Angestaubt und leicht verbeult

Eine Erwärmung ist, wenn ich den Wetterberichten glaube, vom heutigen Tag abgesehen erst Mitte Mai zu erwarten, jeden Tag rückt die Möglichkeit der zuverlässigen 20-Grad-Zone einen Tag weiter von einem weg, schon morgen wird es sicher wieder so sein. 16 Grad immerhin kommen in der 7-Tage-Vorausschau der einen App einmal vor, da muss man sich dann schon freuen, so warm war es bisher selten in diesem Jahr. An dem Tag schnell mal stoßlüften!

Da aber ein gewisser Sohn, der das Frieren nicht kennt, sehr drängte, habe ich trotz vollkommen unzureichender Wetterbedingungen mit ihm in der Laube übernachtet. Drei Grad am Morgen. Das ist etwas sportlich für meinen Geschmack, die Laube hat keine Heizung, ich sitze also noch klappernd und zitternd am Tisch, umklammere den Kaffeebecher und versuche, mich warmzuschreiben, während er noch selig und nur gerade halb unter einer Decke zufrieden weiterschläft. Es ist ein Privileg der Jugend, weniger zu frieren, und ich glaube, ich war damals auch so.

Draußen im Garten immerhin Morgensonne auf Blüten, draußen ein unglaublich lautes Vogelkonzert, bei dem das in der Stadtmitte einfach nicht mithalten kann. Jetzt schon 5 Grad, es geht voran.

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In einem Tiktok-Beitrag der Nord-Ostseezeitung wird auf die zehn Stauden hingewiesen, die mit Dürre am besten umgehen können und dabei noch insektenfreundlich sind, für die kommenden Sommer ohne Regen. Falls Sie da auch Bedarf haben: Fetthenne, Balkan-Storchschnabel, Steppensalbei, Lavendel, Knollenbrandkraut (kenne ich gar nicht), Katzenminze, Frauenmantel, Bergenien, Taglilien, Manntreu.

Ich habe es sicher schon einmal geschrieben, aber es ist für mich nicht ohne eine gewisse Komik, dass in Gartensendungen, Gartenzeitschriften, Gartenbüchern etc. der Klimawandel und seine Folgen mit großer Selbstverständlichkeit mittlerweile routiniert behandelt werden, obwohl ein guter Teil des Zielpublikums eher stockkonservativ sein wird. In diesem Teilbereich der Wirklichkeit zumindest nehmen sie den Klimawandel ernst und als gegeben hin, reagieren auch darauf.

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Tag 1 des Deutschlandtickets. Ich bin fest entschlossen, es großartig zu finden, und ich könnte heute etwa mit der U-Bahn vom Garten nach Hause fahren, einfach so, weil ich jetzt ja überall einsteigen kann – aber diese Bahn fährt heute nicht, Baustelle. Ich hoffe, es ist keine weitreichende Symbolik.

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Das neulich erwähnte Buch „New York Interiors“ einmal durchgeblättert. Das Buch ist von 2007 und zeigt die Wohnungen der damals Reichen und Schönen. Einige von denen werden es heute vielleicht nicht mehr sein, man müsste einmal nachsehen. Eine Wohnung fällt dabei aus dem Rahmen, weil sie auf den ersten Blick so grotesk geschmacklos eingerichtet ist, in einer solchen wahnhaften Übertreibung des grässlich protzigen Golddekors, dass man es spontan für sinnlos überzogene Satire halten möchte, es kann einfach nicht ernst gemeint sein. Das ist die Wohnung von Trump. Wirklich entsetzlich.

Ich stelle ansonsten beim Blättern fest, dass ich mich am ehesten in dem wohlfühlen könnte, was etwa wie 19. Jahrhundert wirkt, aber nicht in der opulenten, viktorianisch oder gründerzeitlich überladenen Variante der damaligen Oberschicht, eher in der etwas heruntergerockt wirkenden Atelier-Ausprägung der Bohème, was dann nach angestaubten, leicht verbeulten Designstücken vom Sperrmüll aussieht. Doch, darin könnte ich gut leben, glaube ich, vermutlich weil ich selbst angestaubt und leicht verbeult bin. Wie innen, so außen, heißt es in der Esoterik, die dann zumindest in diesem Punkt auch einmal Recht haben darf.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

3 Kommentare

  1. Wertvoll und vom Leben geprägt- das wäre auch eine mögliche Bezeichnung. Einen angenehmen Mai in Hamburg mit Gezwitscher und Blüten und schönen Schreibideen.

  2. Vor ein paar Wochen war ich mit meiner Mutter, die wirklich jede Pflanze kennt, in einem Gartenmarkt. Dort fand (und erstand) sie auch das Knollenbrandkraut, das ihr zuvor auch gänzlich unbekannt war.
    ~
    Für mich ist es auf einfacher, in meinem Garten mehr hitzeresistente Pflanzen zu setzen, als meine Kraft in die Umsetzung irgendwelcher Klimaziele der Regierungen zu setzen.

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