Da machen wir mit

Die Temperaturen steigen deutlich, wenn nicht dramatisch, man liest von Rekorderwartungen. Es regnet dabei unentwegt, das alte Jahr wird warm aus der Stadt gespült. Menschen bringen schon die ersten abgetakelten Tannenbäume an Straßenecken und Sammelpunkte. In einem trockenen Moment gehe ich um den Block und sehe, einige tragen nur T-Shirts dabei, und sie scheinen nicht einmal zu frieren. Dann setzt der Regen wieder ein und sie rennen schnell zurück in die Deckung. So ein Wetter. Tannennadelmatsch vor Hauseingängen.

Wieder in der Wohnung ist der Blick auf die Welt verschwommen, das liegt an den Schlieren auf den Scheiben, an den Sturzbächen über den Dachfenstern. Das Nachbarhaus liegt hinter psychedelischen Schleiern, der Giebel verläuft wie auf einem Aquarell. Es trommelt, es klopft auf dem Dach über dem Schreibtisch, es will sehr, sehr gemütlich sein. Wir aber fahren zu einem Baumarkt und in ein Möbelhaus, denn wir halten uns wiederum an das goldene Gebot: Du sollst keine ruhigen Tage haben. Sind wir überhaupt noch belehrbar? Ich denke nicht.

Ikea ist voller sich streitender Familien, und zwar von enorm vielen davon. Der Mainstream läuft schlechtgelaunt den Pfeilen auf dem Boden nach. Da machen wir auch mit, bloß nicht auffallen, bloß nichts Besonderes sein wollen, knurrend und kläffend wie alle durch die SB-Halle. Zu spät stelle ich fest, dass es nach diesem Einkauf jetzt Duftkerzen in diesem Haushalt gibt, ich werde also ausziehen müssen. Aber wohin, aber wohin. Vielleicht gehe ich nach Eiderstedt, werde zugezogener Heimatdichter und reich. Das geht heute auch mit Regionalkrimis, glaube ich, Der Würger im Watt, Die Schlinge im Schlick und dergleichen. Totentanz in Tetenbüll, ich mache mir schon einmal eine Titelliste, dann nur noch abarbeiten. Nebenbei ein paar Schafe halten, das macht sich gut in den Home-Storys. 

Wieder zurück im kleinen Bahnhofsviertel laufen auf einmal überall Menschen herum, die beide Arme voller Feuerwerk haben, riesige Raketenpackungen tragen sie untergeklemmt, so kommen sie aus dem Drogeriemarkt, aus dem Edeka, aus dem Discounter. Fast immer sind es Männer, Väter und Söhne, seltsame Rituale. In den Nachrichten werden sehr gut laufende Verkäufe erwähnt. Also sehr gut nur aus Sicht des entsprechenden Branchenverbandes, versteht sich, in den Timelines sieht man das deutlich anders.

Am Abend hören wir die ersten und noch vereinzelten Böller in der Dunkelheit, aber in anderen Stadtteilen, so lese ich, gibt es schon Dauerfeuer. Wie damals, denke ich, wie damals, vor allem.

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Ein Kommentar

  1. Sehr geehrter Herr Buddenbohm, Ihre Zeilen als Wandkalender, und zwar zum täglich-Umblättern, und 2023 wird gut.
    Von Herzen einen frohen Jahreswechsel!
    Wer weiß….
    Vielleicht finden Sie beim Neujahrsputz doch noch eines Ihrer früheren Bücher und schicken es mir, wie einmal schon, nach Österreich.
    Das wäre eine Freude!
    Herzlichen Gruß,
    Julia Rauch.

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