Ich stehe vor der Apotheke an, denn in die Apotheke dürfen nur zwei Personen, die sind aber schon drin. Noch vier vor mir, Tür auf, einer raus, einer rein, na, Sie kennen das. Neben mir ein Café. Menschen sitzen draußen und beleben die vermutlich nach wie vor notleidende Gastronomie, so ist es recht. Zwei Meter weiter sitzt da eine junge Frau, die guckt auf ein Notebook. Ich kann nicht sehen, worauf sie da guckt, ich sehe die Rückseite des Bildschirms. Sie tippt etwas, nur ganz kurz, dann lächelt sie und wartet kurz, sie sieht gespannt aus. Sie tippt wieder, aber nur eine Taste wird dabei gedrückt, mit dem Zeigefinger der rechten Hand, der eine Sekunde über der Tastatur verharrt, kurz zögert und dann erst entschlossen landet. Es sieht aus, als würde sie etwas final abschicken, mit einem kleinen Bedenkmoment. Ein Finger, der eine Botschaft auf den Weg gebracht hat. Ja, das wird es sein. Die Frau nimmt einen Schluck Kaffee, lehnt sich zurück und guckt immer weiter auf den Bildschirm, wobei sie erfreut aussieht, als würde da etwas Schönes passieren. Sie wird aber keine Serie oder einen Film sehen, denn sie hat keine Kopfhörer. Im Vergleich zu den meisten anderen Menschen, die hier im Stadtteil allein in einem Café vor einem Notebook sitzen, ist diese Frau auffällig gut gelaunt, die hat Spaß. Jetzt stützt sie den Kopf in die Hand und kneift die Augen ein wenig zusammen, streicht dann über das Touchpad und murmelt unhörbar und nickend etwas, denn das, was sie sieht, es muss wohl weiterhin sehr gut sein. So gut muss das sein, dass sich ihr Lächeln in ein breites Grinsen wandelt. Sie tippt noch einmal, es könnte ein Wort sein oder ein kurzer Satz, dann verzieht sich ihr Mund so, wie man ihn vielleicht unwillkürlich verzieht, wenn man vor einem Notebook sitzt und eine richtig gute Pointe in einem Chat schreibt oder gerade das genau treffende Emoji abschickt, witzig und überraschend. Sie wartet kurz, guckt und lacht dann auf und lehnt sich zufrieden zurück. Ein Chat, denke ich, so sieht man aus, wenn man chattet. Mit einem sympathischen anderen Menschen und in bester Stimmung, ja, das passt. Immer alles deuten, was man sieht, ganz wichtig. Angewandte Lebenserfahrung, Zeichen erkennen. Im Grunde auch eine Übung in, Vorsicht, schlimmes Wort, Achtsamkeit.
Ich gehe in die Apotheke, ich hole das bestellte Zeug ab. Ich gehe nach Hause, dabei auch an der jungen Frau vorbei. Ich kann kurz sehen, was da auf dem Bildschirm so erfreulich ist, ich kann es erkennen. Ganz leicht kann ich es erkennen, denn es ist mir aus dem Job einigermaßen vertraut: Es ist Excel.
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Als eine, deren Kryptonit im Bürobereich eindeutig Excel heißt, kann ich gut verstehen, daß man lächelt, wenn etwas geklappt hat. Gnihihi.
No Kinkshaming!
Zahlen können so wunderschön sein.
Eine wunderbare Alltagsbeobachtung, wie immer meisterhaft eingefangen und beschrieben.