sagenhaften 13 Grad schon am nächsten Wochenende und als ich am Sonntag in der Küche stehe und Unmengen Kartoffelsuppe mit Mettenden für eisige Tage zubereite, höre ich die Glocken unserer Kirche, danach noch weitere Glocken von einer Kirche in einem anderen Stadtteil und dann sogar noch mehr, die müssen weit weg sein. Ich öffne das Fenster, ich halte den Kopf in die Kälte und versuche, die Richtung zu bestimmen, aus der die fernen Glockenschläge kommen, die ich sonst nie höre. Ich glaube, sie kommen vom Hafen. Der Wind hat also gedreht, das ist Südwest, da liegt Sibirien nicht. Etwas Neues kommt vom Hafen her, das kann einem als Hamburger auch willkommen sein, so gehört das. Eine Unwetterwarnung piept auf dem Handy. Schnee und Regen auf Helgoland, viel davon. Wenn die Unwetterwarnungen zuerst für Helgoland kommen, dann ist es aber so etwas von West.

Das sind so die Frühlingszeichen. Adere sehe ich nicht, andere höre ich nicht, fühle ich nicht. Die Luft ist noch eisig, es riecht nach Winter. Es sieht auch nach Winter aus, weiter hinten das Alstereis, ein strahlendes Krankenhauslaken, frisch aufgezogen. Auf dem Spielplatz vorm Haus hüpfen die Eltern im Kreis, um sich aufzuwärmen. Ein kleines Kind im dicken Schneeanzug hüpft mit, fällt um und lacht sehr, rollt gut gepolstert über den Boden. Spielplatzsand und Schnee in unschöner Mischung, Wintertarnfleck.

Aber doch, da kommt was, ich will es gerne glauben.

Ich gehe um den Block. Ein paar Häuser weiter bleiben Menschen vor den Fenstern eines Restaurants stehen, dann noch andere Menschen und auch die, die nach denen kommen. Was gibt es da zu sehen? Die Tische wurden komplett eingedeckt. Als würde es da morgen wieder losgehen, so sieht das aus. Alles ist auf einmal wieder auf den Tischen, Kerzen, Gläser, Servietten, Dekoklimbim. Gestern standen die Tische und Stühle noch zusammengeschoben in einer Ecke. Üben die da? Machen die vielleicht Fotos? Das können sie doch so nicht liegenlassen, bis sie irgendwann wieder öffnen, das staubt doch alles ein, die Teller und die Gläser.

Die Menschen stehen draußen vor den Scheiben und einer sagt: „Sieht aus wie normal“, jemand antwortet: „Ja, früher normal.“

Ein paar Meter weiter hat jemand neben den geplünderten Mülleiner gekotzt. Das ist immer normal, damals, heute, morgen. Pandemie hin oder her. In der Nacht wird das frieren, der Winter hat auch Vorteile.

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3 Kommentare

  1. Hier um uns herum sind wieder Vögel zu hören, die in den letzten Winterwochen nicht zu hören waren. Das hat nichts mit dem Wind zu tun. Oder vielleicht doch? Wissen die Vögel, dass es demnächst wärmer werden soll?
    Heute steht in der Grafik für Hamburg 15 Grad für nächsten Sonntag. Die dicke Winterjacke kann also eingemottet werden.

  2. Oh ja auch die Hundekacke ist jetzt gefroren! Das wird dann nächste Woche beim Auftauen wieder fürchterliche Gerüche freigeben.

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