Flapp Flapp

Die Herzdame hatte in diesem Jahr einen Adventsgeburtstag, normalerweise backt Sohn I einen Kuchen zu diesem Anlass. Der war aber krank und fiel komplett aus, weswegen Sohn II und ich diesmal zuständig waren. Obwohl wir doch eigentlich Team Kochen sind, was bei uns strikt getrennt wird, wie fast alle Aufgaben im Alltag. Der eine macht dies, der andere macht das, das unselige Mischen führt nur zu kritischen Abstimmungsproblemen. Aber egal, wir brauchten einen Kuchen, natürlich brauchten wir einen Kuchen, es gibt bei uns keine Geburtstage ohne Kuchen. Wir buken also am Sonnabend unseren ersten Kuchen. „Ich mache aber nur mit“, sagte der Sohn, „wenn wir vom Rezept abweichen können. Die Angaben sind mir da zu exakt.“ Abwehrend wedelnde Gesten. Man hätte damals im Krankenhaus, direkt nach seiner Geburt, auch „Es ist ein Freigeist!“ sagen können, es hätte gepasst.

Wir produzierten einen sträflich ungenauen Schokoladenkuchen und stellten fest, das geht auch. Aber nicht immer, sagte ich, aber nicht immer. Manchmal muss man auch genauer sein und sich an die Anweisungen und alten Regeln halten, etwa bei … Der Sohn war da schon längst nicht mehr im Raum. Egal.

In den Kuchen steckten wir Buchstabenkerzen, sie ergaben ein buntes „Happy Birthday“, oder in unserem Fall: „Happy Bihrtday.“ Nicht so genau hinsehen. Bewusst daran vorbeisehen. Nicht aufregen. Gelassener werden. Überhaupt milde werden. Kein Tag ohne Aufgaben und Lektionen.

Wir sangen am Sonntagmorgen zu zweit für die Herzdame. Nur zwei der männlichen Familienmitglieder haben hier noch Stimme, einer davon kann gut singen und trifft sogar Töne, ich bin es nicht. Die Herzdame lächelte verbindlich, wenn nicht huldvoll.

Im Morgenlicht des Sonntags tauchten erste Möwen auf, die tief durch die Straßen flogen. Sie suchten Dönerreste, verlorene Pommes, Brötchenkrümel, tote Tauben und dergleichen. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass tieffliegende Möwen, die so suchend langsam durch ihr Revier patrouillieren, ihre Flügel manchmal genau wie die Vögel damals in der Ausburger Puppenkiste bewegen? Wäre der Ausblick aus dem Küchenfenster ein Bild in einem Comic gewesen, es hätte ein lautmalerischer Erikativ wie etwa „Flapp Flapp“ neben diesen Möwen gestanden. So sah das aus.

Auf einigen Balkonen in den Häusern gegenüber lehnten Tannenbäume, noch eingenetzt. Unten auf den Wegen zogen im Laufe des Sonntagvormittages Familienrudel vorbei, Väter mit Bäumen über den Schultern, geradezu beneidenswert dick eingepackte Kinder. Der Baumverkauf im nahen Park lief gut am vierten Advent, und der Nachbar übte „Morgen, Kinder, wird’s was geben“ auf dem Klavier, ich hörte es durch die Wand. Ich schlug den Text nach, das meiste kam mir nicht einmal ansatzweise bekannt vor. Nanu.

Welch ein schöner Tag ist morgen!
Neue Freude hoffen wir.
Unsre guten Eltern sorgen
Lange, lange schon dafür.
O gewiß, wer sie nicht ehrt,
Ist der ganzen Lust nicht werth.

Nein, ihr Schwestern und ihr Brüder,
Laßt uns ihnen dankbar seyn,
Und den guten Eltern wieder
Zärtlichkeit und Liebe weihn,
Und aufs redlichste bemühn,
Alles, was sie kränkt, zu fliehn.“

Ich glaube, die Söhne kennen das auch nicht.

Mittlerweile ist es aber schon längst Montag geworden. Ich brachte der Herzdame am Morgen nur alltäglichen Tee ans Bett, ohne Kuchen und ohne Gesang. Hauptsache heiß.

***

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4 Kommentare

  1. Ich bin da ja mehr für die Erich-Kästner-Version:
    „Morgen, Kinder, wirds nichts geben.
    Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
    Mutter schenkte euch das Leben.
    Das genügt, wenn mans bedenkt.“

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