Ab und zu Orangen pressen

Wie immer nach Weihnachten gibt es keine richtig guten Mandarinen mehr, nur noch die Netze, in denen mindestens eine schon vergammelt ist und man im Supermarkt in fauliges Fruchtfleisch greift, um sich dann für den Rest der Einkaufstour vor der eigenen Hand zu ekeln; der Rest der Früchte ist aufgrund der hauchdünnen Schale nicht vernünftig pellbar oder schon verdächtig vergoren im Geschmack, mit der Anmutung von gekipptem Dosenobst im Abgang. So sad! Der weitere Winter dümpelt also einigermaßen sinnlos dahin, nächste Station Erdbeeren, aber das dauert noch.

Ab und zu Orangen pressen und dabei etwas von Vitamin C murmeln. Ab und zu rausgehen und dabei etwas von Vitamin D murmeln. Vorsorge für Minimalisten, man bleibt ja so weit bemüht.

Die erste Arbeitswoche haben wir schon geschafft, 1/52. Da haben wir vielen Süddeutschen etwas voraus, die laut Abwesenheitsmeldungen in den Mails noch fast kollektiv im Urlaubsmodus verblieben sind, mit ihrem drolligen Extrafeiertag da. Die lagen bis eben noch unter den Tannenbäumen, die Feste verdauend. Das ganze Jahr werden wir jetzt wieder Vorsprung vor denen haben, in allem, auch in der neuen Urlaubsreife, die sich Woche für Woche routinemäßig und zuverlässig wieder aufbauen wird. Wann immer in den nächsten Monaten eine Kollegin aus München von Erschöpfung sprechen wird, mit einem gereizten: „Was soll ich denn erst sagen!“ antworten. Protestantische Arbeitsethik, die kann man auch ausleben, ohne mit der Kirche etwas zu tun zu haben. In der Wikipedia wird zum Thema Lavater zitiert: „Selbst im Himmel können wir ohne eine Beschäftigung nicht gesegnet sein.“

Das mal einwirken lassen, in der ganzen Bitternis, was für ein Satz. In der nächsten Woche machen die Söhne Praktika, dann arbeiten wir alle vier, das ist für uns eine Premiere, eine gesegnete, sozusagen.

Seit 45.000 Jahren machen wir Menschen Zeug, las ich gerade, was hat es genützt. Aber das führt heute zu weit, es ist Wochenende.

Gehört: Stefan Zweig, „In der Mondscheingasse“. Eine Geschichte, die nur funktioniert, weil ein Deutscher in der Fremde (Exilzeit) irgendwo in einem dubiosen Hafenviertel aus einer üblen Spelunke spätnachts noch Fetzen deutschen Gesanges hört, ein Stück aus dem Freischütz. Wo ich doch gerade gestern oder vorgestern fragte, ob wohl auch Deutsche fern der Heimat Lieder in der Muttersprache singen … ja, ja, wieder so ein Zufallding, schon klar.

Außerdem gehört: Etwas von Stevenson, etwas von Poe, etwas von Maupassant. Eventuell bin ich etwas gierig gerade. Aber es ist eine Gier, die nicht schadet, nehme ich an. Hoffe ich.

Ich lese ansonsten weiter in der Gaskell, „Frauen und Töchter“, ich finde das Buch sehr empfehlenswert. Falls Sie sich dafür interessieren, mehr Frauen zu lesen, was selbstverständlich ebenfalls empfehlenswert ist, lassen Sie Elizabeth Gaskell nicht aus, sie war definitiv eine Große und hat Dialogzeilen, die nennenswert lebendiger sind als in vielen anderen Romanen aus dieser Zeit.

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4 Kommentare

  1. Dass „Deutsche fern der Heimat Lieder in der Muttersprache singen“ hat leider schnell einen Beigeschmack, von oktoberfestelnd-suffbetont bis hin zu nationalistisch wie in der (großartigen) Szene in „Casablanca“: Die Besatzungssoldaten schmettern „Die Wacht am Rhein“, werden dann musikalisch durch die Marseillaise ‚besiegt‘.
    Wegen dieses Missbrauchs verlor das Singen seit den 1960ern im Musikunterricht an Bedeutung. Inzwischen wird meist Rock&Pop auf Englisch gesungen, ist halt „cooler“. Fragen Sie bitte Ihre Söhne, welche Lieder auf Deutsch sie kennen, womöglich auswendig? Ich tippe am ehesten auf „Mein kleiner grüner Kaktus“ oder „Alles nur geklaut“ und nicht die „Loreley“ oder das „Heideröslein“.

  2. Ich stelle mir einfach mal vor, was abgehen würde, wenn das muslimische Zuckerfest oder irgendein anderer Feiertag einer anderen Kultur als „drollig“ bezeichnet würden …

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