Eine Dankespostkarte

Rückseite

Ich habe zu danken für die Zusendung eines klassenfahrttauglichen Hoodies für Sohn II, der sich ob der Auswahl sehr begeistert zeigte, sowie für eine Lichterkette für den Garten. In diesem Fall lag die Freude hauptsächlich bei der Herzdame, die bezüglich abendlicher Illumination des Gartens ohnehin, wie soll ich sagen, stark verhaltensauffällig ist. Aber gut, es gibt natürlich Schlimmeres. Lichterketten – schon schön! Es hängt da sogar etwas Glück an der Strippe. Also für manche.

Es kam auch ein „Zustupf“ für die erwähnte Klassenfahrt, und der Sohn war selbstverständlich vom Geld begeistert, ich aber vom Wort. Zustupf, das ist doch sehr hübsch, und ich habe es Ewigkeiten nirgendwo mehr gelesen.

Die beiden winken jedenfalls hocherfreut und grüßen, ich schließe mich gerne an.

Vorderseite

Es ist ein schnell beschriebenes Bild, es hat eine vielleicht etwas cartoonhafte Anmutung. Und zwar stand ich da auf dieser wie immer nur imaginierten Aufnahme im Garten, vor den Beeten, wobei ich allerdings auffällig unpassende Bürokleidung trug. Ein weißes Hemd, Anzug, auch die blankgeputzten Büroschühchen, ich kam kurz vorher direkt von diesem Berufsdings. Und stand da also dezent deplatziert wirkend im Garten und goss Radieschen. Und die Kürbispflanzen goss ich auch, ebenso wie Zucchini, Möhren, Liebstöckel, Zwiebeln, Rhabarber, Kartoffeln, Erdbeeren, Rettich, Kohlrabi, Petersilie, Bohnen, Gurken und Paprika. Das ganze essbare Zeug, denn das fällt bei uns in meine Zuständigkeit.

Ich goss alles mittels einer großen, lilafarbenen Gießkanne. Rein theoretisch hätte ich auch mit einem Schlauch gießen können, das wäre wesentlich effizienter gewesen. Aber ich gehe wirklich gerne mit der Kanne hin und her und nein, ich habe nie behauptet, normal zu sein. Wir haben einen großen und langen Garten, ich mache also ordentlich Strecke beim Gießen, und ich mag das.

Bis hier wäre es aber immer noch ein außerordentlich langweiliges Bild, man muss noch wissen, dass ich da im Regen stand und ging und goss. Es regnete sogar recht ordentlich, es wolkenbrach fast, jedenfalls ein paar Minuten lang, und ich stand da also wie ein sprichwörtlicher Depp und trug Eulen nach Athen und Gießwasser hinaus in den pladdernden Regen. Und ich grinste breit, denn ich freute mich, dass es regnete, dass es dabei ganz großartig frühlingsintensiv roch, dass die Vögel in den Büschen schier ekstatisch ausflippten vor Freude, dass das Maigrün um mich herum in der frischen Nässe jäh aufleuchtete.

Ich machte da alles nass, ich wurde dabei sehr nass, ich fand das gut. Menschen gingen vorbei und grüßten freundlich. Man ist hier meist nett zu Narren. Ich meine, es ist eine Schrebergartenkolonie, es gibt also ein paar mehr von uns.

Man muss zu dem Bild allerdings auch wissen, wie es kurz vorher war. Sagen wir: Zwanzig Minuten vorher. Da war der Himmel noch etwas gelblich, die Luft war schwüldrückend und der Wind war seltsam afrikanisch heiß, sonderbar sonnensatt südlich anmutend, so wie man ihn hier eher nicht kennt. Die Vögel verschwanden in den Hecken, waren auffällig leise und klangen bedrückt. Die ganze Stimmung war eigentümlich bedrohlich und das Atmen fiel schwer, plötzliche Schweißausbrüche, es war Kreislaufwetter. Katastrophenfilme fangen so an, man kennt das. Auf der Terrasse vor der Laube drehte der Wind kleine Kreise, in denen die gerade herabfallenden Blütenblätter der Magnolie strudelten, pinkleuchtender Wahnsinn im rasenden Rund, und die nur gedachte Kamera schwenkte auf ein Außenthermometer, das stieg und stieg. Aus einem Radio hörten wir die Klimameldungen, und es klang nicht gut, was da gesagt wurde, es klang ganz und gar nicht gut. Im Wetterbericht für die nächste Woche wurden Temperaturen über dreißig Grad für möglich gehalten, zumindest in der einen App.

Ich sah auf Twitter nach. Die ganze Timeline schrieb gerade über das seltsame Wetter, über die Hitze, die Wärme, über das Drücken und die befremdliche Stimmung. Einige meldeten Regen, kurz darauf ergänzten sie aber schon, dass der Regen wieder aufhörte. Durchjagende Schauer, flüchtiger Sprühregen, mehr war das bei manchen nicht.

Man kann es sicher übertrieben finden, aber es war ein Nachmittag, an dem ich die Klimakrise nicht nur rational wahrgenommen habe. Ich habe sie auch gefühlt. Vermutlich war es ein Fehlgefühl, es war am Ende wieder einfach nur Wetter, aber das ist ja egal. Es war zu warm und es war endzeitlich. Wir brauchen wohl alle solche Momente, nehme ich an, wir verstehen es sonst nie.

Der Regen hielt dann über unserem Garten sogar länger als zehn Minuten, der Regen hielt eine ganze Weile. Ich ging schließlich zu einem der Beete und hob eine Schaufel Erde aus: Die Feuchtigkeit war keinen Zentimeter tief eingedrungen. Der Regen hatte bis dahin nichts erreicht, alles war noch mehlstaubtrocken. Es müsste hier lange, so lange regnen, bis der Boden durch und durch nass wird, bis wieder reichlich Wasser da ist. Deswegen also stand ich da mit der Gießkanne im Anzug im Regen. Als Wasserverstärker, als After-Work-Zusatzberegner, als Maiwetterimitator und personifizierte Schauerneigung.

Denn dieser Mai, den wir hier erleben, der ist nicht von hier. Dieser Mai fühlt sich fremd und etwas unheimlich an.

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