Die Brücke der Beschränkungen

In den Nachrichten geht es um die Bundesnotbremse. Da mal dran ziehen! Und außerdem wird die Brücke der Beschränkungen erwähnt, die erinnert seltsam an Begriffe aus der chinesischen Politik von damals, der große Sprung musste über die Brücke der Beschränkungen, so etwas in der Art.

Und gewisse Herren möchten also demnächst Kanzler werden. Aha. Ich nicht, denke ich beim Lesen, ich nicht, und das macht es ja schon einmal einfacher, da kommen wir uns wenigstens nicht in die Quere, diese Herren und ich. Ich überlege aber, wo ich schon einmal beim Thema Werden bin, was ich eigentlich werden möchte. Dazu ist man nach gewissen Sachbüchern immerhin nie zu alt und man soll ja dauernd das mit der Bucket List machen, aber ich finde die Frage leider nach wie vor irre schwierig. Ich habe kein Karriereziel, schon lange nicht mehr. Ich möchte im Grunde nicht einmal einen Beruf haben, bitte, ich möchte einfach nur sein, wie die Blümelein auf dem Felde, da war doch was, nein, die Vögelein unter dem Himmel waren es. Oder so. Das ist ein umwerfend schlichter Gedanke, werden Sie vielleicht urteilen, aber es ist die Wahrheit, ich bin weitgehend ehrgeizlos. Vielleicht ist es ein Defekt, vielleicht ist es ein Segen, ich bin mir gar nicht sicher, was es ist. Es ist auf jeden Fall der Grund, warum mich von allen Einkommensarten das von den LeserInnen hier eingeworfene Geld immer am meisten freut, weil ich das vermeintlich dafür beziehe, wie ich bin. Denn das Schreiben fällt bei mir nicht mehr unter Tätigkeit und Pflicht, das fällt unter Sein. In Meike Winnemuths Gartenbuch, gerade sehe ich die Zeilen, steht ein Absatz über selbstbelohnendes Verhalten: „Die entscheidende Frage ist immer: Würde ich es tun, wenn es kein Geld dafür gäbe? Wer das mit „ja“ beantwortet, hat alles richtig gemacht.“ Ich würde immer schreiben, nehme ich an. Das Schreiben gehört zum Leben dazu, das ist in meinem Fall also fremdbelohnt und auch selbstbelohnend und daher wohl so etwas von richtig.

Was soll ich ansonsten werden, was soll ich sein? Und versuche gut zu sein, wie die Anweisung bei Wolfgang Borchert hieß, das hatte ich neulich gerade schon, das ist ja wohl schwer und unlösbar genug, was denn noch alles?

Im Grunde finde ich alles so dermaßen kompliziert, ich könnte problemlos den Rest meines Lebens mit dem stets bemühten Nachdenken darüber verbringen und würde mich sicher nicht langweilen dabei. Ich habe, wie schon oft festgestellt, eigentlich gar keine Zeit für einen Beruf. Ich finde das Leben an sich schon herausfordernd genug.

Ansonsten ist Home-School, versteht sich, immer ist Home-School, ich kann ja schon deswegen nichts werden. If-Sätze im Englischen. Versuchsprotokolle zu Schallexperimenten, bis hier keiner mehr das Wort Dosentelefon ertragen kann. Der Aufbau der Stadt im Mittelalter, die Rolle der Zünfte und die der Hanse. Dezimalbrüche. Und immer so weiter und weiter und weiter, das Leben ist eine lange, ruhige Home-School-Stunde. Oder es ist Home-Office, die Unterschiede verschwimmen hier ab und zu. Man hat viele und lange Online-Meetings, man macht Aufgaben, man gibt etwas ab. Egal.

Würde ich Home-School machen, wenn ich kein Geld dafür bekäme? Ach nein. Falsche Frage, Thema verfehlt.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

4 Kommentare

  1. Sowohl die Vögel unter dem Himmel als auch die Blumen auf dem Feld (in einigen Übersetzungen: Lilien“) sind korrekt. Beide führt Jesus im Matthäusevangelium (7. Kapitel) als Beispiel dafür an, dass Gott sie versorgt, auch ohne dass sie selbst wer-weiß-was dafür tun müssen.
    (realistisch? Der ganze Abschnitt besteht aus Idealvorstellungen, die sicher schon immer schwer umzusetzen waren. Dabei sind sie wunderbar großartig, finde ich.)
    Den Gedanken, etwas einfach mal gut sein zu lassen, so wie es ist (auch sich selbst), ohne noch das letzte Fitzelchen Perfektion zu erreichen, den finde ich auch manchmal hilfreich. Vielleicht ist er ja sogar überlebenswichtig?
    Schöne Grüße von Leipzig nach Hamburg!

  2. Eine werden, die nur noch „sein“ will – bisschen paradox, aber ein friedliches Gefühl. Vor allem bei Regen im Garten nach langer Trockenheit.

  3. Ich fürchte, viele der Selbstoptimierer werden nie ans Ziel kommen. Da ist es vielleicht gar nicht so übel, schon da zu sein.

  4. Danke für Ihre Texte, das schon seit einigen Jahren. Die Musiktipps zwischendurch sind auch oft bereichernd.
    Danke inzwischen auch für Ihre tweets (insbesondere die mit „Home“-Thema, aber auch alle anderen); der mit den Naturmaterialien kürzlich hat mich geradezu hysterisch erheitert. Hier sind es aktuell Besinnungsaufsätze zu dem Thema „Was hast Du in den Ferien erlebt?“, die davon zeugen, welche Energie manche Pädagogen in ihren Beruf stecken – dann doch vielleicht lieber übertrieben kreative Aufgaben wie bei Ihren Kindern? 😉 (Bin nicht bei twitter, deswegen so länglich hier.)
    Ach so, und bitte immer weiter machen mit dem „Sein“, falls möglich; ich lese Sie so gerne!

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